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Die geordnete Machtübergabe in den USA ist gefährdet

Wer der nächste US-Präsident wird, darüber entscheidet womöglich die Justiz. Joe Biden steht kurz vor einem Sieg. Donald Trump klagt vor Gericht.

Auch zwei Tage nach der Wahl gibt es keinen Wahlgewinner in den USA. Sowohl Präsident Donald Trump als auch sein Herausforderer Joe Biden zeigten sich siegessicher. „Unsere Daten zeigen, dass Biden der nächste Präsident sein wird“, sagte die Wahlkampfmanagerin des Demokraten, Jen O’Malley Dillon. Bill Stepien, der Wahlkampfmanager des republikanischen Amtsinhabers, dagegen sagte, Trump stehe gut da und werde die Wahl gewinnen.

Die besseren Chancen allerdings hat der demokratische Herausforderer. Bei bereits 253 gesicherten Stimmen würde Biden die erforderliche Mehrheit von 270 Wahlmännern erreichen, wenn er die Staaten Arizona und Nevada erobert, in denen er derzeit führt. Er wäre dann nicht auf weitere Gewinne in North Carolina, Georgia oder Pennsylvania angewiesen.

Trump kämpft allerdings um seinen Machterhalt – mit allen Mitteln. Jetzt schickt er seine Anwälte in mehreren Staaten mit Klagen vor, um die Wahlauszählung zu stoppen oder das Ergebnis anzuzweifeln. „Das ist ein Betrug an der amerikanischen Öffentlichkeit. Das ist eine Blamage für unser Land“, sagte Trump.

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An den Finanzmärkten sorgte die Aussicht auf einen Sieg Bidens für Euphorie. An vielen Börsen stiegen die Kurse im Gleichklang. Erstmals seit Mitte Oktober notierte der S & P-500-Index wieder über 3000 Punkte. Auch Tech-Aktien profitierten. Die Anleihekurse stiegen in der Erwartung, dass ein republikanisch dominierter Senat die Ausgabenfreude eines neuen demokratischen Präsidenten Biden unter Kontrolle halten könnte.

Donald Trump reagierte, wie er in den vergangenen vier Jahren immer reagierte, wenn er unter Druck stand: Der Präsident bediente sich seines Twitter-Accounts. Sein am Dienstagabend noch bestehender Vorsprung sei in einem Bundesstaat nach dem anderen „auf magische Weise verschwunden“, zürnte Trump. Oder: „In Pennsylvania wird hart daran gearbeitet, schnell eine halbe Million Stimmen verschwinden zu lassen“. In einem weiteren Tweet verkündete er: „Sie finden überall Biden-Stimmen, in Pennsylvania, Wisconsin und Michigan. So schlecht für unser Land.“

Leiter der Wahlbeobachter sieht keine Manipulation

Beweise für all diese Behauptungen blieb Trump schuldig. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die eine Wahlbeobachtungsmission in die USA geschickt hatte, erklärte, es seien keinerlei Regelverstöße festgestellt worden. „Es gab keine systemische Beeinträchtigung oder gar Manipulation“, sagte der FDP-Politiker Michael Georg Link, der den Einsatz leitet, dem Sender Inforadio vom RBB. Die Forderung Trumps, die Auszählung der Stimmen zu stoppen, bezeichnete er als einen Tabubruch.

Wann hat es so etwas schon einmal gegeben, dass ein amtierender Präsident noch während des Auszählprozesses Wahlbetrug unterstellt? Dass er, der oberste Repräsentant des Staates, die Legitimation des wichtigsten Elements einer Demokratie, die Wahl, offen infrage stellt und den Stopp der Stimmenauszählung fordert?


Der Kurznachrichtendienst Twitter jedenfalls sah sich genötigt, einige der Botschaften des Präsidenten mit Warnhinweisen wegen „möglicherweise irreführender“ Aussagen zu versehen. Die Strategie Trumps ist klar: Er spürt, dass die Chancen, auf einem regulären Weg die Wahlen zu gewinnen, schwinden. Und so versucht der Präsident erstens auf juristischem Weg, die Wahl anzufechten.

Trumps Anwälte forderten einen Stopp der laufenden Auszählungen in Michigan und Pennsylvania sowie in Georgia. In Wisconsin wiederum beantragten sie ob des knappen Ausgangs eine Neuauszählung. Zweitens stachelt der Präsident mit seiner aggressiven Rhetorik seine Wählerbasis zu Protesten an.

Überall im Land Proteste – teilweise mit Waffen

Eine friedliche Machtübergabe ist in der westlichen Führungsmacht USA damit nicht mehr gewährleistet. In Detroit versammelten sich am Mittwochnachmittag Hunderte Trump-Anhänger vor der Messehalle, wo die Stimmen noch ausgezählt wurden. Sie skandierten „Stop the Count“ und verschafften sich über einen Seiteneingang schließlich Zugang zum Gebäude, wo es zu „chaotischen Konfrontationen“ kam, wie es die Lokalzeitung „Detroit News“ beschrieb. Ähnliche Szenen spielten sich in Philadelphia ab, der größten Stadt in Pennsylvania.


Auch in Phoenix, Arizona, versammelten sich zum teil bewaffnete Trump-Anhänger vor einem Wahl-Center. Dort wollten sie vor allem sicherstellen, dass die Stimmen weiter gezählt werden. „Stop the Steal“, skandierten sie – stoppt den Wahlbetrug. Der konservative TV-Sender „Fox News“ hatte den Bundesstaat schon früh Joe Biden zugesprochen, was Trump scharf kritisiert hatte.

In den Parolen seiner Anhänger hallt Trumps widersprüchliche Argumentation wieder. Während der Präsident in Arizona hinten liegt und daher eine Auszählung aller verbleibenden Stimmen fordert, will er einen Stopp der Auszählung in Pennsylvania erreichen, wo sein Vorsprung auf Joe Biden immer weiter abschmilzt.

Trump hatte seine Anhänger bereits vor der Wahl aufgerufen, sich die Stimmabgaben und Auszählungen genau anzuschauen. Auch Michigan spielt bei der Wahlentscheidung eine zentrale Rolle. Der Bundesstaat ging laut der Nachrichtenagentur AP ebenfalls an Biden.

Die Sorge darüber wächst, dass die Proteste anschwellen und es zu Auseinandersetzungen zwischen Trump-Fans und Biden-Unterstützern kommt. Anti-Trump-Demonstrationen gab es unter anderem in New York City, Philadelphia, North Carolina, Oakland und Portland. Sie forderten, dass jede Stimme gezählt werden müsse.


Viele wurden von Gruppen organisiert, die sich mit der Bewegung „Protect the Results“ assoziieren, einer Koalition aus Bürgerrechtsgruppen und Gewerkschaften. In Denver wurden acht Demonstranten verhaften. Einige hatten eine Flagge angezündet, die Unterstützung für Polizei und Sicherheitskräfte signalisiert.

Die letzten fünf umkämpften Staaten

Tatsächlich ist die Lage in den jetzt noch auszuzählenden fünf Staaten denkbar knapp. Biden führte leicht in Nevada und Arizona, während Trumps knapper Vorsprung in Pennsylvania und Georgia dahinschmolz, je mehr die Auszählung der zahlreichen Briefwahlstimmen vorankam. Auch in North Carolina ist das Ergebnis knapp – allerdings zeichnet sich hier bisher ein Trump-Sieg ab.

In Wisconsin beantragten die Republikaner eine Neuauszählung der Stimmen, was im Prozedere bei einem knappen Abstand vorgesehen ist. Derzeit liegt Biden dort mit gut 20.000 Stimmen Mehrheit vorn, bei mehr als 98 Prozent ausgezählten Stimmen.

Der Präsident muss jedoch in drei umkämpften Staaten – Georgia, Pennsylvania und North Carolina – sowie entweder in Arizona oder Nevada gewinnen, um zu verhindern, dass er als erster Amtsinhaber seit George H.W. Bush 1992 nicht wiedergewählt wird.

Insgesamt schnitt Trump (74) bei der Wahl deutlich besser ab als nach Umfragen erwartet. Biden verfehlte den von den Demokraten erhofften klaren Sieg und musste sich unter anderem in Florida und Texas dem republikanischen Präsidenten geschlagen geben. Vor der Wahl hatte das Statistikportal „FiveThirtyEight“ nur eine Wahrscheinlichkeit von rund zehn Prozent für einen Sieg Trumps errechnet.


Mit mehr als 72 Millionen Stimmen hat Biden allerdings so viele Wählerstimmen erreicht wie noch kein Präsidentschaftskandidat vor ihm. Er brach damit den Rekord von Barack Obama aus dem Jahr 2008, der auf knapp 69,5 Millionen Stimmen kam. Beide Lager haben es geschafft, Wähler zur Stimmabgabe bei dieser Schicksalswahl für die Weltmacht zu motivieren. Auch Trump könnte Obamas Rekord noch brechen. Er hatte, obwohl einige Staaten noch nicht ausgezählt waren, am Donnerstag auch bereits 68,3 Millionen Stimmen erreicht.

Senat geht wohl an die Republikaner

Im Senat zeichnet sich dagegen eine hauchdünne Führung der Republikaner ab. Wenn die beiden republikanischen Senatoren Thom Tillis in North Carolina und Dan Sullivan in Alaska gewinnen, wonach es derzeit aussieht, haben die Republikaner 50 Sitze inne, die Demokraten 48 Sitze. Die beiden verbliebenen Sitze werden im einst klar republikanisch dominierten Georgia vergeben.

Ex-Manager und Amtsinhaber David Perdue liegt nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen mit 50 Prozent in Führung. Rutscht er jedoch unter diese Marke, würde sein Sitz ebenso wie der zweite in Georgia im Januar in die Stichwahl gehen. Dass die Demokraten beide Sitze gewinnen, gilt als unwahrscheinlich. Allerdings lässt sich schwer prognostizieren, wie enttäuscht Trumps Stammwähler auf eine Wahlniederlage ihres Idols reagieren würden. Die Demokraten können darauf hoffen, dass der Enthusiasmus der Republikaner nachlässt.

Das geplante Konjunkturprogramm ist gefährdet

Eine geordnete Machtübergang ist auch entscheidend für die Frage, wie handlungsfähig und -willig Regierung und Parlament in den Wochen bis zum offiziellen Amtswechsel im Januar sein werden. Es gilt das milliardenschwere Covid-Hilfspaket zu verabschieden, über dessen Höhe und Ausgestaltung sich Republikaner und Demokraten seit Wochen streiten.

Sowohl der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, als auch die demokratische Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi, betonen, dass die parlamentarische Arbeit weitergehen muss.

„Wir müssen uns zusammensetzen und miteinander reden“, sagte McConnell Reportern in Kentucky. Vor den Wahlen jedoch hatte dies nicht funktioniert. Fraglich wird nun unter anderem sein, wie kompromissbereit Donald Trump in den kommenden Wochen sein wird. Im Dezember müssen die Abgeordneten auch das Budget freigeben, um einen Shutdown zu verhindern. Doch über allem hängt die Ungewissheit über die Präsidentschaftswahl und ihre Folgen.

Erste Republikaner gehen vorsichtig auf Distanz zu Trump

Sollte sich der derzeitige Trend bestätigen, wird Trump die Wahl verlieren. Die Frage ist dann, wie seine Parteifreunde reagieren. Erste Republikaner gehen schon vorsichtig auf Distanz zu ihrem Präsidenten. Bei aller parteipolitischen Konfliktbereitschaft zögern sie, dem Präsidenten bei seiner Strategie zu folgen, die freie Wahl und die friedliche Machtübergabe, zentrale Merkmale der Demokratie, in Zweifel zu ziehen.

„Wenn es Tage dauert, legal abgegebene Stimmen zu zählen, ist das KEIN Wahlbetrug“, schrieb Marco Rubio, Senator aus Florida, auf Twitter. Bisher hatten die meisten Republikaner große Angst davor, Trumps Zorn auf sich zu ziehen. Wohl auch deshalb fügte Rubio hinzu: „Und Klagen gegen die Zählung von Wahlzetteln, die nach der gesetzlich festgelegten Deadline abgegeben wurden, sind keine Unterdrückung von Stimmen.“