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Wie Russland seinen Impfstoff-Erfolg verspielt

Russlands Präsident Putin selbst wurde noch nicht damit geimpft und nicht nur im Westen genießt der russische Impfstoff Sputnik V wenig Vertrauen. Die Russen selbst sind skeptisch. Dabei ist er besser als sein Ruf.

Ginge es allein nach Wladimir Putin, müsste die Welt gerade mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung gen Moskau blicken. Seit gut zehn Tagen läuft in der russischen Hauptstadt und im Umland eine breit angelegte Impfkampagne gegen das Coronavirus. Während sich EU-Bürger noch einige Tage gedulden müssen, haben bereits etwa eine Viertelmillion Russen den Impfstoff Sputnik V verabreicht bekommen. Bei seiner großen großen Jahrespressekonferenz mit Vertretern internationaler und nationaler Medien sagte Putin, er werde sich mit dem Impfstoff impfen lassen, sobald das für seine Altersgruppe möglich ist. Das international vermarktete Mittel sei „effektiv und ungefährlich“.

Doch die westliche Öffentlichkeit quittiert Russlands Vorstoß mit Skepsis. In der Diskussion um aussichtsreiche Impfstoff-Kandidaten kommt Sputnik kaum vor. Für die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA, die für die Zulassung von Impfstoffen zuständig ist, gehört Sputnik jedenfalls nicht dazu. Nur widerwillig bekam Ungarn aus Brüssel grünes Licht, Russlands Sputnik V auf eigene Verantwortung zu testen.

In Russland ist das ein willkommener Anlass, um zum verbalen Gegenangriff zu blasen. Kirill Dmitriew, ein Vertrauter Putins und Chef des staatlichen Fonds für Direktinvestitionen, der die Sputnik-Entwicklung finanziert, erklärte die westliche Skepsis mit dem Versuch von „Problemen mit eigenen Impfstoffen, etwa ihrer unzureichenden Sicherheit“ abzulenken. Außerdem müssten westliche Länder ihren Bürgern erklären, warum diese noch immer auf einen Impfstoff warten.

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Noch deutlicher wurde dieser Tage der Sprecher des Verteidigungsministeriums. „Wir wissen im Detail, welche Mittel und Ressourcen verwendet werden, um den russischen Impfstoff in Russland und der Welt zu diskreditieren“, polterte der Vertreter der Militärs. Dies sei nichts anderes als Sabotage.

Spätestens nach dieser Verbal-Attacke ist klar, dass Sputnik V aus russischer Sicht von Anfang an mehr als nur ein Impfstoff gewesen ist. Schon die vorzeitige Registrierung im August stilisierten staatliche Medien zu einem Sieg der russischen Wissenschaft. Später versuchte der Kreml, Sputnik als eine Art Soft-Power-Instrument zu nutzen. Die Regierung bot das Vakzin vor allem befreundeten Staaten wie Ungarn, Venezuela oder Indien an. Überall dort laufen derzeit eigene klinische Tests.

Doch während Moskau mit seinem Impfstoff prahlte, war es ausgerechnet dieser massive politische Rückhalt aus dem Kreml, der Sputnik V viel Vertrauen im Westen und selbst in Russland kostete. „Ich habe den Eindruck, dass die Macher des Impfstoffs unter politischem Druck stehen, möglichst viele Erfolge zu präsentieren“, kritisiert etwa Swetlana Sawidowa. Sie leitet den russischen Branchenverband für klinische Studien und beobachtet seit Monaten die Tests zu Sputnik V. Durch diesen Druck würden die Forscher und ihr Impfstoff in den Augen der Öffentlichkeit diskreditiert.

„Die Skepsis ist groß“

Die Folgen zeigten sich bereits zum Start der Impfkampagne, die Wladimir Putin Anfang Dezember anordnete – just nachdem in Großbritannien der Impfstoff von Pfizer und Biontech die Zulassung bekam. Trotz umfassender Propaganda in den Staatsmedien blieb ein Ansturm auf die ersten 70 Moskauer Impfstationen aus. Augenzeugen und Ärzte berichteten gar, dass bereits aufgetaute Impfdosen teilweise vernichtet werden mussten, weil einige Impfwillige nicht erschienen. In einer Umfrage des staatlichen FOM-Instituts sagten nur 42 Prozent der Befragten, sie könnten sich eine Impfung in den nächsten Tagen vorstellen.

Und das, obwohl sich zuletzt die Anzeichen mehrten, dass der Impfstoff besser ist, als sein Ruf es vermuten lässt. Zunächst gilt Sputnik V durch sein Vektor-Design unter Experten als potenziell ungefährlich. Das gefährliche S-Molekül des Coronavirus' nutzt dabei ein ungefährliches Virus, das sich nicht weiter vermehren kann, als Shuttle um an die nötigen Stellen im Körper zu gelangen, wo anschließend Anti-Körper heranwachsen.

Die Kosten bleiben mit etwa 20 Euro pro Dosis überschaubar. Zudem haben die Macher jüngst neue Zahlen veröffentlicht, die nun zwar statt 95 nur noch eine Effektivität von 91,4 Prozent für Sputnik V anzeigen, sich jedoch auf eine breitere Basis beziehen. Diesmal wurden 78 Ansteckungsfälle unter mehr als 22.000 Testpersonen untersucht, 62 Ansteckungen gab es in der Placebo-Gruppe. Die alten, höheren Effizienz-Angaben wurden vielfach international kritisiert, basierten sie doch auf einem Satz von lediglich 20 Ansteckungen unter 16.000 Probanden.

Größtes Problem bleibt nach wie vor, dass sich die Angaben der Hersteller, wie bisher auch bei den meisten anderen Impfstoffen, nicht unabhängig überprüfen lassen. Einer, der dieses Problem auf unkonventionelle Art angehen will, heißt Wladimir Rusetzkij. Noch im Sommer hatte sich der 34-jährige IT-Spezialist aus dem russischen Omsk in den Flieger gesetzt und sich in Moskau als Freiwilliger in der dritten Studienphase impfen lassen. „Für mich ist das eine psychologische Erleichterung gewesen“, erinnert sich der Russe.
Um sich mit anderen Probanden aus der Testphase auszutauschen, gründete er eine Gruppe im Messenger-Dienst Telegram. Aus Neugier hatten einige von ihnen sich nach etwa drei Wochen in privaten Labors auf Antikörper testen lassen.

„Wir haben beschlossen, die Testergebnisse zu sammeln und zu systematisieren und haben gesehen, dass die Impfung tatsächlich funktioniert“, erklärt der Russe. Mittlerweile schließt die Amateur-Studie rund 500 Probanden ein, die jeweils zwei Labortests eingereicht haben. Das Ergebnis: Etwa 75 Prozent von ihnen haben tatsächlich nach der Impfung Antikörper gebildet. Das deckt sich mit der Anzahl der Probanden, die kein Placebo erhalten haben. Doch auch Impf-Enthusiast Rusetzkij gibt zu: „Die Skepsis in meinem privaten Umfeld oder auf Arbeit ist nach wie vor groß“.

Die Macher von Sputnik V geben jedoch nicht auf, das Vertrauen in das heimische Präparat noch wachsen zu lassen. Jüngste Hoffnung ist eine Kooperation mit dem Pharmakonzern Astrazeneca, dessen Vakzin ein ähnliches Design besitzt. Noch im November hatte Russland angeregt, die beiden Impfstoffe zu kombinieren, um einen stärkeren Effekt zu erreichen. Vor wenigen Tagen gab der britische Konzern bekannt, entsprechende klinische Tests einzuleiten.

Für den russischen Impfstoff und seine Macher wäre eine Kooperation mit einem namhaften Pharmakonzern ein mächtiger Reputationsschub. Vielleicht lässt sich so doch noch ein Türspalt für mögliche Exporte nach Europa öffnen.

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