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ROUNDUP 2/Rückzug auf Raten: Grüne Spiegel gibt Familienministerium auf

(neu: Mehr Details und Hintergrund.)

HUSUM/BERLIN (dpa-AFX) - Es ist ein quälender Auftritt, gefolgt von tönendem Schweigen der Grünen-Parteiführung: Noch am Sonntagabend versucht eine um Fassung ringende Anne Spiegel ihr Verhalten als rheinland-pfälzische Umweltministerin nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer mit persönlichen Problemen zu erklären: mit dem Schlaganfall ihres Mannes und der Belastung ihrer Kinder in der Corona-Pandemie. Nur durch eine einzige Nacht rettet die 41-jährige Grünen-Politikerin ihr Amt als Bundesfamilienministerin noch. Am Montagnachmittag kündigt sie ihren Rücktritt an - diesmal schriftlich.

Im Ahrtal starben 134 Menschen, und rund zehn Tage später bricht Spiegel zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich auf - nachdem die "Bild am Sonntag" das berichtet hat, ist Spiegel angezählt. Parteifreunde springen ihr zwar zur Seite, der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, will eine "massiv frauenfeindliche Dimension" in der Debatte um Spiegel erkannt haben. Sie habe sich trotz Urlaubs gekümmert, betonen andere.

Es erinnert auf den ersten Blick an den Umgang mit Kritik an Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im vergangenen Sommer - nur dass diesmal allein die zweite Reihe spricht, während die Führungsriege einen Tag lang eisern schweigt. Je länger die Stille dauert, desto klarer wird, dass ihre Parteiführung nicht für sie kämpfen wird.

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"In engem Kontakt" mit Spiegel sei man gewesen, sagt Parteichefin Ricarda Lang, als sie am Montagnachmittag vor einem Husumer Hotel vor die Kameras tritt, wenige Minuten nach Spiegels Rückzug. "Wir haben größten Respekt vor ihrem Mut, vor ihrer Klarheit." Eigentlich wollte der Grünen-Vorstand hier, in einem Backsteinbau an der schleswig-holsteinischen Westküste, bei einer Klausur über die Folgen des Ukraine-Kriegs für Deutschland und Europa sprechen. Eine Schalte mit dem Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster, war geplant. All' das fällt aus: Der erste von zwei Tagen Klausur geht für den Fall Spiegel und die Folgen drauf.

"Unglaublich gute Arbeit" habe Spiegel geleistet als Familienministerin, sagt Parteichef Omid Nouripour. Der Partei geschadet habe Spiegel nicht. "Sie hat in einer sehr schwierigen Situation jetzt alles dafür getan, um Schaden vom Amt abzuwenden, und dafür gebührt ihr unser Respekt." Ein Vorschlag zur Nachfolge soll bald folgen.

Die Grünen haben die Kurve bekommen, so gerade bevor sich eine tagelange mediale Debatte entspinnen konnte. Dabei dürfte auch ihre unkomfortable Position im Glashaus eine Rolle gespielt haben. Erst einige Tage zuvor hat die nordrhein-westfälischen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ihr Amt niedergelegt nachdem bekanntgeworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte. Ein Verhalten, das der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Johannes Remmel (Grüne) mit den Worten würdigte: "Sie sind von Bord gegangen zu einem Zeitpunkt, als das Schiff am Sinken war." Vom "Costa-Concordia-Moment" der Ministerin sprach er in Anspielung auf die Schiffskatastrophe 2012.

Der Zeitpunkt ist für die Grünen besonders heikel, weil zwei wichtige Landtagswahlen kurz bevorstehen: Am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein gewählt und am 15. Mai in Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern erzielen die Grünen in Umfragen aktuell deutlich bessere Werte als bei den jeweils letzten Wahlen.

Indirekt holen die Partei nun auch noch einmal jene Querelen um die Besetzung grüner Kabinettsposten Ende vergangenen Jahres ein, die Spiegel damals ins Kabinett brachten. Nachdem der frühere linke Fraktionschef Anton Hofreiter dem Realo Cem Özdemir weichen musste, wurden zwei Ministerinnen gesucht. Denn die beiden damaligen Parteichefs Baerbock und Robert Habeck waren gesetzt für Ministerämter. Drei von fünf Posten bei den um Gleichstellung bestrebten Grünen mussten an Frauen gehen, so viel war klar, ebenso dass sie zum linken Flügel gehören mussten. Und so kamen Spiegel und die heutige Umweltministerin Steffi Lemke ins Spiel. Nicht einmal fünf Monate hat das in zähem Streit auf offener Bühne errungene Personaltableau überdauert.