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Reinhard Springer – Der Werber mit der Aktienidee

Reinhard Springer war seiner Zeit voraus. Vier Jahrzehnte, bevor das Wort „Purpose“ Karriere machte und Unternehmenschefs auf der ganzen Welt dazu animierte, sich sinnstiftende Erklärungen für ihre Betriebe auszudenken, baute Springer eine Werbeagentur mit einer klaren Haltung, einem klaren Sinnzweck, einem, wenn man so will: Purpose. „Ich hasse solche Showworte“, poltert Springer, der Mitgründer der Werbeagentur Springer & Jacoby, die vor 40 Jahren gegründet wurde und 2010 ihren Betrieb einstellte.

Springer, heute 70 Jahre alt, sieht allerdings keinen Anlass, sich zur Ruhe zu setzen. Der energiegeladene Ex-Agenturchef – mit nicht weniger als vier Wohnsitzen zwischen London und Mallorca – hat sich eine neue Aufgabe gesucht: Er hat zusammen mit seinem einstigen Compagnon Konstantin Jacoby einen Aktienfonds aufgelegt.

Ein wenig fühle er sich wie einer der beiden grummelnden Opas in der Muppet-Show, Stadler und Waldorf, die das Geschehen von der Loge aus beobachten und kommentieren, schmunzelt Springer.

Aber Springer will seine Millionen nicht irgendwo anlegen, sondern ausschließlich bei Unternehmen, deren Mitarbeiter stolz auf ihre Arbeit sind, deshalb heißt der Fonds auch Proud@Work. Momentan umfasst der Fonds knapp sechs Millionen Euro, in Kürze sollen es zehn Millionen sein.

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Springer und seine Anlegerkollegen wollen ausschließlich Firmen fördern, die eine Auszeichnung bei dem Arbeitgeber-Wettbewerb „Great Place to Work“ erhalten haben – der Preis soll als Beleg für die Ernsthaftigkeit der Bemühungen um das Mitarbeiterwohl dienen. Unter den aktuellen und früheren Preisträgern soll Fondsmanagerin Tina Schumacher, eine ehemalige Mitarbeiterin von Springer & Jacoby, die rund 25 Firmen, deren Aktien für den Fonds interessant sind, auswählen. Erste Unternehmen sind identifiziert: Continental, Puma und Delta Airlines.

Einen ersten öffentlichen Auftritt gab es bei der diesjährigen Preisverleihung von „Great Place to Work“ im März in Berlin. Springer und Jacoby kamen auf die Bühne und durften Werbung machen für ihren Aktienfonds – Werbung machen können sie ja. Zu einem Fonds mit einem solchen Anspruch könne man „natürlich keine Abzocke liefern.

Jeder hat das Gefühl, wenn er sein Geld in einen Fonds steckt, die zocken ab, und ich selbst trage das Risiko“, meinte Ex-Werber Jacoby. „Deswegen haben wir diesen Fonds so konstruiert, dass man null Kosten hat, das heißt, der Fonds hat null Fixkosten, erst bei gewissem Erfolg geht was davon ab.“

Höhere Börsenbewertung

Doch Springer und Jacoby geht es nicht um Altruismus pur. Sie haben herausgefunden: Mitarbeiterstolz zahlt sich aus. Wenn Unternehmen Mitarbeiter beschäftigen, die gerne zur Arbeit kommen, die stolz auf ihr Unternehmen sind und gerne zu dessen Erfolg beitragen, hat das positive Auswirkungen auf den Aktienkurs. „Die Börsenkurse dieser Unternehmen haben in den vergangenen 15 Jahren deutlich höher gelegen als die Indizes wie Dax, S & P oder MSCI“, sagt Springer.

Er weiß, wovon er redet. 1979 gründete er in Hamburg eine Werbeagentur, zunächst unter dem Namen Eiler & Riemel Hamburg, ein paar Jahre später erfolgte die Umbenennung in Springer & Jacoby, kurz S & J. Das Unternehmen avancierte rasch zu Deutschlands angesehenster und kreativster Werbeagentur. Sie bekam Auszeichnungen beim Art Directors Club, beim Werbefestival in Cannes und beim britischen D & AD.

Wer in Deutschland eine starke Marke aufbauen wollte, kam an S & J nicht vorbei. Legendär ist beispielsweise der Ohrfeigen-Spot von Mercedes. Er schält humorvoll den Markenkern der Automarke heraus: Zuverlässigkeit und Perfektion. In dem Spot ohrfeigt eine Ehefrau ihren zu spät nach Hause kommenden Mann, als dieser sich mit einer Panne entschuldigt. „Mit einem Mercedes?“, fragt sie ungläubig.

Der Zusammenhalt der Werber bei S & J war groß, noch heute nehmen Agenturchefs Bezug auf ihre Vergangenheit dort. Schätzungsweise 30 Werbeagenturen wurden von ehemaligen S & J-lern gegründet, darunter Jung von Matt, Kempertrautmann, die sich später in Thjnk umbenannten, Heimat, Philipp und Keuntje und Antoni.

Es ist wie eine Zugehörigkeit zu einem exklusiven Klub. „Das war schon einmalig“, sagt Tonio Kröger, Mitgründer der Mercedes-Agentur Antoni. In den 90er-Jahren war er einer der Geschäftsführer von S & J. Damit war Kröger selbst „Kulturträger“, er trug weiter, was Springer und Jacoby als Werte verankert hatten. „Die beiden haben einen sehr hohen Anspruch an die Qualität der Arbeit definiert.“

Klarheit für Mitarbeiter

War es nur der Leistungsanspruch? Ex-Agenturchef Springer meint: „Das Allerwichtigste ist: Die Mitarbeiter müssen Klarheit haben“, sagt er. Das Zweitwichtigste: „Das, was die Unternehmen sagen, müssen sie auch tun.“ Springer nennt es die „Gesagt-getan-Rate“. Eines der Instrumente bei Springer & Jaboby war das schriftlich ausformulierte Grundgesetz, das in allen Abteilungen ein Mal pro Quartal allen Mitarbeitern laut vorgelesen worden wurde.

„Das Grundgesetz muss nicht der Chef kapieren, sondern die Mitarbeiter“, begründet Springer die Lesestunde. Grundgesetze, Manifeste oder Wertekodexe haben heute viele Unternehmen, aber nach Ansicht des früheren Agenturchefs würden solche Papiere allzu schnell in den Schubladen verschwinden und unbeachtet bleiben.

Der Werber betrachtet Situationen gern von außen. So sieht er das überbordende Kommunikationsverhalten der Menschen heutzutage kritisch, wie zum Beispiel ihren permanenten Drang, sich auf Plattformen wie Facebook darzustellen. Schon vor Jahren schrieb er einen Spruch an seine Bürowand: „Die permanente Kommunikationsbereitschaft führt zwangsläufig zur Oberflächlichkeit.“ Eine Mahnung an Werber – die fürs Kommunizieren bezahlt werden.

Springer steht authentisch für das Thema Mitarbeiterführung – das meint auch Antoni-Gründer Kröger. Bei einem nicht minder wichtigen Thema hat Springer allerdings die Zügel ausgesprochen lockergelassen: beim Thema Generationswechsel. Nachdem sich die beiden Gründer Springer und Jacoby Anfang des Jahrtausends aus ihrer eigenen Agentur zurückgezogen hatten, durchlief die Firma eine schwierige Phase mit immer neuen Chefs, immer neuen Anläufen.

Die Agenturkultur verwässerte. Wichtige Kunden wie Mercedes-Benz und die Deutsche Telekom sprangen ab – verunsichert von dem Führungschaos – und schickten die Agentur weiter auf Talfahrt. Zuletzt versuchte Lutz Schaffhausen sein Glück, als er S & J übernahm mit seiner Beteiligungsgesellschaft Avantaxx– doch das teure Unternehmen misslang, 2010 musste er für Springer & Jacoby Insolvenz beantragen.

Springer hat das alles aus der Ferne beobachtet. 1994 hat er sich aus dem operativen Geschäft von Springer & Jacoby zurückgezogen und ist in den Aufsichtsrat gewechselt. 2000 gründete er seine eigene kleine Markenberatungsfirma unter dem Namen Reinhards. Heute konzentriert er seine Beratungen auf zwei Marken: Katjes und Schleich. In den Unternehmen sitzt er jeweils im Beirat. Er glaubt an den tiefen Sinn von erfüllender Arbeit. „Arbeit ist Sinnstiftung“, sagt er. „Ein Arbeitsloser ist der traurigste Mensch auf der Welt.“