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Regierung will „Sub-Sub-Unternehmertum“ in der Fleischindustrie beenden

Nach mehreren Corona-Ausbrüchen in Fleischfabriken will die Bundesregierung für mehr Arbeitsschutz sorgen. Die Branche beklagt Diskriminierung.

In dem Werk wurden über 100 Beschäftigte positiv auf das Virus getestet. Foto: dpa
In dem Werk wurden über 100 Beschäftigte positiv auf das Virus getestet. Foto: dpa

Die Arbeit in Schlachthöfen soll künftig nicht mehr über Werkverträge und Subunternehmer vergeben werden dürfen. Das sehen die Eckpunkte für ein Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft vor, die das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat.

„Besserer Arbeitsschutz in der Fleischwirtschaft ist dringend nötig“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Das haben die letzten Tage nochmals gezeigt.“ Bei Schlachthofmitarbeitern in verschiedenen Bundesländern war es zu einer Häufung von Corona-Infektionen gekommen.

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Als eine Ursache gelten die oft beengten Wohnverhältnisse der meist aus Osteuropa stammenden Arbeitnehmer. Sie werden meist gemeinsam in einer Wohnung oder Sammelunterkünften untergebracht. Die Bundesregierung will Arbeitgeber deshalb verpflichten, die zuständigen Behörden über den Wohn- und Einsatzort ausländischer Arbeitskräfte zu informieren. Trotz der Corona-Pandemie waren entsandte Beschäftigte teilweise je nach Bedarf von Betrieb zu Betrieb geschickt worden.

Die zehn Eckpunkte des Arbeitsministeriums sehen unter anderem eine verbindliche Quote für Arbeitsschutzkontrollen in der Fleischindustrie, die Pflicht zur digitalen Erfassung der Arbeitszeit und eine Verdopplung der möglichen Bußgelder bei Arbeitszeitverstößen auf 30.000 Euro vor.

Kernpunkt ist aber das Verbot von Werkverträgen, mit dem man das „Sub-Sub-Subunternehmertum“ in der Branche beenden wolle, wie Heil sagte. „Ab dem 1. Januar 2021 ist das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch nur noch Betriebsangehörigen erlaubt“, heißt es in den Eckpunkten. Schlachthöfe müssen also die Beschäftigten selbst anstellen und dürfen sie nicht über Subunternehmen ins Haus holen.

Kleine Betriebe sind ausgenommen

Diese Regelung gelte für alle Fleischfabriken, wo derzeit zwischen 50 und 80 Prozent der Mitarbeiter als Werkvertragsbeschäftigte arbeiteten, betonte Heil. „Es geht nicht um die kleine Schlachterei auf dem Land.“

Über den Umgang mit Werkverträgen hatte es zuletzt noch Gesprächsbedarf innerhalb der Großen Koalition gegeben, deshalb waren Heils Pläne, anders als ursprünglich geplant, nicht schon am Montag vom sogenannten Corona-Kabinett verabschiedet worden. In der Union gab es Bedenken, dass Heil mit einer generellen stärkeren Regulierung von Werkverträgen über das Ziel hinausschießen könnte.

Der Arbeitsminister betonte am Mittwoch, dass der Werkvertrag weiter fester Bestandteil des Arbeitslebens sein werde. Niemand habe etwas dagegen, wenn etwa das Streichen einer Werkshalle oder die Installation einer Elektroanlage über einen Werkvertrag vergeben werde. Aber in der Fleischwirtschaft lade die Konstruktion zum Missbrauch ein.

Aus der Branche selbst gibt es scharfe Kritik an den Regierungsplänen. Wenn der Arbeitsminister beschließe, die Werkverträge nur für die Fleischbranche zu verbieten, dann sei das verfassungswidrig, sagte der Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, dem Inforadio des Senders RBB. „Wir würden dann diskriminiert, weil es diese Verträge ja auch zum Beispiel in der Logistik gibt.“ die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betonte, es sei „inakzeptabel, wenn Verstöße und Mängel von einzelnen Unternehmen in bestimmten Branchen missbraucht werden, erfolgreiche Instrumente unserer Wirtschaftsordnung, wie Werkverträge, abzuschaffen, oder rigide Regulierungswünsche umzusetzen“.

Ein generelles Verbot von Werkverträgen – auch nur in einzelnen Branchen – wäre „ein höchst fragwürdiger Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit“, kritisierten die Arbeitgeber. Der FDP-Abgeordnete Carl-Julius Cronenberg warnte, die geplante Neuregelung schaffe „neue Risiken wie steigende Verbraucherpreise oder die komplette Verlagerung von regionaler Wertschöpfung ins Ausland. Das trifft ungewollt auch Bauern, Fleischhandwerk und ehrliche Betriebe.“

Wichtiger als pauschale Verbote von Werkverträgen seien aus FDP-Sicht die Ausdehnung des betrieblichen Arbeitsschutzes auf alle Beschäftigten, die Anwendung der Mindeststandards zur Unterbringung auch bei privaten Mietverträgen und die Einführung von verpflichtender digitaler Zeiterfassung.

Die Bundesregierung sei entschlossen, eine „rechtssichere Branchenabgrenzung“ hinzubekommen, betonte Heil. Er plane derzeit nicht über die Fleischwirtschaft hinaus. Strengere Regeln für einzelne Branchen seien durchaus möglich, wie etwa das Entsendegesetz in der Bauwirtschaft zeige.

Lob von Gewerkschaften

Der Arbeitsminister will „in den nächsten Wochen“ einen Gesetzentwurf vorlegen, das Verbot der Werkverträge soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten, die Regeln zur Arbeitszeiterfassung und den höheren Bußgeldern „durchaus auch früher“, erklärte Heil.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die geplante Regulierung: So ist das, wenn man eine Selbstverpflichtung beschließt und sich dann nicht daran hält“, twitterte Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Auch Heil kritisierte, dass die Selbstverpflichtungen der Fleischbranche, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen, sich als weitgehend wirkungslos erwiesen hätten.

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Freddy Adjan, erklärte, jetzt gelte es, die Eckpunkte im Gesetzgebungsverfahren eins zu eins umzusetzen. „Wir warnen die CDU/CSU-Fraktion davor, diesen Kabinettsbeschluss im Bundestag zu schleifen oder zu verwässern.“

Auch Heil rechnet mit massivem Widerstand vor allem der Fleischindustrie selbst, wie man ihn auch schon bei früheren Regulierungsversuchen erlebt habe. Aber: „Die Bundesregierung ist entschlossen, sich nicht von Lobbyinteressen leiten zu lassen, sondern von Gemeinwohlinteressen.“ Er erwarte, dass die Fleischindustrie jetzt schrittweise damit beginne, ihr Geschäftsmodell umzustellen.