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Wie Rechtspopulisten die Geheimdienstkooperation in Europa gefährden

Deutsche Politiker fordern, die Zusammenarbeit mit problematischen Ländern einzuschränken. Vor allem dem österreichischen Verfassungsschutz schlägt Misstrauen entgegen.

In Europa zeichnet sich gerade eine beunruhigende Entwicklung ab: Das Vertrauen zwischen den Geheimdiensten schwindet. Ein wichtiger Grund sind die Erfolge der Rechtspopulisten. In einigen europäischen Ländern haben Kräfte die politische Kontrolle über die Sicherheitsbehörden übernommen, die aus jenen extremistischen und fremdenfeindlichen Milieus hervorgegangen sind, die Inlandsgeheimdienste eigentlich ausleuchten sollen.

Vor allem dem österreichischen Verfassungsschutz BVT schlägt Misstrauen entgegen. Denn der Partei des zuständigen Ministers, FPÖ-Mann Herbert Kickl, werden nicht nur Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen wie der Identitären Bewegung nachgesagt. Die FPÖ verfügt auch über gute Beziehungen zur russischen Führung, die mit Cyberangriffen, Desinformationskampagnen, Attentaten auf Dissidenten und militärischen Drohgebärden Europa verunsichert.

In Berlin werden deshalb Forderungen laut, die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit Österreich einzuschränken. „Der österreichische Verfassungsschutz untersteht einem Innenminister, dessen Partei enge Kontakte nach Moskau unterhält“, sagte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae dem Handelsblatt. „Die Nachrichtendienste müssen genau überlegen, welche Informationen sie weiterleiten können.“ Er erwarte, dass die deutschen Dienste genauso verführen, ergänzte Thomae, der im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags sitzt, das die deutschen Geheimdienste überwacht.

Das Problem auf Österreich zu reduzieren, hält Thomae allerdings für falsch: „Auch bei Italien, Ungarn und Rumänien müssen wir genau hinsehen.“

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Das sehen die Grünen ähnlich, auch sie zeigen sich besorgt. „Rechtsextremisten in Regierungsverantwortung in Europa sind ein Sicherheitsproblem für uns alle“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz, ebenfalls Mitglied im Geheimdienstgremium des Bundestags, dem Handelsblatt. „Der Verfassungsschutz in Österreich hat derzeit international massive Vertrauens- und Akzeptanzprobleme, weil offenkundig sehr gravierende Dinge vorgefallen sind.“ Von Notz betonte: „Es ist Aufgabe der Nachrichtendienste, stets abzuwägen, welche gegebenenfalls sogar zusätzlichen Risiken bei einer Datenweitergabe an Dienste anderer Staaten entstehen.“

Vertrauen im Geschäft der Geheimdienste ist eine wichtige Währung, da es den Informationsaustausch zwischen internationalen Partnern erleichtert. Schwindet es, stellt sich die sicherheitspolitische Frage, ob das Risiko von Anschlägen in Europa wächst – ob mit islamistischem, rechts- oder linksradikalem Hintergrund.

Geheimdienstchef beklagt Veröffentlichung „bestimmter Schreiben“ in Medien

Der Direktor des österreichischen Verfassungsschutzes, Peter Gridling, versucht zu beruhigen, er kämpft um den Ruf seiner Behörde. „Generell kann gesagt werden, dass die Summe an Ereignissen und die Veröffentlichung von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Schreiben in Medien ebenso wenig dazu beitragen, das Vertrauen in Österreichs Sicherheitsbehörden zu stärken, wie immer wieder aufflammende Diskussionen und Spekulationen, ob oder wie Österreichs Zusammenarbeit mit anderen europäischen Sicherheitsbehörden funktioniert“, sagte der BVT-Direktor dem Handelsblatt.

Gridling versichert: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist nach wie vor Teil des europäischen Sicherheitsverbandes, ist in den Informationsaustausch eingebunden und arbeitet mit anderen Sicherheits- und Verfassungsschutzbehörden insbesondere im operativen Bereich zusammen.“

Allerdings hatte Gridling kürzlich eingeräumt, dass sein Amt nur noch eingeschränkt im sogenannten Berner Club vertreten sei, einem informellen Gremium, in dem europäische Dienste Informationen teilen. Das BVT habe sich im Frühjahr 2018 aus allen Arbeitsgruppen zurückgezogen, sagte Gridling jüngst in Wien. Eine für Herbst 2018 geplante vollständige Rückkehr sei gescheitert, weil im Wiener Magazin „Falter“ ein internes Papier des Berner Clubs aufgetaucht sei.

In dem Papier ersucht der finnische Geheimdienst seine Partner um Hilfe bei Ermittlungen gegen russische Spione, schloss dem „Falter“ zufolge aber Österreich bei der Anfrage aus. „Diese Veröffentlichung war negativ für die vollständige Teilnahme“, betonte Gridling. „Wir sind aber nach wie vor Mitglied.“ Es gebe auch keinen Ausschluss des BVT aus dem Informationsfluss.

„Große Skepsis wegen der Identitären und der Russland-Connections“

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Wien befasst sich mit der BVT-Affäre, hinter der ein Racheakt der FPÖ vermutet wird. „Ein von der FPÖ dirigiertes rechtes Netzwerk unterwandert unseren Sicherheitsapparat“, warnte Österreichs sozialdemokratischer Ex-Kanzler Christian Kern bereits im vergangenen Jahr. Der BVT ist Teil des Innenministeriums, das dem rechtspopulistischen Innenminister Kickl untersteht.

Fünf Mitarbeiter des BVT, darunter auch BVT-Chef Gridling, werden verschiedene Straftaten vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ordnete eine umstrittene Razzia im BVT in Wien an. Kickl-Mitarbeiter sollen Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt haben, was das Ministerium bestreitet. Auch die Wohnungen von vier Mitarbeitern wurden durchsucht. Der bislang größte Skandal seit dem Regierungsantritt der konservativ-rechtspopulistischen Regierung in Österreich hat Folgen für die internationale Zusammenarbeit mit dem Wiener Geheimdienst.

Zuletzt hatte die Zeitung „Standard“ berichtet, dass der britische und der niederländische Dienst den Kontakt nach Wien fast komplett abgebrochen haben sollen – wegen der Russland-Nähe der mitregierenden FPÖ. „Die Briten haben die Zusammenarbeit de facto eingestellt. Auch bei nordeuropäischen und französischen Diensten gibt es große Skepsis wegen der Identitären und wegen der Russland-Connections der FPÖ“, sagte Oppositionspolitiker Peter Pilz (Liste Jetzt) der österreichischen Nachrichtenagentur APA.

Dieser Darstellung wird in deutschen Sicherheitskreisen widersprochen. FDP-Innenpolitiker Thomae betont: Es wäre „irre“, die Zusammenarbeit mit den Österreichern vollkommen einzustellen, schon allein wegen der offenen Grenzen in Europa.

Genau hinsehen – diese Formulierung ist entscheidend. Denn der Vertrauensverlust zwischen den europäischen Partnern hat bisher, anders als in einigen Berichten suggeriert, nicht zur Einstellung, sondern nur zur Einschränkung der Informationsweitergabe geführt. Man teilt nicht mehr alles mit allen, schaut vorher nochmal genau in die Akten – so lässt sich das Verfahren beschrieben. Auch das sagt schon viel aus über den Vertrauensverlust zwischen den Diensten.

CDU-Politiker: Österreich ist „wichtiger Partner“

Bei konkreten Sicherheitsbedrohungen allerdings arbeiten die Behörden weiter eng zusammen. Etwa als kürzlich in Wien ein Iraker verhaftet wurde, der Anschläge auf die deutsche Bahn verübt haben soll.

Der CDU-Sicherheitsexperte Patrick Sensburg bezeichnet Österreich daher weiterhin als „wichtigen Partner“ bei der nachrichtendienstlichen Kooperation. Auch bei den Ermittlungen zum Attentat in Christchurch hätten die Dienste verschiedener Staaten mit Österreich gut zusammengearbeitet, sagte Sensburg dem Handelsblatt.

Anders als der FDP-Politiker Thomae und Grünen-Mann von Notz begreift Sensburg die derzeitige Beziehungsstörung eher als Gelegenheit: „Vielleicht ergibt sich ja aus den aktuellen Problemen und Diskussionen auch die Chance, noch stärker in der deutschsprachigen Nachrichtendienst-Community zusammenzuarbeiten.“

Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Vor allem die Razzia beim BVT hat die europäischen Partner verunsichert. Noch immer ist unklar, welche Akten beschlagnahmt und ob sie inzwischen zurückgegeben wurden.

Der Wiener Oppositionspolitiker Pilz hält das Misstrauen gegen Kickl für gerechtfertigt. Ihm seien mehrere Personen als Kontaktleute zu Russland genannt worden, allen voran der geschäftsführende FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus und der FPÖ-Generalsekretär und Spitzenkandidat für die Europawahl, Harald Vilimsky.

Pilz will Vilimsky und Gudenus im parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorladen. Bereits im Dezember 2016 hatte die vierköpfige FPÖ-Spitze, darunter auch Gudenus und Vilimsky, bei einem Besuch in Moskau einen Partnerschaftsvertrag mit der Partei „Einiges Russland“ von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet. „Das BVT müsste jetzt überprüfen, ob Gudenus und Vilimsky russische Agenten sind“, fordert Pilz.