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Policen-Käufer wittern die Rendite

„Alle versuchen aktuell, den Klotz am Bein loszuwerden“, sagt Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale-Bundesverband mit Blick auf die Lebensversicherung. Wirklich alle? Die Käufer der Bestände, sogenannte Run-off-Plattformen, reiben sich die Hände. Ihr Geschäft mit Lebensversicherungen hat derzeit Hochkonjunktur: Nach der Ankündigung der Generali, einen Verkauf zu prüfen, haben sich auch andere Lebensversicherer aus der Deckung gewagt. So überlegt Ergo, die frühere Hamburg-Mannheimer und die Victoria Leben zu verkaufen, und selbst die französische Axa sondiert den Preis für ihr Lebensversicherungsgeschäft.

Professionelle Abwickler stehen parat, den Versicherern die missliebig gewordenen Vertragsbestände abzunehmen. Das Ziel: die alten Verträge mit Gewinn bewirtschaften – und das in einer Zeit, in der von einer Krise der Lebensversicherung gesprochen wird. Warum gelingt den Konsolidierungsplattformen, was die Lebensversicherer nach Jahren aufgeben? Das Handelsblatt erklärt das Geschäftsmodell der Run-off-Plattformen.

Nach Gewinn suchen die Nur-Verwalter vor allem in den Verwaltungskosten. Beim Kostenergebnis lässt ihnen die Versicherungsaufsicht den größten Spielraum für Verschiebungen: Nur 50 Prozent der hier gewonnenen Überschüsse müssen sie an die Sparer weitergeben. „Kosten sparen die Verwalter der Altbestände im Wesentlichen durch schlankere IT-Systeme“, erklärt Michael Klüttgens, Versicherungsexperte der Beratungsfirma Willis Towers Watson.

Das fremde Bestandssystem schnell in das eigene zu überführen, ist besonders wichtig, denn das senkt die Stückkosten erheblich. Ist die Datenlandschaft des Altbestandes zu komplex, kann das die Übernahme sogar gefährden. „Manche Versicherer haben nur ein Bestandsführungssystem, andere besitzen eine Vielzahl von Systemen mit schwer zu migrierenden Beständen“, stellt Klüttgens fest. Diesen Wildwuchs zu beschneiden, ist eine der Kernaufgaben von Run-off-Plattformen.

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„Kostenvorteile allein reichen nicht aus, um profitabel zu wirtschaften“, erklärt Ina Kirchhof, Vorstandsvorsitzende der Athene Lebensversicherung, einer von drei Run-off-Anbietern in Deutschland. Auch in der Kapitalanlage wollen die Konsolidierungsplattformen effizienter sein als die Vorbesitzer. Der Spielraum ist hier jedoch ungleich kleiner als bei den Kosten.

Die Abwickler erben nicht nur die Kunden und Vermögenswerte des Verkäufers, auch dessen Zahlungsverpflichtungen aus Hochzinszeiten müssen sie bedienen. Und die Plattformen unterliegen den Kapitalanforderungen der EU-Richtlinie Solvency II. Seit dem Jahr 2016 schreibt das Regelwerk vor, mehr Geld für spätere, garantierte Auszahlungen beiseite zu legen. Darüber hinaus schreibt die Aufsicht den Verwaltern vor, mindestens 90 Prozent des Kapitalgewinns an die Versicherungsnehmer abzutreten. Die ohnehin geringen Kundenbeschwerden sind also wenig begründet.

Doch soll das Plus in der Kapitalanlage gelingen, wo Bundesanleihen nahe null rentieren? „Die Anbieter haben sich speziell mit dem Geschäft der Lebensversicherung und der Natur der Verpflichtung auseinandergesetzt“, erklärt Berater Klüttgens, dessen Kollegen auch in den aktuellen Ergo-Deal involviert sind. Illiquide Vermögenswerte wie Unternehmensanleihen oder sogenanntes Peer-to-Peer-Lending, bei dem sich Firmen untereinander mit Krediten aushelfen, böten sich angesichts den langen Laufzeiten der Lebensversicherungen an.

Traditionelle Versicherer investierten nur zögerlich in diese Anlageklassen. „Erwartete Mehrrenditen von 0,3 oder 0,4 Prozent bezogen auf ein Anlageportfolio von vielen Milliarden Euro lohnt sich durchaus für die Run-off-Plattformen und die Versicherungsnehmer“, sagt Klüttgens. Den Nachweis, dass sie in der Kapitalanlage höhere Renditen erzielen können als traditionelle Versicherer, müssten die Abwickler allerdings noch erbringen.


Der Größte gewinnt

Deutschland gehört zu den attraktivsten Run-off-Märkten in Europa. Den deutschen Markt nennen Marktakteure in einer Studie von PWC am zweithäufigsten, wenn es um mögliche Verkäufe von Altbeständen in der Zukunft geht. Insgesamt rechnen die Versicherungsmanager mit 11 bis 20 Run-off-Verkäufe zwischen 2016 und 2018 in Europa. Die meisten Transaktionen sollen über 100 Millionen Euro schwer sein. Allein die Überlegungen von Axa, Ergo und Generali lassen diese Prognosen blass aussehen: Ihre Bestände sind acht Milliarden Euro schwer.

Die deutsche Versicherungswirtschaft reagiert jedoch verhalten auf die feilgebotenen Altbestände. Die Hannover Rück, Miteigentümerin von Run-off-Marktführer Viridium, ist hier nur die Ausnahme von der Regel: In den letzten Jahren gingen nur fünf Prozent der Verkäufe an deutsche Erstversicherer. „Wenn einmal so ein ganz großer Deal zustande kommt, ist der Bann vermutlich gebrochen“, schätzt Berater Klüttgens.

Die Hälfte der veräußerten Bestände angelte sich die ausländische Konkurrenz, wie Willis Towers Watson in einer Studie erhoben hat. 20 Prozent der Deals mit stillgelegten Lebensversicherungen machten hingegen die spezialisierten Run-off-Plattformen. Deren Marktanteil könnte nun deutlich zulegen.

Während die Etablierten zaudern, drängen internationale Investoren in den deutschen Markt. Apollo, Cinven und die chinesische Fosun haben ihre Konsolidierungsplattformen schon in Position gebracht. Allein die Kriegskasse von Apollo, die Muttergesellschaft von Athene, ist mit 2,2 Milliarden Euro prall gefüllt für weitere Akquisen. „Eine ganze Reihe von Private-Equity-Gesellschaften hat die Fühler ausgestreckt“, weiß Klüttgens.

Die Resolution Group aus Großbritannien ist als möglicher Käufer der Ergo-Policen im Gespräch, ebenso Rückversicherer Swiss Re. Beide gelten als Platzhirsche auf dem britischen Run-off-Markt, sie besitzen langjährige Erfahrung mit dem Geschäftsmodell. Erfahrung und Größe des Käufers zählen auch vor den strengen Augen der Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin): „Die operationellen Anforderungen an einen möglichen Käufer hinsichtlich Know-How, IT und Risikomanagement steigen mit der Größe des betreffenden Bestandes“, schreibt die Behörde dem Handelsblatt. Bei Bestandsübernahmen hat sie das letzte Wort.

Ausreichend Finanzkraft und Fachwissen könnten auch andere Investoren beibringen. Im Wettlauf um die Bestände von Ergo und Co. hinken neue Akteure auf dem deutschen Markt jedoch einen Schritt hinterher: Sie müssen zunächst eine Plattform mit Versicherungslizenz erwerben.

Als kurzfristiges Investment von fünf Jahren oder weniger taugen Lebensversicherungen allerdings nicht. Schon die Aufsicht wird dies nicht zulassen. Finanzielle Solidität und Zuverlässigkeit des Erwerbers prüfe sie besonders, schreibt die Bafin. „Wer in diesen Markt nur einsteigt, um Portfolien zu handeln, ist fehl am Platz“, sagt auch Athene-Vorständin Kirchhof. „Wir haben den langen Atem, den es für das Run-off-Geschäft braucht.“ An der Kondition der Akteure allein wird sich die Zukunft im Run-off-Segment nicht entscheiden. Die Hackordnung wird bestimmen, welcher der Akteure den Bieterwettstreit um die Großbestände für sich entscheidet.

KONTEXT

Lebensversicherungen 2016 - die zehn größten Gewinner bei den Beitragseinnahmen

1. Platz: Ideal

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 48,93 Prozent

Verdiente Beitragseinnahmen 2016: 355 Millionen Euro

2. Platz: Credit Life

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 24,62 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 105 Millionen Euro

3. Platz: Ösa

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 17,52 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 151 Millionen Euro

4. Platz: Vorsorge

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 13,94 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 254 Millionen Euro

5. Platz: Deutsche

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 13,29 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 267 Millionen Euro

6. Platz: Barmenia

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 9,41 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 231 Millionen Euro

7. Platz: Allianz

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 8,90 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 18,014 Milliarden Euro

8. Platz: Interrisk

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: 8,84 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 81 Millionen Euro"ƒ

9. Platz: Europa

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 6,97 Prozent

Verdiente Bruttobeiträge 2016: 354 Millionen Euro

10. Platz: Hansemerkur24

Zuwachs der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: + 6,74 Prozent

Verdiente Bruttobeiträge 2016: 7 Millionen Euro

Quelle

Daten: Map-Report Nr. 895, Bilanzanalyse Deutsche Lebensversicherer 2016, Stand: September 2017

KONTEXT

Lebensversicherungen 2016 - die zehn größten Verlierer bei den Beitragseinnahmen

1. Platz: Hansemerkur

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -49,47 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 241 Millionen Euro

2. Platz: Süddeutsche

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -26,63 Prozent Verdiente Bruttobeiträge 2016: 45 Millionen Euro

3. Platz: Cosmos

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -20,76 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 1,811 Milliarden Euro

4. Platz: Neue Leben

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -20,18 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 873 Millionen Euro

5. Platz: Provinzial Nordwest

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -14,33 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 1,975 Milliarden Euro

6. Platz: Bayerische Beamten

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -14,12 Prozent Verdiente Bruttobeiträge 2016: 132 Millionen Euro

7. Platz: Zurich

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -13,57 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 3,51 Milliarden Euro

8. Platz: Mylife

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -12,51 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 74 Millionen Euro

9. Platz: Saarland

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -12,35 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 132 Millionen Euro

10. Platz: Generali

Entwicklung der Beitragseinnahmen gegenüber 2015: -9,45 ProzentVerdiente Bruttobeiträge 2016: 3,151 Milliarden Euro

Quelle

Daten: Map-Report Nr. 895, Bilanzanalyse Deutsche Lebensversicherer 2016, Stand: September 2017