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Philippe Sereys de Rothschild – der emotionale Weinverkäufer

Mouton Cadet Rosé, Jahrgang 2017, zwölf Volumenprozent Alkohol, 1,9 Gramm Restzucker und 5,8 Gramm Gesamtsäure: Vier Weinkenner schwenken die Gläser, prüfen kritisch Farbe und Bouquet des edlen Tropfens, lassen ihn über Gaumen und Zunge kreisen, bevor sie ihn in das bereitstehende Gefäß spucken.

Mitten in der Verkostung dieses Weines betritt Philippe Sereys de Rothschild den Raum. Anstelle einer Begrüßung präsentiert der Chef des Weingutes Mouton-Rothschild mit französischem Charme seine lachsfarbene Krawatte, die der Farbe des Rosés sehr ähnelt.

Plötzlich dreht sich die Diskussion nicht mehr um technische Werte und Geschmacksnuancen des Weines, sondern in gelöster Stimmung um französische Eleganz und die ganz persönlichen Erlebnisse, die alle Beteiligten mit Rosé-Weinen hatten. Die Botschaft hinter dieser Szene: Wein lässt sich am besten mit Emotionen verkaufen.

Genau dieses Geschäftsmodell kann kein Weingut weltweit besser als Mouton-Rothschild. Es wird seit dem Tod der Baroness Philippine de Rothschild im Jahr 2014, der „Großen Dame des Weinbaus“, von Philippe Sereys geleitet. Stellvertreter sind seine Geschwister Camille Sereys und Julien de Beaumarchais. Solche Auftritte von Philippe Sereys sind kein Einzelfall. „Mir gefällt sein Sinn für Humor“, meint der Brite John Stumpfig, Redakteur des Weinmagazins „Decanter“. „Seine Augen funkeln stets, und er besitzt viel Charme.“

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Der Weinredakteur hatte auch schon seine Mutter Baroness Philippine de Rothschild interviewt. „Sie war sehr akribisch und eher angespannt, Philippe hingegen ist sehr viel relaxter“, erinnert er sich. Zum Beispiel verzichte er auf seinen geerbten Titel. Dennoch sollte man von seinem lockeren Auftreten keine Rückschlüsse auf das Geschäft ziehen. „Er weiß genau, was er zu tun hat und wie er es tun will. Und die Zusammenarbeit mit seinem Bruder und seiner Schwester ist ihm wichtig“, sagt Stumpfig.

Ähnlich ungewöhnlich wie seine Auftritte ist auch die Vita von Philippe Sereys: MBA-Abschluss an der Harvard Universität, Anstellung in der Lazard Investmentbank, Finanzchef des Energiekonzerns Dakia in Mailand sowie anschließend Start-up-Investor. Seit 2014 ist er mit der französischen Schauspielikone Carole Bouquet liiert. Das ehemalige Chanel-Model hat beispielsweise das Bond-Girl im Film „In tödlicher Mission“ an der Seite von Roger Moore gespielt.

Den Verkauf von Wein über Emotionen beherrscht das Weingut seit Jahrzehnten – in Form von künstlerisch gestalteten Etiketten. Seit 1945 gestaltet jeweils ein anderer Künstler das Jahrgangsetikett des berühmten Rotweins Chateau Mouton-Rothschild. Große Namen wie Salvador Dalí, Joan Miró, Marc Chagall, Pablo Picasso oder Georg Baselitz sind darunter.

Jedes Jahrgangsetikett kann in dem Museum des Weinguts in dem Bordeaux-Dorf Paulliac bewundert werden. Zehntausende Besucher pilgern jährlich zu der Touristenattraktion, um die Geschichten rund um den Wein und die Etiketten zu erleben. Für einen Skandal sorgte der Jahrgang 1993: Der Maler Balthus zeichnete mit Bleistift einen weiblichen Akt – zu viel für die prüden Amerikaner.

Das Etikett, und somit der Export in die USA, wurden verboten. Das Chateau eliminierte für den amerikanischen Markt die Bleistiftstriche, sodass nur der Hintergrund übrig blieb. Deshalb existieren zwei verschiedene Etiketten für den gleichen Jahrgang. Der Mouton-Rothschild zählt zu den teuersten Weinen aus der Region. Eine Flasche des aktuellen Jahrgangs 2016 kostet mehr als 700 Euro.

Am bekanntesten unter Weinkennern ist jedoch der Jahrgang 1945, der berühmte „Victory Vintage“. Für eine Flasche davon fiel 2015 während der Sothebys-Auktion in Hongkong der Hammer bei einem Preis von knapp 25.000 Euro. Solche Preise sorgen für zwei unliebsame Nebeneffekte. Zum einen kommen vermehrt Fälschungen in den Verkauf. Die Flaschen fälschungssicherer zu machen „ist aber ein nie endender Prozess“, meint Philippe Sereys.

Zum anderen wird Wein angesichts der EZB-Nullzinspolitik auch als Investment gesehen. Dadurch sind die Preise für „Fine Wines“ in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert. Doch darüber schweigt Philippe Sereys lieber.

Mouton stellt sich internationaler auf

Reden will er lieber über Mouton Cadet, den preiswerteren Bordeaux-Wein, der mit elf Millionen Flaschen der Umsatzbringer des Weinguts ist. „Weltweit wird alle drei Sekunden eine Flasche Mouton Cadet geöffnet“, rechnet Veronique Hombroekx vor, die beim Weingut das operative Geschäft mit den Markenweinen leitet. Schließlich wird er als meistverkaufter Bordeaux-Wein überhaupt in 150 Länder weltweit verkauft.

Doch der Mouton Cadet war in die Jahre gekommen. Den Wein hatte noch Großvater Philippe de Rothschild, Rennfahrer, Playboy und Marketinggenie, im Jahr 1930 auf den Markt gebracht. Zuletzt schmeckte der Cadet aber eher karg mit wenig Frucht. 2016 hatte Philippe Sereys das Konzept verändert. Nun ist dieser Wein runder und fruchtiger geworden, die Produktion erfolgt unter nachhaltigen Gesichtspunkten. Damit trifft man eher den Geschmack der Weinliebhaber weltweit.

Die Qualitätsoffensive hinterließ auch Spuren in der Bordeaux-Region, mit rund 100.000 Hektar die größte Anbaufläche für Qualitätsweine weltweit und genauso groß wie die gesamte Fläche aller 13 deutschen Weinanbaugebiete. Bisher füllten die Trauben von rund 450 Bordeaux-Winzern nach strengen Vorgaben die riesige separate Abfüllanlage in der Bordeaux-Region. Doch mittlerweile sind es nur noch 300 Betriebe, die offenbar dem gestiegenen Mouton-Qualitätsanspruch genügen.

In den vergangenen Jahren hat sich Mouton-Rothschild internationaler aufgestellt. Zum Besitz zählen unter anderem die Bordeaux-Weingüter Château Clerc Milon, Château d’Armailhac und Château La Fleur-Milon sowie Domaine de Baron’Arques im südfranzösischen Languedoc. Im Ausland gibt es Joint Ventures mit Robert Mondavi im kalifornischen Napa Valley und dem börsennotierten Konzern Concha y Toro in Chile.

In beiden Fällen wurden neue Maßstäbe für Weine aus der neuen Welt gesetzt. Der Opus One aus Kalifornien und der chilenische Almaviva gehören mit zu dem Besten, was diese Länder bieten. Einen weiteren Ausbau verneint der Vorstandschef: „Natürlich schauen wir immer mal, aber derzeit ist nichts geplant.“

Trotz der Maßstäbe, die Mouton-Rothschild weltweit gesetzt hat: Philippe Sereys de Rothschild gehört nicht zum schon fast aristokratischen Weinadel wie manch anderer Produzent in der prestigeträchtigen Bordeaux-Region. „Letztlich sind wir einfach Weinproduzenten“, sagt er. Ein Satz, der keines Widerspruchs bedarf.