Ein Pharmaziestudent schreckt Doc Morris und Co. auf
Benedikt Bühler ist zum Kopf der Apotheker beim Kampf gegen Medikamenten-Versandhändler geworden. Montag trifft er auf Gesundheitsminister Spahn.
Alles begann mit einem Brief an den damaligen Gesundheitsminister Herrmann Gröhe. Benedikt Bühler schilderte dem CDU-Politiker sein Anliegen: Ihm machten Versandhandelsapotheken wie Doc Morris und Shop Apotheke große Sorgen. Der Europäische Gerichtshof hatte zuvor die Preisbindung für ausländische Versandapotheken gekippt. Das war 2016.
Rund vier Jahre später trifft der Pharmaziestudent heute in einer Anhörung des Petitionsausschusses des Bundestags auf Gröhes Nachfolger Jens Spahn (CDU). Hatte Gröhe dem 20-Jährigen noch persönlich Unterstützung bei einem Verbot des Versandhandels verschreibungspflichtiger Arzneimittel zugesagt, will Spahn die Apotheker allein durch die Wiedereinführung der Preisbindung für Doc Morris und Co. besänftigen.
Bühler, der Sohn einer selbstständigen Apothekerin, hatte deshalb im Frühjahr 2019 eine Petition für ein Rx-Versandhandelsverbot gestartet. 413.473 Unterstützerunterschriften hat er gesammelt, seine Petition hat der Bundestag zur Leit-Petition von 139 weiteren gemacht, es soll die größte Petition in der Geschichte des Bundestags sein. „Wir hatten sogar um die 800.000 Unterstützer, wovon aber die Hälfte wegen Formalien nicht mitgerechnet werden durfte“, sagt Bühler.
Bühler begründet seinen Wunsch eines Verbots für den Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente über das Internet so: „Ein Versandhandelsverbot ist das einzige Instrument, durch das die flächendeckende Versorgung mit Apotheken gewährleistet werden kann, so wie es das Solidarsystem vorschreibt.“ Denn Versandhändler seien durch technische Risiken stets der Gefahr ausgesetzt, die Versorgung nicht lückenlos gewährleisten zu können.
Außerdem seien viele Arzneien überhaupt nicht für den Versand geeignet. Ein Stück weit Selbsterhaltungstrieb der eigenen Berufsgruppe schwingt bei der Forderung sicherlich aber auch mit.
Nun darf Bühler heute sein Anliegen erstmals dem Petitionsausschuss vortragen. Dieser wird in einigen Wochen eine Handlungsempfehlung dazu beschließen und diese an die Bundesregierung weiterleiten. Dass sich mit Jens Spahn ein Minister die Ehre im Petitionsausschuss gibt, ist nicht alltäglich. Spahn steht auch gar nicht hinter einem Versandhandelsverbot. Vielmehr will er ein Boni-Verbot für die Versandhändler durchsetzen.
Während deutsche Vor-Ort-Apotheken fest an die Preise bei verschreibungspflichtigen Arzneien gebunden sind, dürfen Anbietern aus anderen EU-Staaten Preisnachlässe für deutsche Kunden anbieten.
Mit dem „Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz“ (VOASG) hat Spahn dafür bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in Brüssel allerdings für erhebliche europarechtliche Bedenken gesorgt hatte. Der Entwurf liegt derzeit auf Eis, die EU-Kommission will in den nächsten Wochen mit der Bundesregierung dazu im Detail verhandeln.
So oder so, ein solches Boni-Verbot reicht Pharmaziestudent Bühler nicht. Für ihn steht außer Frage, dass ein Versandhandelsverbot rechtlich unbedenklich ist. Um das zu beweisen, wird er bei der Ausschusssitzung drei Gutachten im Gepäck haben – die man ihm eigentlich verweigert hatte.
Die Gutachten stammen von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die ein Versandhandelsverbot als sinnvollsten Weg erachtet, dieses aber für derzeit nicht durchsetzbar hält und deswegen Spahns Boni-Verbot unterstützt. Die ABDA hatte einige Gutachten erstellt, in denen die Rechtmäßigkeit eines Versandhandelsverbots durchweg bestätigt wird.
Die Verweigerung der Herausgabe begründet ABDA-Präsident Friedemann Schmidt damit, dass ein Versandhandelsverbot politisch genauso aussichtslos sei, wie bei Verkehrsminister Andreas Scheuer ein Tempolimit auf Autobahnen zu fordern.
Bühler hält diese Denkweise der ABDA für einen Fehler: „In Deutschland haben wir immer noch eine Gewaltenteilung. Der Bundestag ist Gesetzgeber und verabschiedet Gesetze. Eine Mehrheit im Bundestag für das Rx-Boni-Verbot wiegt schwerer als die Meinung des Ministers zu diesem Thema.“ Deswegen wende er sich im Ausschuss mit seiner Petition nun auch direkt an die Bundestagsabgeordneten.
Ob die sich durch die Petition beeinflussen lassen, ist unklar. „Für uns ist entscheidend, was Brüssel zum Gesetz sagt. Eine Petition verändert die Sachlage nicht“, sagte Arzneimittelexperte Michael Hennrich von der Unions-Fraktion.
Bühler jedenfalls erwartet, mit seinen Argumenten bei der morgigen Anhörung durchdringen zu können. Im Gepäck hat er übrigens die drei Gutachten der ABDA, die ihm über andere Quellen zugespielt worden sind.