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Parteichefin gegen das Internet: Die CDU gerät in Erklärungsnot

Mit einem Argument hat Annegret Kramp-Karrenbauer im Herbst beim Ringen um den CDU-Vorsitz besonders häufig für sich geworben: ihre erfolgreiche Wahlkampfbilanz im Saarland. Dort hatte sie viele Jahre regiert und 2017 bei ihrem letzten Landtagswahlkampf sogar den Höhenflug des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz gestoppt. „Wie gewinnt man Mehrheiten, wie verteidigt man sie – da habe ich Expertise“, sagte die 56-Jährige, als sie ihre Kandidatur um den Parteivorsitz bekannt gab.

Nun ist Kramp-Karrenbauer ein halbes Jahr CDU-Chefin, und es wachsen in der Partei Zweifel, wie es um ihre Expertise als Wahlkämpferin wirklich bestellt ist. Bei der Europawahl, dem ersten Wahlkampf unter ihrer Führung, erzielte die Union mit 28,9 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis.

Doch damit nicht genug: Auch die kommunikative Aufarbeitung der Niederlage missglückte „AKK“ komplett. Mit ihren Äußerungen zu möglichen Regeln für Youtuber sorgte sie gleich für den nächsten Entrüstungssturm. Prompt sah sich die CDU-Chefin dem Vorwurf konfrontiert, sie wolle die Meinungsfreiheit einschränken.

Eigentliche wollte sich die Vorsitzende bei ihrer Pressekonferenz in Schadensbegrenzung üben. Sie sprach viel von „eigenen Fehlern“, entschuldigte sich bei der Jungen Union für den Vorwurf des „Rechtsrucks“ und die falsche Themenauswahl im verpatzten Wahlkampf bis hin zur schlechten Kommunikation mit der Friday for Future-Bewegung und Youtubern wie Rezo, der mit dem Videotitel: „Die Zerstörung der CDU“ für maximale Aufmerksamkeit sorgte.

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Shitstorm im Netz

Doch dann folgten gegen Ende der Pressekonferenz Sätze, die ihr prompt den nächsten Ärger bescherten. „Was wäre eigentlich in diesem Land los, wenn eine Reihe von, sagen wir mal, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD! Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen, und ich glaube, es hätte eine muntere Diskussion in diesem Land ausgelöst.“

Und gleich darauf stellte sie „mit Blick auf das Thema Meinungsmache“ die Frage: „Was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich?“ Diese grundlegende Frage werde, „in der gesamten medienpolitischen und auch demokratietheoretischen Diskussion der nächsten Zeit“ eine Rolle spielen.

Zwar relativierte Kramp-Karrenbauer später, dass es ihr nicht um Zensur, sondern um Fragen der politischen Kultur gegangen sei und erneuerte ihre Erklärungsversuche am Dienstag. Doch zu der Zeit war längst der Shitstorm im Netz losgebrochen. Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, warf Kramp-Karrenbauer vor, mit ihren Gedankenspielen an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán oder Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu erinnern. SPD, FDP, Grüne übten genüsslich Kritik. „Rücktritt“, riefen die Piraten.

Es witterten aber auch jene in der Union ihre Chance, die der Vorsitzenden den Weg ins Kanzleramt versperren wollen. Hinter vorgehaltener Hand wird auf die Pannenserie der CDU-Chefin verwiesen, angefangen bei dem missglückten Scherz über das dritte Geschlecht im Karneval bis nun zu Rezo. Selbst die SPD, die in einer viel prekäreren Lage steckt, feixte: Das Rennen ums Kanzleramt sei noch nicht gelaufen, erklärte ein Genosse.

Auch ist öffentliche Kritik aus den eigenen Reihen opportun. So stellte sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gegen Kramp-Karrenbauer. „Als Politiker muss man jede Kritik hinnehmen, das gehört zur Demokratie“, sagte Laschet. Allerdings müsse es Übereinkünfte geben, dass „Antisemitismus, Islamophobie und Hass im Netz“ nicht verbreitet werden dürften, dafür hätten die Provider aber bereits Mechanismen.

Auch Laschet wurde immer mal wieder als möglicher Kanzlerkandidat der Union gehandelt. Thüringens CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring betonte: „Die Freiheit unserer Demokratie erlaubt jedem in diesem Land, seine Meinung zu sagen.“ Auf die Frage wer Kramp-Karrenbauer eigentlich berate, antwortete das Präsidiumsmitglied: „Bestimmt schlaue Leute.“

Die Kritik zielt auf Nico Lange ab. Er ist der Chefstrategie im Konrad-Adenauer-Haus und soll eigentlich vom stellvertretenden zum Bundesgeschäftsführer aufsteigen, da Klaus Schüler das Haus verlässt. Lange hatte in einer Wahlanalyse Kritik an der Jungen Union geübt und einen „Rechtsruck“ unterstellt. Der 44-Jährige war auch dafür verantwortlich, dass die Parteizentrale so spät und schlecht – mit einem elf-seitigen PDF – auf den Influencer Rezo reagiert hatte, wie Insider berichten.

Auch wird ihm mangelndes Verständnis für Ostdeutschland unterstellt, was angesichts der bevorstehenden Landtagsahlen dort im Herbst kein gutes Zeichen ist. Daher empfehlen Parteistrategen ihre Vorsitzenden inzwischen, sich an den Landesvorsitzenden von Thüringen und Sachsen, Mike Mohring und Michael Kretschmer, zu halten.

Imageproblem bei jungen Menschen

Die digitale Schwäche der Union diskutieren nun die eigenen Reihen. „Demokratie lebt von Kommunikation“, sagte die Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) dem Handelsblatt. Die Digitalisierung habe auch die Kommunikationswege und -formen revolutioniert. Die Politik müsse deshalb auch „dieses Feld in all seinen Formen und Möglichkeiten bestellen“.

Hier liege viel Potenzial, die junge Generation wieder für Politik zu interessieren und in die Kontroverse zu gehen. „Das dürfen wir nicht abschneiden, sondern müssen wir nutzen und beleben. Dieser Lernprozess ist überfällig“, betonte die CSU-Politikerin. „Wir müssen uns auch bei der digitalen Kommunikation bewegen wie Fische im Wasser.“

Die harte Auseinandersetzung in der Sache bleibe davon unberührt. „Für die Lebendigkeit und Zukunft der Parteien ist es daher wichtig, die digitalen Kommunikationsformen anzunehmen.“

Der Software-Unternehmer Carsten Meyer-Heder sprach schon am Montag Klartext. Der Bremer, der erst seit einem Jahr Mitglied der Partei ist, um als Quereinsteiger Spitzenkandidat zu werden und nach 73 Jahren SPD-Herrschaft die Bremische Bürgerschaftswahl gewann, stand neben Annegret Kramp-Karrenbauer auf der Bühne und beantwortete die Frage, wie er, der seit 25 Jahren mit und von der Digitalisierung lebt, auf einen Youtuber wie Rezo reagiert hätte. „Natürlich ist es nicht einfach, wenn einer in einem Social-Media-Netzwerk vier Millionen Follower hat und man hat selbst keine, da maßgeblich drauf zu antworten.“

Er würde es jedenfalls „persönlich tun“ und „direkt tun“, ebenfalls mit einem Video, um ins Gespräch zu kommen. Er selbst habe in Bremen eine „andere, moderne Kampagne mit einem Augenzwinkern“ geführt und habe so die „nicht-klassische CDU-Klientel“ erreicht. Die CDU habe in der Tat „ein Imageproblem“ bei jungen Menschen. Danach musste Meyer-Reder zurück nach Bremen. Die Kritik an der „Meinungsmache“ hörte er nicht mehr.

Mehr: Die CDU-Chefin ist noch lange nicht am Ziel, Kanzlerkandidatin zu werden. Die Debatte um Youtuber zeigt, dass ihre Partei den Puls der Zeit nicht fühlt, meint unser Redakteur Daniel Delhaes.