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OECD-Treffen in Paris ist letzte Chance für Schlichtung im Handelskonflikt

Nervosität statt Routine: Unmittelbar vor der Ministerkonferenz der OECD, die am Mittwoch in Paris startet, sind die Nerven der Beteiligten angespannt. Das Treffen könnte in letzter Minute die Strafzölle der USA gegen europäische Stahl- und Aluminiumexporte abwehren – oder im Gegenteil zum Auftakt eines transatlantischen Handelskonflikts werden.

Die eigentliche Agenda der Konferenz tritt angesichts der Handelsspannungen in den Hintergrund. Kolumbien wird als 37. Mitglied der Organisation hochentwickelter Industriestaaten aufgenommen werden, die OECD wird ihren neuen Wirtschaftsausblick veröffentlichen und Wege zu einer Globalisierung, die allen nutzt, ausloten.

Doch das wirkliche Interesse gilt dem Angriff der USA auf europäische Exporte von Stahl, Aluminium und Autos oder EU-Investitionen im Iran. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron eröffnet die Konferenz am Mittwoch mit einer Rede über „die Neugründung des Multilateralismus“.

Wie schon vor dem US-Kongress im April dürfte er den USA ins Gewissen reden: „Unsere einzige Option ist es, unsere Zusammenarbeit zu verstärken, die Weltordnung des 21. Jahrhunderts auf einer neuen Form des Multilateralismus zu gründen“, wie er in Washington formulierte. Diesem Multilateralismus kehrt US-Präsident Donald Trump den Rücken, durch seine Handelspolitik und durch die Schwächung internationaler Organisationen. Seit 16 Monaten haben die USA keinen OECD-Botschafter mehr.

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Gelingt in dieser Woche ein Umschwung, zumindest eine Art Waffenstillstand? In Berlin werden an das Treffen hohe Erwartungen geknüpft. In deutschen Regierungskreisen heißt es, hier biete sich wahrscheinlich die letzte Chance, mit Blick auf die angedrohten US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium doch noch zu einer Lösung zu kommen.

US-Präsident Donald Trump hatte eine Ausnahme von den Strafzöllen für die EU bis zum 1. Juni verlängert und zugleich angekündigt, dass es eine weitere Verlängerung nicht geben werde. Ranghöchster deutscher Vertreter wird Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sein.

Die französische Regierung bemüht sich um ein Treffen Altmaiers mit US-Handelsminister Wilbur Ross, der schon ab Dienstag in Paris ist, und Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Die deutschen Hoffnungen auf eine Beilegung des Streits um Zölle erhielten Ende vergangener Woche einen Dämpfer, als US-Präsident Donald Trump ankündigte, er prüfe die Verhängung von Strafzöllen auch auf Autoimporte. Das EU-Angebot, ein Paket über die Harmonisierung verschiedener Industriezölle zu schnüren und die Arbeit der Welthandelsorganisation zu verbessern, könnte kaum brüsker abgewiesen werden.

Die Zölle bis zu 25 Prozent des Werts träfen besonders deutsche Hersteller wie BMW, Daimler und Volkswagen. Im vergangenen Jahr wurde fast eine halbe Million Autos aus deutscher Produktion in die USA exportiert.

Hinter der nationalistischen US-Politik steht der Versuch, eine populistische Antwort auf die Kritik an der Globalisierung zu geben. Das sieht auch OECD-Generalsekretär Angel Gurría: „Die Globalisierung hat keinen Hals, an dem man sie aufhängen kann, deshalb greift man sich die multilateralen Institutionen“, sagte er Ende letzter Woche bei einem Treffen mit Journalisten. Es gebe „ jeden Tag neue Beispiele für Nationalismus, für Unilateralismus, für alle möglichen Ismen, die eine einseitige Politik“ wollten.

Gurría übt auch Selbstkritik: Die Globalisierung sei ungerecht, und es sei der Eindruck entstanden, dass die OECD nur im Interesse einiger weniger Länder wirke – oder einer begrenzten Clique von Leuten in diesen Staaten. Doch nicht der Nationalismus sei die Antwort, sondern ein „neu geborener Multilateralismus“, der allen diene. Auf ihrem Forum unter dem Titel „Was bringt uns zusammen“, das schon am Dienstag beginnt, will die OECD das exemplarisch vorführen, mit Themen vom Handel über die Rolle von Frauen bis zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit.

Die amerikanische Regierung kritisiert Gurría nicht direkt. Lieber spricht er von einem „allgemeinen Trend“, der sich auch in anderen Staaten zeige. Fürchtet der mexikanische OECD-Chef, dass die USA nach Klimaschutz- und Iranabkommen, nach der Unesco auch die OECD verlassen? Seine Antwort ist so verschlungen, dass sie fast wie eine Bestätigung klingt: „Ich habe keinen Grund, fürchten zu müssen, dass die USA die OECD verlassen, denn jedes Mitglied hat allen Anlass dabeizubleiben.“ Theoretisch ja. Aber praktisch?

Bringt die kommende Woche keine Einigung der EU mit den USA, könnte der Konflikt das Wachstum der Weltwirtschaft bremsen. Der Aufschwung in Deutschland, den Ökonomen bisher trotz leichter Abschwächung seit Jahresbeginn für robust halten, wäre dann in Gefahr.

Ifo-Präsident Clemens Fuest nannte gegenüber dem Handelsblatt „die erratische Handelspolitik von Donald Trump“ als eines der Konjunkturrisiken, neben dem neuen italienischen Regierungsprogramm. Wenn Trump tatsächlich Strafzölle nicht nur auf Stahl und Aluminium aus der EU, sondern auch auf Autoimporte aus Europa verhängen würde, geriete vor allem die deutsche Wirtschaft unter Druck, so Gabriel Felbermayr, Außenhandelsexperte beim Ifo-Institut: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt würde um etwa 0,16 Prozentpunkte sinken, hat er ausgerechnet. „Kein Land hätte höhere absolute Verluste durch einen solchen Zoll zu befürchten als Deutschland“, so Felbermayr.

Auch Christoph Schmidt, Chef der Wirtschaftsweisen, bereiten Trumps Drohungen Sorgen. „Für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft stellt der ungelöste Handelskonflikt ein ernst zu nehmendes Risiko dar“, sagte er. Und: „Eine Abschwächung der internationalen Integration der Faktor- und Gütermärkte würde die deutschen Wachstumsaussichten belasten.“

Auch DIW-Chef Marcel Fratzscher fürchtet den Trump-Effekt. „Die Möglichkeit eines Handelskonflikts mit den USA könnte auch die deutsche Wirtschaft empfindlich schwächen, wenn es zu einer Eskalation kommen sollte“, sagte er.