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Nichts für Kuscheltypen: ein Job im Private-Equity-Sektor

In Deutschland ist Private Equity auf dem Vormarsch, die Beteiligungsgesellschaften suchen Mitarbeiter. Was es heißt es, für KKR, Blackrock oder Bain zu arbeiten.

Die neue Macht im Haus ist noch anonym. Man liest den Namen in der Zeitung, hört ihn in Reden des Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner. Und doch bleibt er eine Art Phantom.

Nicht wenige Mitarbeiter des Medienhauses Axel Springer fragen sich: Was genau bedeutet es, dass plötzlich Kohlberg Kravis Roberts (KKR) neuer Großaktionär ist? Was steckt hinter dem Einstieg der amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft?

Und für wen wird der „große Schnitt“, als den Döpfner den Konzernumbau ankündigt, zum Aufgalopp, für wen zum Abwurf? Und wen genau der rund 16.000 Mitarbeiter trifft es, wenn Döpfner im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagt: „Wir werden eher bei den Häuptlingen als bei den Indianern sparen“?

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Die Fach- und Führungskräfte des Springer-Verlags sind bei Weitem nicht die Einzigen in der Republik, die solche Fragen derzeit umtreiben. Die Liste der Private-Equity-Ziele ist in der deutschen Wirtschaft lang: Von der Kosmetikkette Douglas über den Lichtkonzern Osram bis hin zum Berliner Bundesligisten Hertha BSC. Laut dem Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) wurden allein 2018 mehr als 1200 heimische Firmen übernommen.

Dass ein privater Finanzinvestor Gewinne wittert und einsteigt, kann heute in praktisch jeder Branche passieren. Den einst als „Heuschrecken“ verschrienen Kapitalgebern mit Namen wie Blackrock, Bain, Carlyle, Permira oder Advent eilt ein Ruf irgendwo zwischen Heilsbringer und Buhmann voraus.

Sie sammeln fremdes Geld von Anlegern fern der Börse ein, um damit Firmen zu kaufen. Denen bürden sie die Schulden auf, machen sie flott und stoßen sie in der Regel nach fünf bis sieben Jahren wieder ab. Renditen von 30 Prozent und mehr sind keine Seltenheit.

Für die „Target“-Unternehmen bedeutet der Einstieg einer Private-Equity-Gesellschaft vor allem eins: eine Veränderung der Firmenkultur. Das ist sicherlich immer der Fall, sobald ein Investor einsteigt und mitreden möchte. Aber bei Private Equity (PE) herrschen eigene Gesetze.

Durch die hohe Fremdkapitalverwendung und Verschuldung müssen die Firmen rasch saniert und auf Rendite gebracht werden. Schneller, härter, aber auch vielseitiger geht es zu. Das ist nichts für jeden. Häufig stellt die PE-Gesellschaft deshalb nicht nur frisches Kapital, sondern besorgt gleich noch die Spitzenmanager dazu.

Wer sich bewährt, hat gute Chancen, viel Geld zu verdienen und überall auf der Welt zu arbeiten. Denn auch für ihre künftigen Investments benötigen die Finanzprofis Personal: Neben Firmenjägern, die lohnende „Targets“ identifizieren, werden für die gekauften Unternehmen auch neue Vorstandschefs und Führungskräfte benötigt.

„Die Auswahl des passenden Managers ist ein ganz wesentlicher Hebel für die Wertsteigerung bei einer Unternehmensbeteiligung oder -übernahme“, sagt Ann-Kristin Achleitner, Professorin von der TU München, die zum Thema Private Equity forscht und Aufsichtsrätin verschiedener börsennotierter Konzerne ist.

Insgesamt wachse die Zahl der Stellenangebote für Geschäftsführer und Vorstände in Unternehmen, an denen sich private Finanzinvestoren beteiligen, immer stärker, sagt Andreas von Specht. „Eine solche Position ist auch für erfahrene Konzernmanager zunehmend interessant.“ Der Gründer der Personalberatung AvS sucht regelmäßig geeignete Kandidaten vom Kaliber Sondereinsatzkommando.

Gute Chancen sieht der Personalberater auch für topvernetzte Quereinsteiger, egal ob männlich oder weiblich, mit umfangreichem Markt-Know-how zur jeweiligen Industrie. Das Image „Heuschrecke“ aus den Anfängen der privaten Finanzinvestoren in Deutschland sei passé. Kandidaten, auf die von Specht zugeht, schrecke es jedenfalls nicht ab, eine angebotene Stelle im PE-Bereich in Betracht zu ziehen.

Doch wie umgehen mit der Schnelligkeit, der Härte und dem internen Wettstreit bei KKR, Bain, Advent und Co.? Egal, ob es um Sanierung, Internationalisierung oder Neupositionierung einer Firma geht. Für nüchterne Rechner, die mit Tempo und Härte klarkommen, kann die Arbeit für Private Equity eine spannende Option sein.

Tempo machen

Fünf Jahre und vier Monate. So viel Zeit vergeht laut Branchenverband BVK, bis eine Private-Equity-Firma ein gekauftes Unternehmen weiter veräußert. Ein neuer Geschäftsführer oder Vorstandschef muss also ordentlich Gas geben, um Gewinne zu erzielen.

Ein Gefühl, dass Matthias Kötter nur zu gut kennt. Der 56-jährige Wirtschaftsingenieur und Experte im Bereich Spezialchemie bewegt sich seit rund zehn Jahren in der deutschen Private-Equity-Szene. Zuletzt beriet er den Münchner Firmenjäger Paragon Partners.

Dort kam es vor zweit Jahren zu einer für die Branche klassischen Volte: Kötter war gerade dabei, Anti-Germ, einen Desinfektionshersteller aus Memmingen mit 440 Mitarbeitern, als neu eingesetzter CEO auf Vordermann zu bringen. Sanierung und Ausbau gingen gut voran. Die monatlich nach München gemeldeten Zahlen lagen im Plan. Bis ein französischer Finanzinvestor, der auch schon Anti-Germs bretonischen Konkurrenten Hypred im Portfolio hatte, den deutschen Mittelständler kaufte.

Die Chance, schon nach zwei Jahren mit Gewinn auszusteigen, wollte sich Paragon Partners nicht entgehen lassen. Das bedeutete zwar für den deutschen Manager Kötter das Aus, der blieb aber gelassen: „Man sollte solche Entscheidungen nicht persönlich nehmen.“

Tempo im Private-Equity-Umfeld kennt auch Gordon Riske nur zu gut. Der US-Amerikaner mit deutschstämmigen Eltern hatte sich als Sanierer von Roboterhersteller Kuka sowie Motoren- und Anlagenbauer Deutz in Köln einen Namen gemacht.

Für Alexander Dibelius, damaliger Deutschlandchef der Investmentbank Goldman Sachs, und Johannes Huth, Europachef von KKR, war er damit die Idealbesetzung für die Spitzenposition ihres jüngsten Coups: Das Wallstreet-Duo mit ausgeprägtem Gespür für Schnäppchen hatte sich Ende 2006 Lindes Stapler-Sparte mit 20.000 Mitarbeitern einverleibt. Das Ziel: die neue Kion zügig an die Börse bringen – und Kasse machen.

Schnelligkeit, Direktheit, das liegt Riske. Typisch ist, wo ihn der Anruf des Headhunters erreichte: Riske machte kurz Urlaub an der Nordsee, während seine Mitarbeiter in Köln damals Karneval mit Kamelle und Kölsch feierten. Riske, bis heute Kion-Chef, erinnert sich, warum er den Schritt damals gewagt hat:

„Ich fand die Zusammenarbeit mit einem privaten Finanzinvestor immer interessant, weil wir uns – ohne auf den auf Quartale fokussierten Kapitalmarkt Rücksicht nehmen zu müssen – gleichermaßen auf das operative Geschäft und den Aufbau einer schnellen und kompetenten Organisation fokussieren konnten.“ Gerade in der Startphase des Unternehmens sei das extrem wichtig gewesen, meint der Manager.

Härte zeigen

Bei aller Begeisterung – den Erfolgsdruck hat Kion-Chef Riske definitiv gespürt. „Die Vorbereitungen auf den Börsengang waren extrem anstrengend“, erinnert sich der Manager. Sieben-Tage-Woche, keine freie Minute für Privates, auch nicht, um morgens rasch Joggen zu gehen: „An Marathonläufe war schon gar nicht zu denken.“

Und dann lief auch noch der Börsenstart im Sommer 2013 mehr als holprig an. „In dem Jahr hätten wir uns keine schlechtere Woche aussuchen können.“ Die schlechten Vorzeichen zeigten sich Riske schon vor seinem Rückflug von der Roadshow in New York. Da sah er die Rede des damaligen US-Notenbankchefs Ben Bernanke in der Wartehalle. Damit war der Optimismus, der eine Rally im ersten Halbjahr genährt hatte, schlagartig vorbei.

Statt der erwarteten Milliardeneinnahme flossen nur 732 Millionen Euro in die Kion-Kasse. Selbst heute, nachdem KKR und Goldman längst bei Kion ausgestiegen sind, sagt CEO Riske zum verpatzten Börsenstart: „Ich fühlte mich schlecht.“

Doch Manager im Dienst von privaten Finanzinvestoren haben keine Zeit zu lamentieren. Rückschläge wegstecken und sofort weitermachen, muss ihre Devise lauten. Das erfordert Härte gegen sich selbst, aber auch gegen andere. 2009 etwa hing bei Kion „alles am seidenen Faden“, wie Riske heute sagt.

Das Gabelstaplergeschäft brach in der Wirtschaftskrise um fast die Hälfte ein und die über 100 Banken zögerten, ihre Kredite zu verlängern. Zwar schoss Superlift, die Holdinggesellschaft von KKR und Goldman Sachs, damals Geld nach, dennoch musste Riske unpopuläre Entscheidungen umsetzen: Kion schloss sechs kleinere Werke in Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland und schickte mehr als 1000 Mitarbeiter nach Hause.

Riske reiste selbst kreuz und quer durch Europa, um den Kollegen die unvermeidbaren Schließungen anzukündigen. „Das war mir persönlich sehr wichtig“, sagt er im Rückblick. Den übrigen Produktionsarbeitern verordnete er Kurzarbeit mit Lohneinbußen, um die Flaute zu überbrücken und um die Werke in Aschaffenburg und Hamburg zu sichern. Priorität hatten die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, die „ohne Abstriche fortgesetzt werden sollten“.

„Das ist ein typisches Vorgehen“, sagt Christian Andres, Professor an der WHU in Vallendar, der sich mit den Aktivitäten der Private-Equity-Investoren in Deutschland befasst. Mit Blick auf die anstehenden Umwälzungen beim Springer-Verlag ergänzt er: „Führungskräfte als Teil der Verwaltung sind eher von Stellenstreichungen betroffen als herkömmliche Mitarbeiter, die in der Produktion gebraucht werden.“

Viele Kapitalgesellschaften würden aber nicht nur Spar-, sondern auch Wachstumsziele verfolgen. „Während es in den als rückläufig identifizierten Bereichen zu Stellenstreichungen kommt, legen Bereiche mit Wachstumsprognose mitarbeitermäßig zu.“ So ergebe sich insgesamt häufig sogar eine steigende Mitarbeiterzahl.

Schon aus Eigeninteresse tun Geschäftsführer oder Vorstände alles Notwendige, um das Unternehmen für den Finanzinvestor profitabel zu machen. Denn meist verschreibt sich das Management über ein Beteiligungsprogramm den Zielen des Investors.

Heißt: Die eigene Vergütung ist extrem an den Unternehmenserfolg geknüpft — sei es über Boni oder weitere Firmenanteile. „Damit ist die ultimative Motivation an der Spitze gesichert“, weiß auch Matthias Kötter, der damals ebenfalls in den Memminger Desinfektionsmittelhersteller investierte, den er zeitweise führte.

Chancen nutzen

Für Manager Kötter war stets klar: Die eigene finanzielle Verflechtung bietet keinerlei Jobgarantie. Anti-Germs neuer Eigentümer Ardian stellte Kötter 2017 einen Co-Geschäftsführer zur Seite, um die Integration der ehemaligen Konkurrenten zu bewerkstelligen. Es ging nicht gut. Während Kötter nach dem Motto steuerte „alle Macht den Regionen“, verfuhr sein französischer Kollege nach dem zentralistischen Führungsprinzip „Le roi, c’est moi“.

Nach drei Monaten musste Kötter zum Klärungsgespräch nach Paris. Eine gemeinsame Vorstellung, wie sich Synergien heben ließen, fand das Chefduo aber auch in der Ardian-Zentrale am prunkvollen Place de la Concorde nicht. Das war der Anfang vom Ende.

Nur wenige Wochen später traf Kötter sich erneut mit dem französischen Investor. Diesmal am Frankfurter Flughafen in der Hilton-Lounge. Nach nur fünf Minuten war klar: Der Deutsche wird rausgekauft, die Details regeln die Anwälte. Kötter: „Letztlich ist das alles nur eine Frage des Geldes. Der Investor entscheidet. So ist das Spiel.“

Aber Kötter wusste auch, die nächste Chance kommt bestimmt. Tatsächlich führt er heute die Ambratec-Gruppe – ein weiteres Spezialchemie-Unternehmen. Diesmal allerdings in Familienbesitz. Für Wirtschaftsprofessorin und Dax-Aufsichtsrätin Ann-Kristin Achleitner keine Überraschung.

Sie beobachtet stärkere Durchlässigkeit bei den Karriereverläufen: „Wer für Kapitalbeteiligungsgesellschaften erfolgreich gearbeitet hat, hat gute Chancen auf eine führende Position in einem börsennotierten Konzern oder zu einem Mittelständler zu wechseln. Denn die besondere Denkweise und das Know-how von Private-Equity-Gesellschaften sind auch für diese Unternehmen zunehmend interessant.“

Kion-Chef Riske dagegen hat noch immer alle Hände voll zu tun. Nach der Marktführerschaft in Europa will er als nächstes eine Fabrik für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien in Deutschland aufbauen. Riske hält noch heute alle Firmenanteile, die er einst erwarb, als er den Vorstandsvorsitz annahm. Sein Investment hat sich gelohnt, immerhin hat sich der Kion-Kurs vom verwackelten Börsendebüt bis heute mehr als verdoppelt.

Mitarbeit: Hans-Jürgen Jakobs