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Neues Videokonferenz-System soll deutschen EU-Vorsitz retten

Die Bundesregierung entwickelt mit der Telekom eine neue IT-Infrastruktur - auf Grundlage von US-Technologie. Damit will Berlin auch die marode Technik des EU-Rats modernisieren.

Die Bundesrepublik wird in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Foto: dpa
Die Bundesrepublik wird in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Foto: dpa

Die Präsidentschaft über den EU-Rat ist schon unter normalen Umständen eine organisatorische Herausforderung. Hunderte Sitzungen müssen geplant, eine Agenda gestaltet und zwischen 27 Regierungen abgestimmt, Kompromisslinien vorgezeichnet werden.

Die Corona-Pandemie mit Kontaktsperren und Reiseverboten macht nun alles noch komplizierter. Die europäische Politik muss sich ins Internet verlagern, doch darauf sind die EU-Institutionen nicht vorbereitet: „Das Ratssekretariat kann zeitgleich maximal eine Videokonferenz ausrichten und dies ohne geschützte Leitung“, warnte der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß kürzlich in einem internen Vermerk.

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Die Zeit drängt aus deutscher Sicht besonders. Am 1. Juli wird Deutschland die unter den Mitgliedstaaten der EU rotierende Ratspräsidentschaft übernehmen. Eigentlich wollte die Bundesregierung eine ambitionierte Agenda vorlegen. Jetzt dämpft sie die Erwartungen. „Wir müssen die Themen noch stärker priorisieren“, wenn man „in zentralen politischen Bereichen“ vorankommen wolle, sagt Bundesaußenminister Maas.

Zumindest an der Technik soll die Ratspräsidentschaft nicht scheitern. Mit einer neuen IT-Infrastruktur hofft die Bundesregierung, die Arbeitsfähigkeit der EU zu verbessern, wenn die Corona-Beschränkungen in Kraft bleiben. Wie das Handelsblatt aus dem Innenministerium erfuhr, errichtet die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) gemeinsam mit der Deutschen Telekom ein neues Videokonferenzsystem, das auf der Technologie des amerikanischen Anbieters Cisco beruht (Cisco CMS).

Das System mit dem Namen „Meeting-Plattform der BDBOS“ wird zunächst für den Bund entwickelt und soll von Juli an auch die technische Grundlage für virtuelle EU-Verhandlungen bieten. Es soll so gestaltet werden, dass keine Informationen in die USA abfließen können.

„Das Konferenzsystem wird in Rechenzentren der BDBOS betrieben“, erläuterte ein Sprecher des Innenministeriums. „Der Server befindet sich aus Sicherheitserwägungen an einem bestehenden Standort der Netze des Bundes.“ Trotz der Verwendung Cisco CMS sei nicht zu befürchten, dass die US-Regierung über den US-Cloud-Act Zugriff auf die Kommunikationsdaten erhalten könne. „Bei dem Konferenzsystem handelt es sich nicht um eine Cloud-Lösung. Daher ist der US Cloud Act nicht einschlägig“, betonte das Innenministerium.

Die Infrastruktur für virtuelle Konferenzen soll von Mitte Juni an bereitstehen. Bei Übertragungen in HD-Qualität können das System bis zu 2100 Teilnehmer nutzen.

Die gesamte Videokommunikation der Bundesregierung soll jedoch nicht auf die neue Meeting-Plattform umgestellt werden. „Das Konferenzsystem ist nur für die Kommunikation von Informationen gedacht, die nicht als Verschlusssache eingestuft sind“, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Für die Besprechung von Geheiminformationen „stehen weitere Videokonferenzlösungen zur Verfügung“.

„Radikale Priorisierung und Reduzierung“

Wie wichtig die Verbesserung der IT-Systeme der EU ist, zeigt sich in Brüssel jeden Tag: Die aktuelle kroatische Präsidentschaft wird von der Pandemie völlig überschattet, der Betrieb im Rat läuft nur auf rund zehn Prozent der normalen Arbeitsleistung. So sind nur wenige Räume im Ratsgebäude groß genug, um die Einhaltung der Abstandsregeln zu ermöglichen.

Die Bundesregierung rechnet damit, dass sie - auch dank der neuen Technik - zu Beginn der Ratspräsidentschaft ein Drittel der normalen Arbeitskapazität zur Verfügung zu haben wird. Und das gilt noch als optimistisches Szenario. Videokontakte können den persönlichen Austausch nicht gleichwertig ersetzen, das haben die Beamten schon in den vergangenen Wochen festgestellt.

Botschafter Clauß hatte daher in seinem Vermerk eine „radikale Priorisierung und Reduzierung“ der Themen gefordert. Das Bundeskabinett hat das neue Programm schon beraten, aber noch nicht entschieden, welche Themen nun hinten angestellt werden müssen. Der Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft, das ist den Verantwortlichen klar, wird vor allem daran gemessen, ob sie die Europäische Union einigermaßen geschlossen durch die Pandemie und die dadurch bedingte Wirtschaftskrise steuern kann.

Kanzlerin Angela Merkel fürchtet, dass die Fliehkräfte in der Union zunehmen könnten, wenn hart getroffene Länder wie Italien wirtschaftlich weiter zurückfallen. Als Präsidentschaft wird die Bundesregierung versuchen müssen, im Streit um finanzielle Solidarität, EU-Haushalt und Wiederaufbaufonds zwischen den Lagern zu vermitteln.

Zudem muss sie versuchen, einen weiteren ökonomischen Schock abzuwenden, der infolge des Brexit am Jahresende droht: Die britische Regierung lehnt es bislang strikt ab, den Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen zur EU mehr Zeit zu geben - und in der Bundesregierung stellt man sich darauf ein, dass Premier Boris Johnson die Frist nicht verlängern wird. Da beide Seiten immer noch weit auseinander liegen, könnten auf Berlin im Herbst zahlreiche Krisensitzungen zukommen. Keine Einigung bis Jahresende würde bedeuten, dass Exporte und Lieferketten über den Ärmelkanal von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen getroffen würden.

Die eigentlich vorgesehenen Prioritäten wie Klimaschutz, Asylpolitik oder die Beziehungen zu China müssen da zurückstehen. Den Green Deal will die Bundesregierung mit dem Wiederaufbau verknüpfen, die Investitionen sollen also auch eine Klimakomponente bekommen. Allerdings haben einige osteuropäische Länder schon erklärt, jetzt sei nicht die richtige Zeit für Klimaschutz.