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Länder wollen Online-Glücksspiele erlauben

Die Online-Glücksspielbranche verdient Milliarden im Graubereich. Nun soll sie endlich reguliert werden. Die Länder haben sich auf eine Liberalisierung geeinigt.

Die Bundesländer haben sich nach langen Verhandlungen im Grundsatz auf eine weitgehende Reform des deutschen Glücksspielmarktes geeinigt. Diese sieht vor, bisher illegale Glücksspiele im Internet wie Online-Automatenspiele, virtuelle Casinos, aber auch Sportwetten künftig zu erlauben. Die nötigen Konzessionen verteilt eine neue Anstalt des öffentlichen Rechts. Das geht aus einem Entwurf für den neuen Glücksspiel-Staatsvertrag hervor, der dem Handelsblatt vorliegt.

Geplant sind strengere Regeln zum Spielerschutz. So soll es bei Glücksspielen im Internet ein monatliches Einzahlungslimit von 1000 Euro geben. Eingeführt werden soll außerdem eine Sperrdatei. Der Jugend- und Spielerschutz soll so gewährleistet, das Entstehen von Spielsucht verhindert werden. Das staatliche Lottomonopol bleibt bestehen.

Die neue Anstalt als zentrale Glücksspielbehörde der Länder könnte nach Angaben aus Verhandlungskreisen in Baden-Württemberg angesiedelt sein. Sie soll 2021 ihre Arbeit aufnehmen.

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Erzielt wurde der Durchbruch unter Federführung der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei. Die Verhandler um Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) haben damit einen jahrelangen Konflikt entschärft. „In Länderkreisen war das schon ein Running-Gag, dass wir mit dem Thema nie fertig werden“, erklärt ein Verhandlungsmitglied. „Nun ist der Handlungsdruck aber zu hoch geworden. Die aktuelle Situation ist ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat.“

In Deutschland gilt ein staatliches Lotto- und Kasino-Monopol, private Onlineangebote sind eigentlich verboten. Doch nachdem sich die Bundesländer 2011 nicht auf eine Verlängerung des Glücksspielstaatsvertrags hatten einigen können, schlug Schleswig-Holstein einen Sonderweg ein: Das Land, in dem viele Anbieter sitzen, verteilte entsprechende Lizenzen. Offiziell dürfen sich die Anbieter zwar nur an Spieler in Schleswig-Holstein richten, viele gehen dennoch bundesweit auf Kundenfang.

Der neue Staatsvertrag soll nun endlich Klarheit schaffen. Im Februar sollen die Verbände angehört werden. Ihnen ist der Entwurf in der Nacht zum Mittwoch bereits zugegangen. Die Ministerpräsidenten sollen dem neuen Staatsvertrag dann Anfang März grundsätzlich zustimmen. Er muss im Anschluss von allen Landesparlamenten ratifiziert werden. In Kraft treten soll er am 1. Juli 2021, wenn die bisherige Übergangsregelung ausläuft.

Sperrkonten und Einzahlungslimits

Bei den Verhandlungen war lange umstritten, ob Internetspiele zugelassen werden sollen, nun haben sich die Länder auf eine Erlaubnis geeinigt. Diese gilt laut Entwurf für Online-Glücksspiel und -Sportwetten. Die wichtigsten Neuregelungen:

  • Für jeden Spieler müssen Anbieter ein Spielkonto einrichten. Veranstalter von Sportwetten, Online-Casinospielen, Online-Poker und virtuellen Automatenspielen im Internet müssen ein „automatisiertes System“ zur Früherkennung von glücksspielsuchtgefährdeten Spielern und von Glücksspielsucht einsetzen. Für Glücksspiele im Internet darf unter bestimmten Voraussetzungen auch Werbung gemacht werden.

  • Sportwetten im Internet sollen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage deutlich ausgeweitet werden. Ereigniswetten werden dem Entwurf zufolge zugelassen – es soll aber angesichts von Manipulationsgefahren Einschränkungen bei Live-Wetten geben.

  • Zum Schutz von Spielern und finanziellen Folgen von Spielsucht sollen die Einzahlungen limitiert werden, und zwar auf 1000 Euro pro Monat. Mit möglichen Gewinnen soll aber ohne Anrechnung auf das Limit gespielt werden können. Für Sportwetten soll es im Rundfunk und im Internet zwischen 6 und 23 Uhr ein Werbeverbot geben.

  • In einer Sperrdatei sollen Zocker mit Selbst- oder Fremdsperre erfasst werden. Dies betrifft etwa Online-Casinos, Online-Poker und Sportwetten. Die Sperrdatei wird erfasst bei der zentralen Aufsichtsbehörde. Anbieter müssen alle Spieldaten für die Behörde zu Kontrollzwecken abrufbar halten – diese soll so prüfen, ob Spielverläufe zu Lasten von Spielern manipuliert oder Regulierungsvorgaben verletzt wurden. Sogenannte parallele Spiele im Internet sollen nicht erlaubt werden.

Die Erlaubnis für die Veranstaltung von Online-Poker und virtuellen Automatenspielen (das sogenannte Kleine Spiel) sowie Sportwetten soll künftig mit Wirkung für alle Länder von der neuen Glücksspielbehörde erteilt werden. Die Konzessionen für das sogenannte Große Spiel, also für Online-Casinos mit Angeboten wie Roulette, sollen von den Ländern selbst verteilt werden. Sie sind als einziges beschränkt: Pro Bundesland sollen nur wenige Konzessionen verteilt werden, die auch nur innerhalb der Landesgrenzen gelten.

Weitgehende Liberalisierung

In Fachkreisen wird der Entwurf unterschiedlich aufgenommen. „Das Verbot für Online-Glücksspiele nun endlich abzuschaffen und Erlaubnisse für virtuelle Automatenspiele zu etablieren, ist ein längst überfälliger Schritt“, sagt der Präsident des Deutschen Online-Casinoverbands mit Sitz in Kiel, Dirk Quermann. „Warum dann für andere Online-Casinospiele wie Roulette ein anderer Weg gewählt wird, der das Internet wieder an Bundesländergrenzen anhalten will, ist jedoch kaum nachvollziehbar.“

Georg Stecker, Vorstandssprecher des Branchenverbands Deutsche Automatenwirtschaft, erklärt: „Dass bei der Regulierung des gewerblichen Automatenspiels Qualitätskriterien zum Zuge kommen sollen, ist eine gute Nachricht für die legalen Spielangebote und den Spielerschutz.“ Bei der Umsetzung müssten die Ländern nun „den eingeschlagenen Weg der qualitativen Regulierung konsequent weiterverfolgen.“

Kritisch reagieren Suchtexperten. Ilona Füchtenschnieder, Vorständin des deutschen Fachverbands Glücksspielsucht, sagt: „Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass die Länder den Markt stärker regulieren wollen. Die jetzt geplante vollständige Freigabe des Online-Glücksspiels ist jedoch ein fataler Schritt. Die vorgesehenen Schutzmaßnahmen halten mit der Liberalisierung nicht Schritt,“ so ihre Warnung. „Diese müsste zumindest mit einem Werbeverbot einhergehen. Außerdem müssten die Einzahlungslimits für die Spieler deutlich tiefer angesetzt werden.“

Entscheidend sei auch die konkrete Ausgestaltung der geplanten Glücksspiel-Anstalt. „Diese muss dem Spielerschutz dienen. Sie muss personell und technisch so ausgestattet sein, dass sie in der Lage ist, die Glücksspiel-Branche wirksam zu regulieren“, so die Suchtexpertin.

Der milliardenschwere Glücksspielmarkt in Deutschland ist in den vergangenen Jahren in eine Schieflage geraten. Der Schwarzmarkt boomt, vor allem staatliche Lotterien verlieren Erträge und der Staat hohe Steuereinnahmen.

Fabio De Masi, Finanzexperte der Linken-Bundestagsfraktion, sieht letzteres als Hauptgrund der jüngsten Einigung: „Die Länder erhoffen sich Zusatzeinnahmen durch die Besteuerung der Anbieter. Dies wird nicht gelingen, wenn die Anbieter auf Malta und Zypern sitzen. Es braucht daher die Pflicht eines Firmensitzes hierzulande oder die Abschöpfung von Gewinnen durch Lizenzgebühren.“

De Masi hält die geplante Liberalisierung aufgrund der Sucht- und Geldwäsche-Risiken grundsätzlich für problematisch. Auch wenn Verstöße gegen das Online-Glücksspiel-Verbot jahrelang nicht sanktioniert worden seien: „Die Aufrechterhaltung des Verbots hätte ich besser gefunden“, erklärt De Masi, auch, um Zahlungsanbieter in die Pflicht zu nehmen.

Bisher nicht reguliert und damit zum Schwarzmarkt zählen Glücksspielangebote, die nicht über eine deutsche Konzession, sondern über eine aus einem anderen EU-Mitgliedstaat verfügen. Nach deutschem Recht sind sie bisher illegal. Ein Großteil dieser Angebote wird allerdings faktisch weitgehend geduldet.

Mit Material von dpa.