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Neobroker Robinhood und Reddit-Trader geraten ins Visier der US-Politik

Showdown im Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses: Bei der Anhörung am Donnerstag geht es um die neue Macht der Reddit-Trader, Marktmanipulation und die Zukunft von kostenlosem Aktienhandel.

Hier trifft das Repräsentantenhaus am Donnerstag zusammen. Foto: dpa
Hier trifft das Repräsentantenhaus am Donnerstag zusammen. Foto: dpa

Robinhood-Chef Vlad Tenev hatte in den vergangenen Wochen viel Übung darin, heikle Fragen zu beantworten. Tesla-Chef Elon Musk etwa stichelte in einem Gespräch mit Tenev auf der App Clubhouse: „Hast du deine Kunden abgezogen?“ Und Investor Chamath Palihapitiya provozierte in seinem „All-In“-Podcast: „Viele haben geglaubt, dass du im Börsensender CNBC gelogen hast oder Dinge verschleiern wolltest. Wenn du die Frage noch mal beantworten könntest: Hattet ihr jetzt ein Liquiditätsproblem oder nicht?“

Für Tenev war das eine gute Vorbereitung für den großen Showdown an diesem Donnerstag. Dann muss der Chef des Neobrokers Robinhood vor dem Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses Rede und Antwort stehen. Sein Start-up steht im Zentrum der Kritik und hat am meisten zu verlieren. Tenev hatte eigentlich für die erste Jahreshälfte den Börsengang von Robinhood anvisiert. Langwieriger politischer und regulatorischer Streit ist daher unerwünscht.

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Die Kursrally bei Gamestop, AMC und anderen Aktien ist zwar vorbei, doch die wilde Achterbahnfahrt der Kurse, die bei einigen Hedgefonds zu Milliardenverlusten führte und auf die Robinhood und andere Broker mit Handelsbeschränkungen reagierten, wird gerade erst aufgearbeitet.

Politiker und Finanzaufseher müssen sich mit neuen Themen auseinandersetzen. Allen voran: Wie sollen sie damit umgehen, dass Kleinanleger sich in sozialen Medien wie Reddit organisieren, durch Neobroker wie Robinhood schnell und kostenfrei handeln und – wie Ende Januar – damit heftige Kursturbulenzen auslösen können?

„Game Stopped? Wer gewinnt und wer verliert, wenn Leerverkäufer, soziale Medien und Kleinanleger aufeinanderprallen?“, lautet der Titel der virtuellen Anhörung. Maxine Waters, die 82-jährige Leiterin des Ausschusses, hat dafür alle wichtigen Akteure rund um die sogenannte „Reddit-Revolte“ zusammengetrommelt.

Pikante Doppelrolle von Citadel

Neben Tenev wird auch Hedgefonds-Manager Ken Griffin aussagen, der eine interessante Doppelrolle spielte. Seine Handelsplattform Citadel Securities zahlt Robinhood Gebühren dafür, dass der Neobroker Kundenaufträge an Citadel Securities weiterleitet, die Citadel dann über die eigene Plattform abwickeln kann. In der Fachsprache nennt sich dies „Payment for Orderflow“.

Griffins Hedgefonds Citadel war pikanterweise auch einer von zwei Investoren, die mit einer Milliardenbeteiligung versucht haben, den Hedgefonds Melvin Capital zu stabilisieren. Melvin hatte auf fallende Kurse bei Gamestop gesetzt und musste angesichts der rapide steigenden Kurse frisches Kapital aufnehmen.

Das Papier des US-Computerspielehändlers lag Anfang des Jahres noch bei rund 17 Dollar, am 28. Januar markierte das Papier dann dank des Reddit-Hypes ein Allzeithoch von 483 Dollar, bevor der Kurs auch aufgrund der Handelsbeschränkungen kollabierte. Am Dienstag schloss Gamestop bei 49,51 Dollar.

Reddit-Trader vorgeladen

Auch der Chef von Melvin Capital, Gabriel Plotkin, wird an der Anhörung teilnehmen, genauso wie Reddit-Chef Steve Huffmann und Keith Gill, besser bekannt als „Roaring Kitty“.

Gill hat durch seine Youtube-Videos Internetruhm erlangt, in denen er schon frühzeitig zum Kauf der Gamestop-Aktie aufrief und sich eine Fangemeinde aufbaute. Täglich teilte er seinen Depotauszug auf dem Reddit-Forum „Wall Street Bets“. Damit musste er im Februar jedoch aufhören, offenbar aus juristischen Gründen.

Der ehemalige Versicherungsangestellte und registrierte Broker soll laut „Wall Street Journal“ seinem Arbeitgeber die Nebentätigkeit verschwiegen haben, was regulatorische Konsequenzen haben könnte.

Robinhood hat jedoch die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen und den größten Zorn. Der Broker musste Tenev zufolge am 28. Januar rund zehn Mal so hohe Sicherheitsleistungen an die zentrale Clearingstelle überweisen, um die Risiken für diesen Tag zu decken.

Das 2013 gegründete Start-up hatte im Zuge der Reddit-Welle Hunderttausende neue Kunden pro Tag gewonnen. Und die hohe Konzentration auf eine Handvoll Aktien bereitete der Clearingstelle Sorgen. Zeitweise erlaubte Robinhood es seinen Nutzern nur, Gamestop-Aktien und zwölf weitere Papiere zu verkaufen – sie durften keine neuen Positionen mehr aufbauen.

Dutzende Klagen gegen Robinhood

Das sorgte für einen Aufschrei der Empörung unter den Anlegern. Soziale Medien waren plötzlich voll mit Aufrufen, Robinhood zu löschen, allen voran die Reddit-Trader aus dem „Wall Street Bets“-Forum. Vor der Firmenzentrale im kalifornischen Menlo Park hatten sich Demonstranten versammelt. Gegen das Start-up wurden mittlerweile Dutzende Klagen eingereicht.

Tenev würde sich derzeit aus Sicherheitsgründen in einem Hotel an einem unbekannten Ort aufhalten, berichtete der Finanzdienstleister Bloomberg. Auch die Politik mischte sich ein. „Ich frage mich, ob Robinhood den Handel eingeschränkt hat, weil es Absprachen zwischen Robinhood und einigen beteiligten Hedgefonds gegeben hat“, sagte Waters im US-Sender MSNBC.

Die Politiker interessieren sich für eine ganze Reihe von Fragen rund um den Reddit-Komplex. Wie, wenn überhaupt, sollen Neobroker reguliert werden, und dürfen sie den Handel mit Aktien einfach so einstellen? Auch Reddit und andere Onlineforen werfen Fragen auf.

Nach derzeitiger Definition „ist es nicht illegal, dass sich Leute in Reddit-Foren über Aktien austauschen“, stellt Philip Moustakis von der Kanzlei Seward & Kissel klar, der früher für die US-Börsenaufsicht SEC gearbeitet hat. Es könnte jedoch sein, dass es eine neue Definition für Marktmanipulation brauche, um sich den Gegebenheiten anzupassen.

In den kommenden Wochen könnte der designierte SEC-Chef Gary Gensler offiziell seinen Posten antreten. Der frühere Chef der Derivateaufsicht wird sich maßgeblich um die regulatorischen Fragen kümmern müssen.