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Warum Mittelständler im Onlinehandel bei Kunden so beliebt sind

Eine Umfrage zeigt: Mittelständler schaffen es im E-Commerce besonders gut, Kunden zu binden – und in ihrer Nische sogar Amazon zu schlagen.

Bei Musikhaus Thomann spielt fast jeder Mitarbeiter ein Instrument. „Rund 90 Prozent meiner Kollegen sind Musiker, die leben ihren Job und könnten sich gar nicht vorstellen, woanders zu arbeiten“, sagt Dominic Wagner, Marketingleiter des Familienunternehmens aus Burgebrach, einem 6.000-Einwohner-Ort aus der oberfränkischen Provinz.

Das zeigt sich auch auf dem Onlineauftritt von Thomann. Die Mitarbeiter schreiben Blogbeiträge über neue Studiotechnik, über die Kunst des Bassspielens oder über Sound-Experimente. Sie führen neue Instrumente auf dem Youtube-Kanal vor oder erklären den Kunden die Vorzüge spezieller Lichttechnik.

Auf der Facebook-Seite dürfen die Fans mitreden, wie die Thomann-Sonderedition einer Gitarre von Chapman gestaltet werden soll. Der digitale Auftritt von Thomann ist nicht nur Webshop, er ist ein Forum für Wissen rund um Musik.

„Um den Kunden zu verstehen und ihn zu erreichen, ist es Voraussetzung, seine Sprache zu sprechen und immer authentisch zu bleiben“, sagt Unternehmer Hans Thomann. Extrem wichtig sei aber auch Vertrauen. „Kundenvertrauen muss man sich hart über Jahre erarbeiten“, bemerkt der Musikhändler.

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Das sei nicht käuflich durch gutes Marketing. Selbst der Standort im abgeschiedenen Oberfranken habe seine Vorteile. „Wir mussten schon seit jeher mit individuellen Serviceleistungen Kunden überzeugen, zu uns zu kommen.“ Das führten sie nun online fort.

Dass er seine Kunden glücklich macht, hat Hans Thomann jetzt auch wieder offiziell bestätigt bekommen. Bei einer Umfrage zur Kundenzufriedenheit im Onlinehandel, für die das Handelsforschungsinstitut IFH Köln rund 15.000 Kundenbewertungen gesichtet hat, belegt sein Unternehmen souverän den ersten Platz und erhält dafür den Deutschen Onlinehandel Award 2019. Und lässt damit sogar den Internetriesen Amazon hinter sich.

Es ist ein Phänomen, das sich durch alle Kategorien dieser Untersuchung zieht. Die zufriedensten Kunden haben nicht die großen Konzerne und Markenartikler, sondern kleinere Mittelständler und Familienunternehmen. In der Kategorie Heimwerken und Garten siegte beispielsweise Gärtner Pötschke, ein mehr als 100 Jahre alter Versandhändler mit 330 Mitarbeitern.

Er begeistert die Kunden mit liebevoll gemachten Beratungsvideos, in denen die Chefin persönlich das richtige Gießen erklärt und Gartentipps gibt. Ein selbst aufgebautes Pflanzenlexikon findet sich ebenfalls.

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele: Im Bereich Wohnen und Einrichten etwa liegt das Familienunternehmen Erwin Müller vor Ikea auf Platz eins. Beim Thema Sport und Freizeit verweist der Fachhändler Thalia eine Weltmarke wie Adidas auf den dritten Platz.

Amazon gilt als Vorbild

Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH, überrascht das nicht. „Familienunternehmen tun sich häufig leichter, über Jahre hinweg ein konsistentes Markenbild zu prägen“, beobachtet der Handelsexperte. „Das schafft bei den Kunden Vertrauen und einen Vorsprung in Sachen Glaubwürdigkeit gegenüber neuen Onlineanbietern.“

Das wird in der öffentlichen Wahrnehmung häufig unterschätzt. Wenn man beispielsweise der Werbung glaubt, müsste Zalando Deutschlands beliebtester Online-Modehändler sein. Da schreien die Kundinnen doch vor Glück, wenn der Paketbote mit der neuesten Bestellung an der Tür klingelt.

Doch die Realität sieht anders aus. Es ist Bonprix. Die Tochter des ehemaligen Versandhändlers Otto hat sich im Schatten der Onlineriesen mittlerweile unter die zehn umsatzstärksten Onlineshops in Deutschland vorgearbeitet. Bei der repräsentativen Umfrage zur Kundenzufriedenheit kam Bonprix in der Kategorie Mode und Accessoires auf Platz eins – gefolgt von Ernsting‘s Family und Deichmann.

Um Kunden zu begeistern braucht es heute mehr als einen perfekt funktionierenden Webshop. Amazon beispielsweise gilt als Vorbild bei der Abwicklung eines reibungslosen Shoppingerlebnisses im Netz, jeder Händler vergleicht sich mit Amazon.

Doch in Sachen Mode tut sich Amazon schwer. „Hier schaffen es andere Marken besser, an ihre spezielle Zielgruppe heranzukommen und diese perfekt anzusprechen“, erklärt IFH-Geschäftsführer Hudetz.

Ein schönes Beispiel dafür sei Bonprix. Sie hätten ihre Marke wunderbar neu inszeniert. „Der kontinuierliche Anstieg bei der Kundenzufriedenheit zeigt, dass sich kontinuierliche Optimierung und Kundenfokussierung auszahlt“, lobt der Experte.

Ähnlich sieht es auch bei dem traditionellen Versandhändler Erwin Müller aus. Der Spezialist für Heimtextilien aus dem schwäbischen Buttenwiesen gilt vielen als Inbegriff der Spießigkeit. Doch bei der Kundenzufriedenheit liegt er ganz weit vorn – wahrscheinlich gerade wegen der konservativen Werte des Unternehmens. „Wir schauen ganz stark auf die Qualität, denn nur zufriedene Kunden kommen nach dem ersten Kauf zurück“, sagt Rita Müller, Geschäftsführerin und Tochter des Firmengründers.

Auf diese Weise schaffen es Traditionshändler, sich auch im Netz eine große Zahl an loyalen Stammkunden aufzubauen. Und das hat auch finanzielle Vorteile. „Wem es gelingt, die Kundenzufriedenheit hoch zu halten und Stammkunden zu binden, der senkt auch die Kosten. Denn die Gewinnung von Neukunden ist extrem teuer“, sagt Handelsexperte Hudetz.

Für Rita Müller sind es aber auch die Strukturen in vielen mittelständischen Unternehmen, die diese Nähe zum Kunden begünstigen. „Bei uns haben noch ganz viele Mitarbeiter direkten Kontakt zum Geschäft und damit zum Kunden“, sagt sie.

Mittelstand entdeckt die Influencer

Und wenn sie aufgrund der Erfahrungen in der Praxis etwas verändern wollen, dann brauchten sie das nicht erst über drei Hierarchiestufen weiterzureichen, sondern könnten direkt zum Chef kommen. „Und dann bekommen sie sofort eine Entscheidung, die auch Bestand hat“, sagt die Unternehmerin.

Auch Hans Thomann nennt die Flexibilität aufgrund flacher Hierarchien in seinem Unternehmen, wenn er nach Erfolgsrezepten gefragt wird. „Wir sind außerdem immer offen für Innovationen und Wege, die nicht vom Profitdenken bestimmt sind, sondern können Ideen auch aus Überzeugung umsetzen“, sagt er.

Klare, schnelle Entscheidungen hat auch Tina Müller getroffen, als sie Ende 2017 die Leitung der Parfümeriekette Douglas übernahm. Dabei half ihr zugleich die Eigentümerstruktur des Mittelständlers. Die Gründerfamilie Kreke, die noch 15 Prozent der Anteile hält, und der Finanzinvestor CVC Capital Partners waren sich einig, ihr relativ freie Hand bei der Neuausrichtung des Unternehmens zu lassen.

Und diesen Freiraum hat sie genutzt. Anders als Erwin Müller setzt sie aber nicht auf Tradition um wieder näher an die Kundenwünsche zu kommen. Sie hat die in die Jahre gekommene Marke aufgefrischt, mit einem neuen Logo und einem neuen Ladendesign. Aber was noch viel wichtiger ist, sie hat die Präsenz in den sozialen Netzen forciert und damit ihr Unternehmen für jüngere Kunden geöffnet.

Sie arbeitet dort erfolgreich mit Influencern wie Pamela Reif und Caro Daur zusammen. Auch hat sie neue Produkte und Marken ins Programm genommen, die eher auf eine jüngere Kundschaft ausgerichtet sind. Das schlug sich auch in der Umfrage zur Kundenzufriedenheit nieder. In einer Sonderauswertung unter jungen Kunden, die bevorzugt übers Handy einkaufen – den sogenannten Smart Consumers – lag Douglas unter allen Unternehmen auf Platz eins.

„Die besten Unternehmen schaffen es, dass sich Kunden als Teil einer Gemeinschaft fühlen“, sagt IFH-Chef Hudetz. Und dabei hilft oft die Emotionalität eines Familienunternehmens mehr als die kalte Effizienz von Amazon und Co.

Dann ist es letztlich egal, ob es sich um Musiker handelt, die sich am Telefon von einem Thomann-Mitarbeiter die Vorzüge eines bestimmten Saxofons erklären lassen, bevor sie online kaufen, oder um junge Mädchen, die auf dem Instagram-Auftritt von Douglas Schminktipps austauschen.