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Datenpreise ziehen massiv an – Börsen im Visier der Finanzaufsicht

Börsenbetreiber bringen mit Preiserhöhungen für Marktdaten Kunden gegen sich auf. Auch Finanzmarktaufsicht und EU-Kommission schalten sich ein.

Wenn Manager von Börsenkonzernen über das Geschäft mit Daten sprechen, funkeln ihre Augen. Als Betreiber von Handelsplattformen sitzen die Unternehmen auf einem riesigen Datenschatz.

Und damit kann man im Zeitalter der Digitalisierung prächtig Geld verdienen – Google und Facebook haben das in vielen Bereichen vorgemacht. „Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, der wichtigste Faktor für Produktivität“, sagt Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer.

Doch während die Börsen im Datenfieber sind, wächst der Unmut bei ihren Kunden. Banken, Broker, Hochfrequenzhändler und alternative Handelsplattformen werfen den Konzernen vor, ihre monopolartige Stellung in einigen Marktbereichen auszunutzen.

Erbost sind viele Nutzer vor allem deshalb, weil europäische Börsenbetreiber die Preise für bestimmte Marktdaten zum Jahreswechsel angehoben haben, zum Teil erheblich. Die Kritiker haben sich deshalb nach Informationen des Handelsblatts bei der europäischen Finanzmarktaufsicht Esma und der EU-Wettbewerbskommission beschwert. Und das hat Wirkung gezeigt.

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Die Esma habe in einem Fragebogen bei Marktteilnehmern Informationen über die Datenpreise eingeholt, sagte ein Sprecher der Behörde dem Handelsblatt. Abgabefrist war vergangenen Freitag.

Im Rahmen der Erhebung soll laut Esma geprüft werden, ob sich die Anbieter bei der Preisgestaltung an die Vorgaben der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid II halten. Das seit Anfang des Jahres geltende Regelwerk sieht vor, dass die Börsen ihre Daten „zu angemessenen wirtschaftlichen Konditionen“ zur Verfügung stellen müssen.

Die Esma werde die Antworten der Beteiligten nun auswerten und dann entscheiden, ob sie Maßnahmen ergreife, erklärte die Behörde. „Dieser Prozess wird einige Zeit dauern.“

Und auch aus Brüssel droht den Börsenbetreibern Ungemach. „Die Esma steht in Kontakt mit der EU-Wettbewerbskommission, bei der auch Beschwerden eingegangen sind“, erklärte die Finanzmarktaufsicht. Die Kommission beobachte die Situation, habe jedoch noch kein formelles Verfahren eingeleitet.

Kampfansage an „die Parasiten“

Für die Börsen stellen die Untersuchungen der Behörden eine große Bedrohung dar. Denn sollten diese am Ende härtere Auflagen erlassen, würden sich die Chancen in einem wichtigen Geschäftssegment deutlich eintrüben.

Im vergangenen Jahr haben die größten Börsenbetreiber weltweit ihre Erträge im Geschäftsfeld Informationsdienste um neun Prozent auf knapp sechs Milliarden Dollar ausgebaut, wie aus einer Studie der Beratungsgesellschaft Burton-Taylor hervorgeht. Es handelt sich damit um das am schnellsten wachsende Segment innerhalb der Börsenbranche.

Allein Deutschlands größter Börsenbetreiber hat in seinem Datengeschäft im vergangenen Jahr 154 Millionen Euro erlöst. Und in den kommenden Jahren sollen die Einnahmen nach den Planungen des Unternehmens deutlich steigen.

„Wir liefern Daten für die zunehmend automatisierten und digitalisierten Arbeitsprozesse der Kapitalmarktakteure“, frohlockte Deutsche-Börse-Manager Holger Wohlenberg Ende Mai bei der Vorstellung der überarbeiteten Konzernstrategie. „Wir füttern ihre Maschinen mit digitalem Futter.“

Die Streitfrage ist: zu welchem Preis? „Börsenbetreiber sollten verpflichtet werden, der Finanzindustrie Basisdaten zu einem angemessenen Preis zur Verfügung zu stellen, der die Kosten deckt“, fordert Burton-Taylor-Experte Andy Nybo. Für aufbereitete Daten oder weiter gehende Analysen sollten sie dann zusätzliche Gebühren erheben dürfen.

Die Debatte über Datenpreise schwelt schon länger und ist nicht auf Europa beschränkt. Aber in den vergangenen Monaten hat der Streit in der EU deutlich an Schärfe gewonnen. Die Handelsfirma Virtu Financials, die an rund 150 Marktplätzen weltweit aktiv ist, machte ihrem Ärger unlängst in einem Schreiben an die Esma Luft.

„Wir glauben, es ist an der Zeit, eine ehrliche Debatte über die schnell steigenden Preise zu führen, die von den Handelsplattformen verlangt werden“, erklärte Virtu. Die Kosteneskalation habe negative Auswirkungen auf die Marktliquidität und die Preisbildung an den europäischen Finanzmärkten.

Im Zentrum des Streits stehen die Kosten für die automatisierte Nutzung von Live-Daten, die direkt in die Handelssysteme von Banken, Hochfrequenzhändlern und alternativen Handelsplattformen einfließen. Diese Daten haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, da immer mehr Geschäfte automatisiert ablaufen. Bei manchen Großbanken haben Programmierer und Algorithmen große Teile der Aktienhändler ersetzt.

Besonders teuer seien die Daten bei der spanischen Börse, sagt Mark Hemsley, Vorstandschef der Handelsplattform CBOE Europe. Aber auch alle anderen europäischen Börsenbetreiber hätten die Preise zum Jahreswechsel angehoben. Die CBOE, Virtu Financial und andere werfen den alteingesessenen Börsen vor, Wettbewerber durch prohibitive Preise gezielt zu schwächen. Denn Börsenbetreiber befinden sich in einer ambivalenten Situation. Einige ihrer Kunden sind auch ihre Konkurrenten.

Viele große Finanzinstitute wickeln einen Teil ihrer Kundengeschäfte auf bankeigenen Handelsplattformen ab. Sie müssen sich dazu bei den Regulierungsbehörden als sogenannte Systematische Internalisierer (SI) registrieren. Für diese gelten im Zuge der Mifid II ebenfalls neue Regeln. Die etablierten Börsenbetreiber werfen der Politik vor, den Wettbewerb zwischen Börsen und SIs durch die überarbeitete Finanzmarktrichtlinie verzerrt zu haben.

„Bankinterne Handelsplattformen haben einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil, weil sie Kunden minimal bessere Preise anbieten dürfen als etablierte Börsenbetreiber“, klagt Rainer Riess, Generaldirektor des europäischen Börsenverbands Fese. Der Marktanteil der SIs sei deshalb gestiegen und liege in verschiedenen europäischen Märkten aktuell zwischen 20 und gut 30 Prozent.

„Wir sollten nicht isoliert über Marktdaten diskutieren, sondern müssen in der Debatte auch über die Marktstruktur sprechen“, fordert Riess. „Die Politik hat durch Mifid II ungewollt bankinterne Handelsplattformen gestärkt, die intransparent sind, zwischen Kunden diskriminieren dürfen und keinen Beitrag zur effizienten Preisbildung liefern“, schimpft der Börsenlobbyist. „Diese parasitären Plattformen können nur handeln, wenn sie Daten von den etablierten Börsenbetreibern erhalten.“ Dass sie dafür Geld bezahlen müssten, „finde ich nicht verwerflich“, betont Riess.

Manche Kunden sehen das anders. Die Schweizer Großbank UBS hat laut „Financial Times“ nach der Preiserhöhung der Bolsa de Madrid (BME) zum Jahreswechsel entschieden, auf ihrer bankinternen Plattform keine spanischen Aktien mehr zu handeln. Die UBS wollte sich dazu nicht äußern.

Die BME weist die Vorwürfe zurück. Die UBS habe das Gebührenmodell der spanischen Börse nicht verstanden, teilte das Unternehmen auf Handelsblatt-Anfrage mit. Die automatisierten Daten der BME seien für Handelsplattformen „außergewöhnlich wertvoll“.

Die Gebühren dafür lägen ähnlich hoch wie bei anderen Börsenbetreibern und erfüllten alle regulatorischen Vorgaben, erklärten die Spanier. „Wir erwarten nicht, dass die Esma oder die EU-Wettbewerbskommission weitere Regulierungsmaßnahmen ergreifen wird.“

„Eine Anpassung war überfällig“

BME, Euronext und Deutsche Börse weisen allesamt darauf hin, dass sie im Zuge der Mifid-II-Einführung ihr Datenangebot ausgeweitet haben. Zudem betonen sie, dass sie nicht alle Datenpreise angehoben haben. „In einigen Bereichen sind die Preise sogar gefallen. Privatinvestoren, die ihre Marktdaten über Broker und Direktbanken beziehen, zahlen seit dem Jahreswechsel beispielsweise rund 60 Prozent weniger“, sagte Hartmut Graf, der bei der Deutschen Börse die Abteilung Data Services leitet, dem Handelsblatt.

„Gestiegen sind die Kosten vor allem für professionelle Nutzer, bei denen unsere Daten direkt in die Systeme einfließen, etwa bei Algo-Tradern oder bankeigenen Handelsplattformen“, betont Graf. Das Preismodell der Frankfurter für diese automatisierte Datennutzung („non-display usage“) sei zehn Jahre alt gewesen. „Dort war eine Anpassung überfällig – auch vor dem Hintergrund, dass die automatisierte Nutzung von Daten stark zugenommen hat.“ Über alle Produkte hinweg liege der Anstieg der Datenpreise beim hessischen Konzern im einstelligen Prozentbereich.

Die scharfe Kritik mancher Kunden an den Datenpreisen kann Graf nicht nachvollziehen. „Die Nutzung unserer Daten am Bildschirm kostet rund 50 Euro im Monat.“ Bei einer automatisierten Nutzung seien es – abhängig vom genauen Angebot – meist wenige Tausend Euro für eine gesamte Bank. „Für große Handelshäuser geht es hierbei also um einen vergleichsweise kleinen Kostenblock.“

Laut Graf würde es für die Deutsche Börse auch keinen Sinn ergeben, prohibitive Preise zu setzen. „Denn wenn Finanzfirmen unsere Daten nutzen und dann darauf basierend mehr handeln, wirkt sich das für uns positiv aus.“

Klar sei aber auch, dass die Deutsche Börse die Daten nicht umsonst verteilen könne. „Denn wir tätigen selbst hohe Investitionen, um transparente Handelsplattformen zu betreiben und sicherzustellen, dass diese auch in Krisenzeiten stabil sind“, betont Graf.

Ob sich die Aufsichtsbehörden dieser Sichtweise anschließen, bleibt abzuwarten.