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Milliardenschwere Übernahme? Welche Wachstumspläne die Deutsche Börse verfolgt

Die Deutsche Börse sucht große Zukäufe – und interessiert sich für die Devisenhandelsplattform FXall. Die Akquisition wäre aus Sicht von Analysten strategisch sinnvoll.

Bei der Währungshandelsfirma 360T herrscht auch dreieinhalb Jahre nach der Übernahme durch die Deutsche Börse noch Start-up-Stimmung. Die Tochter residiert in der Frankfurter Innenstadt – rund zehn Kilometer entfernt von der Börsen-Zentrale im Vorort Eschborn. Auf den Fluren stehen Designersessel und der obligatorische Kickertisch. Und 360T-Chef Carlo Kölzer trägt statt Sakko und Krawatte lieber einen blauen Pullover.

Die Sparte ist unter vielen Gesichtspunkten ein Exot im Konzernverbund der Deutschen Börse. Aber die Bedeutung dieses Exoten dürfte in den kommenden Jahren deutlich steigen.

Denn Kölzer und seine Kollegen haben das Produktangebot im Währungshandel deutlich ausgebaut und 2018 bereits eine 100 Millionen Dollar schwere Übernahme gestemmt. In absehbarer Zeit kommt möglicherweise noch ein milliardenschwerer Deal dazu.

Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer hat größere Übernahmen in Aussicht gestellt, um den Abstand auf die führenden US-Anbieter CME und ICE nicht zu groß werden zu lassen. Und der Devisenhandel würde sich dabei aus Sicht von Analysten anbieten. Der Markt ist mit einem Handelsvolumen von durchschnittlich 6 000 Milliarden Dollar pro Tag riesig. Zudem ist er noch stark fragmentiert.

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„Unter den größeren Anbietern im Währungshandel hat es in den vergangenen Jahren einige Zusammenschlüsse gegeben – und die Konsolidierung wird weitergehen“, erläutert Kölzer im Gespräch mit dem Handelsblatt. Die Deutsche Börse will bei einer Bereinigung des Sektors kräftig mitmischen – und hat Interesse an einem milliardenschweren Kauf der Devisenhandelsplattform FXall.

„Falls FXall auf den Markt kommen sollte, würden wir uns das natürlich ansehen“, sagt Kölzer. Ob es dann am Ende tatsächlich zu einer Übernahme komme, sei eine andere Frage. „Wir würden uns gut ergänzen, denn FXall hat andere Kunden als wir“, erklärt Kölzer. „Das Unternehmen hat in Amerika eine viel stärkere Marktposition als wir. Und es hat eine starke Stellung im Asset-Management-Bereich, in dem wir relativ neu sind.“ Gemessen am Handelsvolumen sei FXall ungefähr doppelt so groß wie 360T.

FXall gehört aktuell dem US-Finanzinvestor Blackstone sowie dem Finanzkonzern Refinitiv. Analysten gehen davon aus, dass Blackstone FXall nach dem Einstieg bei Refinitiv früher oder später losschlagen wird. Der Verkaufspreis würde Schätzungen zufolge bei über drei Milliarden Dollar (mehr als 2,6 Milliarden Euro) liegen. Refinitiv wollte sich dazu nicht äußern, Blackstone antwortete auf eine Anfrage zum Thema nicht.

Kapitalerhöhung? Kein Problem!

Die Deutsche Börse müsste für eine Übernahme von FXall bei Investoren frisches Kapital einsammeln, denn sie kann aus eigener Kraft maximal Zukäufe bis 1,5 Milliarden Euro stemmen. Doch aus Sicht von Vorstandschef Weimer wäre eine Kapitalerhöhung kein Problem.

„Unsere Investoren ermutigen uns beim Thema Zukäufe“, sagte er im Februar. „Und unsere Investoren würden uns das Geld auch geben.“ Übernahmen im Währungsgeschäft könnte sich Weimer prinzipiell gut vorstellen. „Dafür gibt es sehr gute Argumente.“ Analysten sehen das ähnlich.

In anderen Geschäftsfeldern, in denen sich die Deutsche Börse ebenfalls nach Zukäufen umsieht, seien große Übernahmen eher schwierig, erklärte Deutsche-Bank-Analyst Benjamin Goy. „Deshalb glauben wir, dass der Währungshandel der wahrscheinlichste Bereich für eine große Transaktion ist.“

Die Börsenexperten der Schweizer Großbank UBS haben einen Kauf von FXall in einer 24 Seiten dicken Analyse bereits durchgespielt – und kommen zu einem eindeutigen Urteil: „Eine Übernahme würde für die Deutsche Börse strategisch großen Sinn ergeben.“

Die Hessen würden Zugang zu den Kunden von FXall erhalten und könnten ihnen zusätzliche Produkte anbieten. Grundsätzlich gehen die Analysten davon aus, dass es zu einer Konsolidierung des Sektors kommt – und dass die Kunden am Ende auf wenige liquide Marktplätze setzen. „Wir glauben nicht, dass langfristig mehr als eine Handvoll elektronische Handelsplattformen überleben werden.“

Das größte Risiko für die Deutsche Börse bei einer Übernahme von FXall wäre aus Sicht der UBS, dass es zu einem Bietergefecht kommt und der Dax-Konzern am Ende zu viel bezahlt. Diese Sorge ist nicht unbegründet, denn auch andere Börsenbetreiber haben in den vergangenen Jahren ihre Liebe für den Devisenhandel entdeckt.

Die US-Börse Bats kaufte 2015 den Währungsmarktplatz Hotspot, die europäische Mehrländerbörse Euronext sicherte sich 2017 die Plattform Fastmatch. Im vergangenen Jahr schluckte die US-Börse CME die britische Währungs- und Anleiheplattform Nex – und legte dafür rund 4,5 Milliarden Euro auf den Tisch.

360T-Chef Kölzer beobachtet das Treiben aufmerksam und arbeitet parallel daran, das Devisengeschäft der Deutschen Börse zu einem „One-Stop-Shop“ weiterzuentwickeln. „Kunden sollen bei uns alle Arten von Währungsgeschäften abwickeln können – egal, ob es um liquide oder illiquide Produkte geht oder um börsliche oder außerbörsliche Geschäfte.“

Die CME bewege sich mit dem Kauf von Nex in dieselbe Richtung, betont Kölzer. „Aber am Ende wird es nur eine Handvoll Anbieter geben, die im Währungshandel ein so umfassendes Angebot unterbreiten können wie wir.“ Es gebe schließlich nur eine begrenzte Zahl an großen Währungsplattformen, Terminbörsen und Clearinghäusern.

Kaum reguliertes Geschäft

Der Währungshandel ist im Vergleich zu anderen Teilen des Finanzmarkts bisher kaum reguliert. Aus Sicht von Experten gibt es dafür vor allem zwei Gründe: Im Gegensatz zu anderen Instrumenten gab es im Währungsgeschäft auch in Krisen bisher nie große Verluste, die eine Gefahr für die Finanzstabilität darstellten. Zudem haben einige Politiker die Sorge, dass man durch eine stärkere Kontrolle des Devisenmarkts am Ende auch den Handel an sich regulieren würde.

Die Zurückhaltung der Politik ist ein Grund dafür, warum ein Großteil aller Währungsgeschäfte bisher abseits von regulierten Börsen stattfindet. Gerade kleinere Unternehmen tätigen Devisentransaktionen nach wie vor über das Telefon oder über die Devisenplattformen einzelner Banken.

Parallel dazu haben außerbörsliche Plattformen wie 360T, auf denen Unternehmen bei mehreren Banken Konditionen für Währungsgeschäfte anfragen können, seit der Jahrtausendwende deutlich an Marktanteilen gewonnen. Nach der Übernahme durch die Deutsche Börse hat 360T begonnen, neben außerbörslichen auch börsengehandelte Devisenprodukte zu entwickeln.

Im August legte die Firma zusammen mit der Derivatesparte Eurex einen FX Future auf. Von ihm werden mittlerweile 500 bis 1000 Kontrakte am Tag gehandelt. „Kommerziell ist das noch ein Zwerg“, sagt Kölzer. „Aber es ist eine gute Basis, auf der wir aufbauen können.“ In der Regel dauere es bei neuen Produkten 36 bis 40 Monate, bis das Unternehmen signifikante Erträge einfahre.

Darüber hinaus arbeitet die Deutsche Börse an Abwicklungsangeboten für außerbörsliche Devisengeschäfte. Das ist äußert komplex, da solche Clearingmodelle von unzähligen Regulatoren auf der ganzen Welt abgenommen werden müssen. „Aber wir hoffen, dass wir bald von allen grünes Licht haben und in den nächsten drei Monaten die ersten außerbörslichen Währungsgeschäfte über Eurex Clearing abwickeln können“, sagt Kölzer.

Er sieht in dem Bereich großes Potenzial, denn Kunden könnten durch das Clearing gegenläufige Positionen miteinander verrechnen und müssen dann unter dem Strich weniger Sicherheiten bei den Abwicklungshäusern hinterlegen. Grundsätzlich gehen Kölzer und die meisten Experten davon aus, dass in den kommenden Jahren viel außerbörsliches Währungsgeschäft an die Börsen verlagert wird – vor allem, weil die Alternativen teurer geworden sind.

„Durch die neuen Basel-III-Kapitalvorschriften werden bilaterale Währungsgeschäfte zwischen Banken und Unternehmen kostspieliger“, sagt der 360T-Chef. „Das Gleiche gilt für das Geschäft mit Brokern.“ Zudem werde die Zahl der Kunden größer, die mehr Transparenz und einen börsengehandelten Preis wollten.

Bisher sind gelistete Derivate im Währungshandel eine Randerscheinung, während sie in anderen Bereichen des Finanzsektors 40 bis 60 Prozent des Gesamtmarkts ausmachen. Doch 360T ist überzeugt, dass sich früher oder später auch das Devisengeschäft in diese Richtung entwickeln wird. „Das ist wie bei Popcorn in der Mikrowelle“, sagt Kölzer. „Da tut sich lange Zeit nichts. Aber wenn es dann losgeht, ist es nicht mehr aufzuhalten.“