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Meine Zeit mit Warren Buffett

Das mag seltsam klingen, aber ich erinnere mich nicht wirklich an das erste Mal, als ich Warren Buffett traf. Der Grund dafür ist, dass er während meiner 29-jährigen Zeit beim Fortune Magazine, die 1985 begann, immer irgendwie da war. Mit “da war” meine ich, dass Buffett – hauptsächlich aufgrund seiner Freundschaft mit einem meiner Mentoren – der legendären Journalistin Carol Loomis, einfach öfter in unserem Büro vorbeischaute, an Fortune-Veranstaltungen teilnahm oder einige von uns in einem nahe gelegenen Hotel auf eine Cola traf (ich kann mich nicht erinnern, dass er je etwas anderes getrunken hat).

Buffett war für mich schon früh wie ein entfernter Arbeitsplatzonkel.

Mitte der neunziger Jahre hatten wir einige Male kurz miteinander gesprochen und bis zum Ende des Jahrzehnts hatte ich ihn einmal kurz interviewt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich zum ersten Mal vor 17 Jahren länger mit ihm zusammen saß – es war bei einem Golf-Wochenende in Pebble Beach, zusammen mit Don Graham, dem ehemaligen CEO der Washington Post, und anderen. Ich schrieb eine Titelgeschichte über ihn und die war tatsächlich denkwürdig.

Um eine Redewendung zu gebrauchen, die ich ihn selber über andere habe verwenden hören (einschließlich George W. Bush) – Buffett war und ist jemand, der “sich in seiner eigenen Haut wohl fühlt”. Er trug seinen Pyjama, war entspannt und wir unterhielten uns stundenlang in seinem Cabana-artigen Zimmer direkt hinter dem sechsten Loch.

Ein Investor mit hoher “emotionaler Intelligenz”

Wie ist es, sich mit Warren Buffett zu unterhalten? Ich muss sagen, super nett. Sie hätten vielleicht erwartet, dass ich sage, wie klug er ist – und natürlich ist er das auch – aber als Erstes würde ich sagen, dass er einen sehr hohen EQ oder emotionalen Intelligenzquotienten hat. Buffett ist herzlich, sehr lustig und interessiert sich wirklich für einen. Er ist nachdenklich und selbstbewusst. Ich würde sagen, dass er mit Leuten genauso gut kann wie mit Geschäften. Und natürlich ist das eine mit dem anderen verbunden.

Warren Buffett spricht mit Andy Serwer, Chefredakteur von Yahoo Finance.
Warren Buffett spricht mit Andy Serwer, Chefredakteur von Yahoo Finance.

Mir wurde schnell klar, man mit ihm reden konnte – und ich wollte mit Buffett über Dinge reden, die über das Investieren und die Märkte hinausgingen. Seine Einstellung zu fast allem unter der Sonne war und ist immer etwas, wo man hinhören sollte – einschließlich seiner Beobachtungen zu Politik, Geschichte, berühmten Leuten, Sport und Nachrichten. Sicher, er hat seine Grenzen. Er ist kein Fan von Rap oder JavaScript. Aber Bridge? Kann man vergessen.

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Nach dieser Titelgeschichte unterhielten wir uns ab und zu. Ich schrieb mehr Geschichten über ihn und seine Meinung zu den Märkten, seinen Partner Charlie Munger und kleinere Artikel für meine Kolumne, Streetlife / Captain’s Blog (hier ist ein schönes Bild von Warren und Obama zusammen).

Als ich 2006 Redakteur der Zeitschrift wurde, flog ich einmal jährlich nach Omaha, um mit ihm zu Mittag zu essen. Und seit ich bei Yahoo Finance bin, setze ich mich immer noch jedes Jahr mit ihm zusammen. Es war sehr großzügig von ihm, mir all diese Stunden zu widmen. Zeit ist natürlich seine kostbarste Ressource und sagen wir mal so, mit 88 hat man keine unendlichen Ressourcen mehr vorhanden.

In meiner Zeit bei Yahoo habe ich eine Reihe an lustigen Interviews geführt, wie das, in dem er sagte, gute Gewohnheiten seien vielleicht wichtiger als der IQ, oder das, in dem er sagte, dass es einen Punkt gebe, an dem Geld “keinen wirklichen Nutzen mehr hat”. Oder das diesjährige Interview, in dem er sagte: “Alles, was Sie machen müssen, ist, einen Querschnitt von Amerika zu kaufen und dann müssen Sie nicht mehr auf Leute wie mich hören oder Zeitungen lesen oder noch irgendetwas machen.”

Manchmal wiederholt er sich. So sei es. Ich habe noch nie ein Gespräch mit ihm beendet, ohne etwas Wichtiges gelernt zu haben.

Ein unvollkommener, aber außergewöhnlicher Amerikaner

Um das klarzustellen: Es gibt viele Leute, die Buffett viel näher stehen als ich. Ich kenne ihn nur ein bisschen, aber über die Jahrzehnte bekommt man ein ziemlich gutes Gespür für jemanden. (Die zuvor erwähnte Carol Loomis steht ihm besonders nahe. Ich ging eines Tages in ihr Büro und stellte ihr eine Frage zu Buffett: “Hmm, ich weiß nicht, lass es uns herausfinden.” Sie griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer: “Hey”, sagte sie ins Telefon und stellte dem Mann selbst die Frage.)

Andy Serwer, Chefredakteur von Yahoo Finance, spricht mit Warren Buffett.
Andy Serwer, Chefredakteur von Yahoo Finance, spricht mit Warren Buffett.

Es gibt ein paar Leute, die Buffett nicht besonders mögen. Sie hängen sich an seinen Fehlern auf (wie IBM-Aktien zu besitzen), oder sie halten ihn für dumm oder heuchlerisch, weil er Aktien von Wells Fargo (WFC) und Kraft Heinz (KHC) besitzt. Einige mögen seine Politik nicht (pro-Unternehmer, liberal) oder finden ihn scheinheilig, wenn er sich über Steuern oder Unternehmensführung auslässt. (Übrigens kümmern ihn diese Leute überhaupt nicht.)

Ok, Buffett ist a) nicht perfekt und b) ja, er ist ein Geschäftsmann. Nachdem wir das klargestellt haben, würde ich behaupten, dass Buffett ganz oben auf einer Liste außergewöhnlicher Amerikaner oder Weltbürger steht. Buffett ist nicht nur der größte Investor unserer Zeit, er hat auch einen Standard für Führungskräfte gesetzt. Und er verwendet einen großen Teil seiner Zeit dafür, zu unterrichten, zu erklären und seine Weisheit mit tausenden von Schülern zu teilen.

Und dann ist da noch seine Großzügigkeit – und seine philanthropische Finanzmittelbeschaffung, die wirklich einzigartig ist. Zusammen mit Bill und Melinda Gates gründete Buffett The Giving Pledge – ein Versuch, die dringlichsten Probleme der Gesellschaft anzugehen, indem die wohlhabendsten Einzelpersonen und Familien der Welt aufgefordert werden, mehr als die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke einzusetzen oder an Wohltätigkeitsorganisationen zu spenden – entweder zu Lebzeiten oder in ihrem Testament.”

Buffett hat zugesagt, fast sein gesamtes Vermögen von 80 Milliarden Dollar (93 Milliarden €) wegzugeben. Und er und Gates haben einige der 190 reichsten Menschen der Erde (die meisten davon Milliardäre) persönlich dazu motiviert, das Gleiche zu tun. (Die Wohltätigkeitsorganisation seiner Wahl ist die Gates Foundation, weil er der Meinung ist, dass die Stiftung sein Geld besser verteilen kann als er. Nach dem Motto “Ich weiß zwar, wie man Geld verdient, doch die Stiftung meines Kumpels ist gut darin, herauszufinden, was man damit machen kann.”)

Man kann Buffett für Einzelheiten kritisieren. Das kann man bei jedem Menschen machen. Aber für mich macht es viel mehr Sinn, zuzuhören, was der Mann zu sagen hat.

Man weiß nie, ob man vielleicht etwas lernt. Ich weiß, dass ich es tue.

Andy Serwer with Max Zahn