Werbung
Deutsche Märkte schließen in 5 Stunden 32 Minuten
  • DAX

    18.558,54
    -119,33 (-0,64%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.997,38
    -32,97 (-0,66%)
     
  • Dow Jones 30

    38.852,86
    -216,74 (-0,55%)
     
  • Gold

    2.344,80
    -11,70 (-0,50%)
     
  • EUR/USD

    1,0857
    -0,0004 (-0,03%)
     
  • Bitcoin EUR

    62.435,44
    -527,01 (-0,84%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.460,72
    -23,97 (-1,62%)
     
  • Öl (Brent)

    80,56
    +0,73 (+0,91%)
     
  • MDAX

    26.802,56
    -332,10 (-1,22%)
     
  • TecDAX

    3.381,99
    -28,84 (-0,85%)
     
  • SDAX

    15.048,57
    -100,93 (-0,67%)
     
  • Nikkei 225

    38.556,87
    -298,50 (-0,77%)
     
  • FTSE 100

    8.227,56
    -26,62 (-0,32%)
     
  • CAC 40

    7.990,58
    -67,22 (-0,83%)
     
  • Nasdaq Compositive

    17.019,88
    +99,08 (+0,59%)
     

Die Mövenpick-Steuer wackelt

Das Steuerprivileg für Hoteliers droht gegen EU-Recht zu verstoßen. Das könnte Finanzminister Scholz in eine Zwickmühle bringen.

Dreiste Klientelpolitik. Förderung Wohlhabender. Wahlgeschenk für Spender. Die Aufregung war groß, als die schwarz-gelbe Bundesregierung 2009 das Steuerprivileg für Hoteliers verabschiedete. Denn die Hotelgruppe Mövenpick hatte der FDP zuvor im Wahlkampf hohe Spenden zukommen lassen. Bis heute ist der Steuerrabatt deshalb als „Mövenpick-Steuer“ verschrien.

Gut neun Jahre später könnte das Gesetz Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nun vor die Füße fallen. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil zu einem Umsatzsteuerfall in den Niederlanden gesprochen, wodurch nach Ansicht von Experten auch die Mövenpick-Steuer gegen EU-Recht verstoßen könnte.

„Es sprechen gute Gründe dafür, dass das Urteil des EuGH auf das deutsche Hotelgewerbe anwendbar ist“, sagt Matthias Oldiges von der Kanzlei KMLZ. „Ich sehe wie viele andere in der Fachwelt schon die Möglichkeit, dass durch das EuGH-Urteil die Umsatzbesteuerung für Hoteliers in Deutschland in ihrer heutigen Form wackelt“, sagt Andreas Erdbrügger von Flick Gocke Schaumburg.

Anders als bisher müsste demnach für das Frühstück im Hotel der gleiche Steuersatz gelten wie für Übernachtungen. Das könnte insbesondere Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in eine Zwickmühle bringen: Entweder er weitet die Mövenpick-Steuer aus und wendet sie auch auf Hotel-Dienstleistungen an, womit er seine eigene Partei gegen sich aufbringen würde. Oder er schafft das Steuerprivileg ab und legt sich mit der CSU an.

WERBUNG

Die bayerische Partei hatte sich 2009 gemeinsam mit der FDP für das Steuergeschenk starkgemacht. Die CSU sah in den im Vergleich zu Österreich höheren Mehrwertsteuersätzen einen Wettbewerbsnachteil. Deshalb brachte sie Merkel dazu, den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent abzusenken. Die Kanzlerin persönlich soll in den Verhandlungen aber entschieden haben, dass die Ermäßigung nur für Übernachtungen, nicht aber für Hotel-Dienstleitungen wie etwa das Frühstück gelten solle.

Beispiel Amsterdam

Genau das könnte nun zum Problem werden. Bei dem Fall vor dem EuGH ging es um einen ähnlich gelagerten Fall in den Niederlanden. Eine Führung durch das Stadion des Fußballklubs Ajax Amsterdam und ein Besuch des Ajax-Museums waren mit unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen abgerechnet worden – was laut EuGH unzulässig ist.

Faktisch habe das Gericht damit „seine frühere Rechtsprechung für die Zwecke ermäßigter Steuersätze revidiert“, sagt Steuerrechtler Joachim Englisch von der Universität Münster. Ein nationaler Gesetzgeber dürfe sich jetzt nicht mehr auf den Standpunkt stellen, „bestimmte Einzelkomponenten einer an sich einheitlichen Leistung herauszugreifen und isoliert von der Steuerermäßigung auszunehmen“.

Genau das tut der deutsche Gesetzgeber in diesem Fall. „Die Verunsicherung bei den Hoteliers ist groß“, sagt Anwalt Oldiges. Der Branchenverband Dehoga hat bereits ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben und ein Musterverfahren beschlossen, das bis hin zum EuGH geführt werden soll. „Oberstes Ziel muss es sein, den reduzierten Umsatzsteuersatz für Übernachtungsleistungen zu erhalten“, teilt der Verband mit.

In der Branche gibt es aber auch die Hoffnung, den erniedrigten Mehrwertsteuersatz nun auf alle Leistungen ausdehnen zu können. An einem Finanzgericht ist nach Handelsblatt-Informationen bereits eine Klage eines Hoteliers aus NRW anhängig. Ein Urteil könnte weitreichende Folgen haben.

Denn nicht nur Hoteliers wären betroffen, sondern jeder Geschäftsreisende, der beim Frühstück im Hotel die Vorsteuer abzieht. „Um Planungssicherheit zu schaffen, müsste der Gesetzgeber jetzt eigentlich eine Klarstellung herausgeben oder die Steuer modifizieren“, sagt Erdbrügger.

Scholz droht ein politisches Minenfeld

Doch damit würde sich Finanzminister Scholz auf ein politisches Minenfeld begeben. Das EuGH-Urteil habe „keine Folgen“ für das deutsche Umsatzsteuersystem, heißt es im Finanzministerium. Scholz weiß: Das Urteil des EuGH reicht noch nicht, um die Regierung zum Handeln zu zwingen. Dazu braucht es noch eine erfolgreiche Klage eines Hoteliers vor dem EuGH.

Das kann sich aber Jahre hinziehen. Auch die CSU will am Steuernachlass nicht rütteln: Im niederländischen Fall ging es um eine Handhabe ohne gesetzliche Grundlage. „In Deutschland herrscht dagegen eine andere Rechtslage, sodass wir am ermäßigten Mehrwertsteuersatz festhalten“, sagt der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU).

Die SPD macht dennoch Druck, das Steuerprivileg abzuschaffen. „Ich setze mich dafür ein, viele unsinnige Ausnahmen in der Mehrwertsteuer abzuschaffen, dazu gehört auch das Steuergeschenk an Hotelkonzerne“, sagt der finanzpolitische Sprecher im Bundestag, Lothar Binding. „Ich war immer der Meinung, dass Übernachtungen und Frühstück einheitlich mit 19 Prozent besteuert werden sollten“, findet SPD-Finanzpolitikerin Ingrid Arndt-Bauer.

Selbst die FDP zeigt sich verhandlungsbereit: „Das Urteil des EuGH ist ein guter Anlass“, sagt Finanzpolitiker Christian Dürr, „um die Absurditäten des Mehrwertsteuersystems zu beseitigen.“