Die Lebensversicherung wird anderen Geldanlagen immer ähnlicher
Eine Kapitalgarantie von 100 Prozent werden Kunden in Zukunft immer seltener finden. Der Druck auf der Anlageseite ist einfach zu groß.
Der Marktführer gibt die Richtung vor. Und der Großteil der rund 80 Wettbewerber in Deutschland dürfte folgen. Mit der unscheinbaren Meldung „Allianz Leben investiert in die Zukunft der Vorsorge“ gibt der Versicherer den Startschuss für deutliche Veränderungen in der gesamten Branche.
Dies werden vor allem diejenigen Kunden zu spüren bekommen, die sich ab dem kommenden Jahr für eine Lebensversicherung interessieren. Denn auf den ersten Blick sehen die neuen Regeln wie eine Verschlechterung aus.
Die klassische Police wurde wegen des geringen Garantiezinses von 0,9 Prozent ohnehin von immer weniger Menschen abgeschlossen. Dafür stellten viele Anbieter die lukrativeren Möglichkeiten moderner Varianten heraus, meist wurden dabei Fondslösungen als Renditebringer integriert. Zugesagt wurde dabei immerhin, dass nach Ende der Laufzeit zumindest der Betrag wieder ausgezahlt wird, den Kunden auch eingezahlt hatten.
Künftig sollen bei der Allianz je nach Produkt und Risikobereitschaft des Kunden nur noch Rückzahlungsquoten von 98 Prozent, 80 Prozent oder sogar 60 Prozent garantiert werden. Als Belohnung für den Garantieverzicht winken im Idealfall höhere Renditen.
Das kann für den Kunden gut gehen, muss es aber nicht. Wer kann schließlich heute schon abschätzen, wie sich die Renditen in den kommenden Jahrzehnten bis zum Ablauf der Lebensversicherung entwickeln werden?
So wird bei den neuen Produkten ein Teil des Risikos an die Kunden weitergereicht, sollte es zu anhaltenden Verwerfungen an den Märkten oder zu unerwarteten Preisrückgängen bei spekulativeren Anlagen kommen.
Bei einem „Weiter so“ droht Lebensversicherern der Kollaps
Die Lebensversicherer sind mit dem Schritt der Allianz endgültig in der neuen Risikowelt angekommen. Über Jahre hatten sie in der Öffentlichkeit das Bild völliger Sicherheit hochgehalten, auch wenn bei der Last vieler Altverträge mit hohem Garantiezins und den immer geringeren Kapitalerträgen absehbar war, dass bei einem „Weiter so“ vielen der Kollaps droht. Zumal die Phase der Null- und Negativzinsen durch die Coronakrise noch einmal verstärkt wurde.
Statt mit einem hohen Anteil an festverzinslichen Staatsanleihen werden Lebensversicherungen in Zukunft immer mehr mit Aktien, Immobilien, Investitionen in erneuerbare Energien und in Infrastruktur unterlegt. Schon bei einer Garantie von 80 Prozent der eingezahlten Beträge sollen sie etwa zwei Drittel der investierten Anlagen ausmachen.
Das unterlegte Portfolio einer Lebensversicherung gleicht damit dem Tipp, den heute jeder Anlageberater seinen Kunden gibt, die halbwegs Rendite erzielen wollen. Die Lebensversicherung als liebstes Anlageprodukt der Deutschen steht damit vor einer deutlichen Veränderung.