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Kurssturz auf 1,5-Jahrestief: Kann sich Facebook von seinem Horrorjahr 2018 wieder erholen?

Facebooks Hauptquartier in Menlo Park: Der Daumen zeigt in diesem Jahr nach unten (Foto: © Facebook)
Facebooks Hauptquartier in Menlo Park: Der Daumen zeigt in diesem Jahr nach unten (Foto: © Facebook)


Schlecht, schlechter, Facebook. Das weltgrößte Social Network hat in der vergangenen Woche durch den brisanten Report der New York Times einen neuen Tiefpunkt erreicht – in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch an der Wall Street. Inzwischen werden gar Stimmen laut, die einen Rücktritt von Vizechefin Sheryl Sandberg fordern. Kann sich Facebook von seinem ‘annus horribilis’ noch einmal erholen?

Auf den PR-GAU folgt das nächste PR-Debakel: So verlief Facebooks mit Abstand schlimmstes Jahr in seiner bisherigen Unternehmensgeschichte in einem Satz. Dass sich das weiterhin mit Abstand weltgrößte Social Network bis heute nicht annähernd vom Vertrauensverlust nach dem Datenskandal um Cambridge Analytica erholt hat, bewies eine Enthüllungsstory der New York Times in der vergangenen Woche.

Die mutmaßlich renommierteste Zeitung der Welt deckte in einem Investigativreport unter dem Titel „Verzögern, abstreiten und vertuschen: Wie sich Facebooks Führung durch die Krise kämpfte“ eine Ungeheuerlichkeit nach der anderen auf. So waren Facebook, lange bevor der drittwertvollste Internetkonzern der USA es später zugegeben hat, Warnzeichen einer russischen Einmischung bei der US-Wahl 2016 in Form von versuchten Hackerangriffen bekannt.

Aufklärung in der Russland-Affäre verschleppt, Schmutzkampagne gegen Rivalen ausgerollt

Um vom weitreichenden Datenskandal um Cambridge Analytica abzulenken, engagierte Facebook nicht nur Lobbyisten in Washington, sondern startete eine Schmutzkampagne gegen direkte Internetkonkurrenten wie Google und Apple. Zu diesem Zweck engagierte der Mutterkonzern des weltgrößten Social Networks die der republikanischen Partei nahestehende Öffentlichkeitsfirma The Definers, die auch gegen Facebook-Kritiker wie George Soros Negativnachrichten lancierten.

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Intern soll Konzernchef Zuckerberg, der von dem Vorgehen ebenso wenig wie Vizechefin Sheryl Sandberg etwas gewusst haben will, zudem in einem kindischen Revanche-Akt gegen Apple-Chef Tim Cook nach dessen Kritik an Facebook intern sogar angeordnet haben, dass Topmanager künftig von iPhones auf Android-Geräte umsteigen müssten.

Aktie stürzt auf tiefsten Stand seit Frühjahr 2017

Der Image-Schaden für Facebook ist nach den neuerlichen Enthüllungen, die freilich mehr das Missmanagement des Unternehmens als den Umgang mit Nutzerdaten betrifft, einmal mehr immens. „Gibt es Menschen, die soviel Geld damit verdient haben, so einen Schaden anzurichten?“ fragt sich etwa Marketing-Guru Scott Galloway am Wochenende im Podcast mit Kara Swisher, Gründerin des Techportals re/code. „Ich meine, sie (Zuckerberg und Sandberg – A.d.R.) lassen Manager eines Tabakkonzers wie Waisenknaben aussehen“, wird Galloway überdeutlich.

Facebook-Chart
Facebook-Chart

An der Wall Street stürzte die Facebook-Aktie Ende der vergangenen Woche in den Tagen nach der NYT-Veröffentlichung unterdessen auf den tiefsten Stand seit dem Frühjahr 2017 ab. Bei 139 Dollar notiert das Papier seit Jahresbeginn um 21 Prozent im Minus und hat seit den Allzeithochs bereits 37 Prozent oder rund 200 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet.

Vizechefin Sheryl Sandberg ist angeschlagen

Facebooks Absturz ist so dramatisch, dass immer mehr Branchenexperten Konsequenzen fordern. Vizechefin Sheryl Sandberg “ist komplett entbehrlich und sollte ausgetauscht werden”, hält etwa Management-Guru Jeffrey Sonnenfeld von der Yale University am Freitag im Gespräch mit dem Finanzsender CNBC den Rückzug von Facebooks zweitranghöchster Managerin für angemessen.

“Sheryl Sandberg kommt eindeutig am schlechtesten aus der ganzen Story weg“, sieht auch Techreporterin Kara Swisher (re/code) die 49-Jährige, die immer mal wieder als potenzielle Nachfolgerin von Mark Zuckerberg gehandelt wurde, durch die NYT-Enthüllungen beschädigt.

Lange Zeit sei Sandberg durch ihre Verdienste wie den „eloquenten Umgang mit dem Verlust ihres Mannes“ und ihren Kampf für die Gleichberechtigung unangreifbar gewesen, doch in der aktuellen Krise könnte sie umso mehr unter Druck geraten, glaubt Marketing-Professor Scott Galloway („The Four“), der sie “einen Wolf im Schafspelz” nennt.

Zuckerberg wird wie “ein Kinderkönig behandelt, der nicht weiß, was passiert”

Kara Swisher nimmt dagegen erneut Konzernchef Zuckerberg in die Pflicht. „Er ist der CEO. Er hat ein Stimmgewicht von 60 Prozent. Er ist ein Erwachsener, wird aber behandelt wie ein Kinderkönig, der nicht weiß, was passiert“, watscht die toughe Techreporterin den Facebook-Chef ab.

Galloway wird im Podcast mit Swisher noch deutlicher. „Er hat seine Freunde im College übers Ohr gehauen. Er hat seinen besten Freund aus dem College übers Ohr gehauen, nachdem er mit ihm Facebook gegründet hat. Sein erstes professionelles Projekt war eine Webseite, die Frauen nach ihrem Aussehen bewertet, und im letzten Jahr wollte er Aktionären den Vorschlag unterjubeln, dass er alle Anteilsscheine verkaufen könne und trotzdem die Stimmenmehrheit behielte. Was soll da noch schiefgehen?“ knöpft sich der Marketing-Professor der New York University Zuckerberg ironisch vor.

„Es ist schwer, sich vorzustellen, wie jemand, der so jung zum Milliardär und so mächtig geworden ist, nicht gleichzeitig sonderlich und gleichgültig wird“, stellt der Bestseller-Autor Zuckerbergs Charakter und seine Wandlungsfähigkeit infrage.

Zuckerberg und Sandberg nennen NYT-Report „komplett unfair“ und „teilweise unwahr“

Tatsächlich scheint es, als wolle Zuckerberg nach bekannter Blaupause auch diese Krise durchstehen. Schlecht gelaunt stellte sich der Facebook-Chef am Donnerstag in einer Telefonkonferenz wie schon nach dem Cambridge Analytica-Debakel ausweichend Journalistenfragen. Zusammen mit Sandberg erklärte der 34-Jährige trotzig, der NYT-Bericht sei „komplett unfair“ und „teilweise unwahr“.

Danach trat Zuckerberg am Freitag vor die Belegschaft und widersprach vehement der Anschuldigung, dass der drittwertvollste Internetkonzern der USA Missstände zu verschleiern versuche. Stattdessen drohte der 52-fache Milliardär, er werde Mitarbeiter feuern, die mit der New York Times oder anderen Publikationen sprächen. „Die zugespielten Presseinfos kommen meistens von Leuten mit Moralproblemen“, sagte Zuckerberg säuerlich.

Angeschlagene Moral bei Facebook: Nur noch jeder Zweite ist optimistisch

Und davon scheint es bei Facebook immer mehr in der Belegschaft zu geben. Wie das Wall Street Journal am Freitag in einer Befragung von ungenannten Facebook-Mitarbeitern festgestellt haben will, beurteilt nur noch rund die Hälfte der Belegschaft die Zukunftsaussichten des 14 Jahre alten US-Unternehmens positiv – happige 32 Prozent weniger als im Vorjahr.

Zuckerberg selbst wirkt angezählt und kleinlaut wie selten. Ende der vergangenen Woche postete der 34-Jährige eine längliche Zwischenbilanz seiner Jahresherausforderung, Facebook zu reparieren. „Es gibt keine einfache Lösung zu diesen Herausforderungen, es sind Probleme, die man niemals vollständig lösen kann“, gab der Facebook-CEO mit Blick auf die Wahlmanipulationen zu. Zuckerbergs Resümee seines Horrorjahres liest sich am Ende somit zumindest wie eine halbe Kapitulationserklärung.