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Kommt 2021 die große Pleitewelle? Sechs Experten geben Antwort

Wie die führenden Konjunkturexperten Deutschlands die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen im kommenden Jahr einschätzen, zeigt die Exklusiv-Umfrage der WirtschaftsWoche.

Die Bundesregierung unterstützt die Unternehmen in der Coronapandemie großzügig durch Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfen und Kreditbürgschaften. Zudem hat sie die Insolvenzantragspflicht für Pleitekandidaten bis mindestens Ende Januar 2021 ausgesetzt.

Beobachter kritisieren, damit verzögere sie die längst überfällige Bereinigung in der Unternehmenslandschaft. Es staue sich eine Pleitewelle auf, die später umso heftiger über Deutschland hinwegrollen werde. Die WirtschaftsWoche hat Konjunkturexperten von Banken und Wirtschaftsforschungsinstituten gefragt, wie groß die Gefahr einer Pleitewelle wirklich ist. Ihre Antworten im Überblick:

Ulrich Kater, Chefvolkswirt DekaBank: Es wird im kommenden Jahr zwar zu einer Insolvenzwelle kommen, aber nicht zu einem Tsunami. Gegenwärtig ist die Lage noch paradox: Trotz schwerer Wirtschaftskrise gehen die Insolvenzzahlen in Deutschland, aber auch in anderen Ländern in diesem Krisenjahr 2020 zurück. Das liegt an den zahlreichen Überbrückungsgeldern, die ausgezahlt wurden, sowie an der ausgesetzten Insolvenzmeldepflicht. Hierdurch hat es bereits Verschleppungen gegeben; es sind also Firmen durchgeschleppt worden, die auch ohne Corona das Handtuch geworfen hätten. All diese aufgeschobenen Fälle werden zusammen mit den wirklichen Corona-Opfern im kommenden Jahr die Insolvenzgerichte beschäftigen. Das Geschehen sollte sich jedoch auf die am härtesten betroffenen Dienstleister sowie auf einige Teile der Industrie beschränken. Die Hoffnungen, dass der Bankensektor als Ganzes dabei stabil bleibt, sind berechtigt.

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Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef ifo Institut: Wie in jeder Rezession wird auch in der Coronakrise die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigen. 15 Prozent der vom ifo Institut befragten Unternehmen gaben im November an, dass die Corona-Beschränkungen für sie existenzbedrohend seien. Das Aussetzen der Antragspflicht hat die Insolvenzwelle lediglich aufgeschoben; abgeflacht wurde sie allenfalls durch die staatlichen Liquiditätshilfen, ohne die viele Unternehmen ihren Zahlungsverpflichtungen während des Shutdowns nicht hätten nachkommen können. Am Ende aber werden einige von ihnen dem Strukturwandel, der durch die Coronakrise beschleunigt wurde, nicht standhalten können und neuen Geschäftsmodellen weichen müssen. Auch wenn es den Betroffenen kurzfristig weh tut, sollte dieser Wandel zugelassen werden, denn langfristig wird er unseren Wohlstand steigern.

Oliver Holtemöller, Konjunkturchef Institut für Wirtschaftsforschung Halle: Unternehmensinsolvenzen folgen einem zyklischen Muster. In den Quartalen nach einem Konjunktureinbruch kommt es zu mehr Insolvenzen als üblich. Aufgrund des starken Wirtschaftseinbruchs im ersten Halbjahr 2020 wäre daher für die zweite Jahreshälfte mit einer deutlichen Zunahme der Unternehmensinsolvenzen zu rechnen, selbst wenn sich die Wirtschaft zügig wieder erholt. Die aktuellen Ausnahmeregelungen und staatlichen Hilfsprogramme dämpfen allerdings die Dynamik des Insolvenzgeschehens. Die tatsächlichen Insolvenzzahlen dürften somit niedriger ausfallen als hier ausgewiesen. Einigen Unternehmen dürfte es gelingen, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, solange die Ausnahmeregelungen gelten und eine Insolvenz zu vermeiden. Komplett aufhalten werden die Ausnahmeregelungen und die Unternehmenshilfen die zu erwartende Insolvenzwelle jedoch nicht. Nach Auslaufen der Ausnahmeregelungen dürfte es zu vermehrten Insolvenzen kommen.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank: 2021 droht eine Pleitewelle. Das war bisher nach jeder Rezession zu beobachten, wobei das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr viel stärker sinkt als im Durchschnitt vergangener Rezessionen. Außerdem dürfte die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr erneut schrumpfen, was die ohnehin geschwächten Unternehmen zusätzlich trifft. Allerdings wird die Pleitewelle 2021 wohl nicht so schlimm ausfallen wie der Pleite-Tsunami nach dem Platzen der Aktienblase vor 20 Jahren. Denn seitdem haben die Unternehmen ihre Eigenkapitalquoten deutlich erhöht, wie die Bilanzstatistik der Bundesbank zeigt. Außerdem unterstützt der Staat die Unternehmen viel stärker als in zurückliegenden Rezessionen – etwa mit Kurzarbeitergeld, Kreditgarantien und dem teilweisen Ausgleich von Umsatzrückgängen.

Alexander Krüger, Chefvolkswirt Bankhaus Lampe: Die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht, staatliche Hilfsgelder und der Rückgriff auf Rücklagen haben eine Pleitewelle bisher verhindert. Durch die aktuellen Lockdown-Maßnahmen entstehen aber erneut massive Umsatzausfälle, die das Überleben erschweren. Da niemand sagen kann, wie viele dieser Maßnahmen 2021 noch notwendig sein werden, dürften vor allem kleine Unternehmen mangels Perspektive von sich aus aufgeben. Die Insolvenzpipeline ist also gefüllt. Wie stark sie sich entlädt, hängt auch davon ab, ob die Regierung das zulassen wird.

Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt IKB Deutsche Industriebank: Es ist nicht nur die Tiefe, sondern vor allem die Dauer einer Rezession, die die Ausfallraten ansteigen lässt. Je länger die schwache Konjunkturentwicklung anhält, desto mehr treten strukturelle Probleme zu Tage, denen die Fiskalpolitik nur begrenzt begegnen kann beziehungsweise sollte. Wird 2021 von weiteren Lockdowns geprägt sein, ist mit einer Welle von Insolvenzen zu rechnen. Wirkt der Impfstoff früh genug, um eine stabile wenn auch moderate Erholung im Jahr 2021 sicherzustellen, so bleibt die große Welle aus. Dennoch werden die Ausfallraten 2021 und womöglich auch 2022 steigen. Ein Tsunami ist gesamtwirtschaftlich nicht zu erwarten, auch wenn sich die Bonitäten und Kennziffern der Unternehmen verschlechtert haben und die Verschuldung zunimmt. Stützungsmaßnahmen der Regierung wirken dämpfend. Von der Krise stark getroffene konsumnahe Dienstleistungen dürften allerdings einen deutlichen Anstieg von Insolvenzen verzeichnen. Das Verarbeitende Gewerbe wird dagegen von der globalen Wirtschaft und insbesondere der asiatischen Konjunktur gestützt.

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