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Kommentar: Warum wir ethische Versager in den Unternehmen nicht gebrauchen können

Siemens CEO Joe Kaeser (M.), Finanzvorstand Ralf Thomas (l.) und Vorstandsmitglied Lisa Davis. (Bild: Getty Images)
Siemens CEO Joe Kaeser (M.), Finanzvorstand Ralf Thomas (l.) und Vorstandsmitglied Lisa Davis. (Bild: Getty Images)

Einige Firmenführer zeigen sich derzeit wenig anfällig für Anstand. Dass ihnen sowas nicht mal vor die Füße fällt.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es gibt da diesen Witz über eine Studentin, die sich mit einem Manager unterhält. „Ich studiere Wirtschaftsethik“, sagt sie. “Nun”, entgegnet er, „dann müssen Sie sich irgendwann entscheiden: für Wirtschaft oder für Ethik“.

Es gibt Studiengänge und ganze Bibliotheken, die diesen Rat als falsch zu entlarven versuchen. Womöglich zu Recht, denn Schwarz und Weiß regiert selten. Auch im Erwirtschaften herrschen Grautöne vor und die Fragen, ob das okay ist, was ich gerade mache. Die Welt ist rund, weder flach noch eckig.

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Daher sollten einige Unternehmenslenker nicht der Idee nachhängen, wissenschaftliche Bildung sei etwas für Jungspunde mit noch fehlender Verantwortung; stattdessen sollten sie ab und zu ihre Nasen in Bücher stecken und nachlesen, was es mit Ethik und Wirtschaft auf sich hat.

Aktuelle Beispiele zeigen leider den ausschließlichen Fokus auf das Zustandekommen eines Verkaufs, Anstand wird ausgeblendet.

Da ist Siemens-Chef Joe Kaeser, der in diesen Tagen darüber nachdenken muss, ob er zu einem Wirtschaftsforum nach Saudi-Arabien reisen soll. “Wenn wir die Kommunikation mit Ländern meiden, in denen Menschen vermisst werden, kann ich einfach zu Hause bleiben, weil ich mit niemandem mehr reden kann”, sagte Kaeser. Damit reduziert der Manager eine komplizierte Frage auf eine Plattitüde; Gerüchten zufolge verdient Siemens sein Geld nicht nur in Schurkenstaaten oder Failed States.

Siemens CEO Joe Kaeser: Seit dem <span>1. August 2013 ist er Vorstandsvorsitzender des Konzerns. (Bild: Getty Images)</span>
Siemens CEO Joe Kaeser: Seit dem 1. August 2013 ist er Vorstandsvorsitzender des Konzerns. (Bild: Getty Images)

Aber Kaeser muss sich nun verhalten, weil es da diese vermisste Person gibt, den Journalisten Khashoggi – und sich die Hinweise sich verdichten, dass er mittels einer Knochensäge in einem Konsulat verschwand. Die Vorgesetzten der Täter und womöglich auch Befehlshaber zu einer Mordtat sind dabei genau jene Menschen, mit denen Kaeser ursprünglich vorhatte, auf einem Podium zu sitzen.

Kaeser, das Kommunikationstalent

Oder habe ich mir vorzustellen, dass Kaeser in Riad mit einem gelben Shirt von Amnesty International herumzulaufen gedenkt? Dass er andauernd über Menschenrechte spricht? Natürlich hat ein Firmenchef eine Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern, er muss Aufträge heranschaffen, da gebt es bei Siemens um riesige Werte und nicht gerade um die Frage, ob die Meuchelmörder Khashoggis nach der Knochensäge einen Universal-Zerkleinerer der Marke Siemens benutzten.

Kurzfristig rein auf den Taler geschaut, täte Kaeser recht daran, nach Saudi-Arabien zu fahren und zu versuchen, für sein Unternehmen so viel wie möglich herauszuholen.

Ähnlich kurzfristig äußerte sich VW-Chef Herbert Diess, als er jüngst klagte: “Der jetzige Feldzug gegen die individuelle Mobilität und damit gegen das Auto nimmt jedoch existenzbedrohende Ausmaße an.” Diess bezog sich auf neue Abgastestverfahren und strengere Abgasgrenzwerte in der EU, als wolle er sich in die Tasche lügen, er atme eine andere Luft ein als wir alle. Dieser Unternehmer empfindet es als eine Frechheit, dass die Öffentlichkeit sich nicht weiter von seiner Firma betrügen lassen will, wirklich undankbar, diese KÄUFER.

Herbert Diess, CEO bei Volkswagen, auf einer Medien-Veranstaltung in Peking, China, am 24. April 2018. (Bild: REUTERS/Jason Lee/File Photo)
Herbert Diess, CEO bei Volkswagen, auf einer Medien-Veranstaltung in Peking, China, am 24. April 2018. (Bild: REUTERS/Jason Lee/File Photo)

VW hat jahrelang bewusst getrickst und getäuscht. Da verwundert kaum, dass der Autokonzern nun seine jüngste Volte als Wohltat verkauft: Bis zu 10.000 Euro wollen „die Wolfsburger“ dafür zahlen, wenn ein Diesel-Auto verschrottet und dafür ein neues, natürlich muss es ein VW sein, gekauft wird. Das Problem bilden die dreckigen Autos von VW. Und anstatt den Fehler zu beheben, trachtet der Konzern danach, aus dem Problem noch einen Gewinn zu machen und – mehr Autos zu verkaufen.

Betriebswirtschaftlich macht diese Rechnung Sinn, volkswirtschaftlich schon nicht mehr, vom Schaden für alles Lebendige auf diesem Planeten ganz zu schweigen. Gänzlich absurd aber ist, dass nur diejenigen Autobesitzer in den Genuss dieser „Prämie“ kommen sollen, die in einer Stadt oder deren Umgebung wohnen, welche besonders von hohen Abgaswerten gezeichnet ist; als änderte sich am Betrug oder an der Luft, die bekanntlich keine Grenzen kennt, etwas durch die Wahl des Wohnorts.

It is long-term, stupid!

Angesichts dieses moralischen Versagens rückt kaum mehr ins Bewusstsein, dass heute in Brasilien der Vorwurf erhoben wurde, 156 Unternehmer würden mit Millionenbeträgen den Wahlkampf des Faschisten Jair Bolsonaro unterstützen, und zwar durch die Finanzierung des massenhaften Versendens von Falschmeldungen über WhatsApp. Auch dies kann kurzfristig sinnvoll erscheinen, wenn es im Gegenzug Steuererleichterungen gibt, oder zugeschanzte Aufträge. Doch ob Brasiliens Wirtschaft dadurch langfristig gewinnt?

Jair Bolsonaro, dem rechten Kandidaten bei der brasilianischen Präsidentschaftswahl, werden illegale Wahlkampfpraktiken vorgeworfen. (AFP/Archivos | Mauro Pimentel)
Jair Bolsonaro, dem rechten Kandidaten bei der brasilianischen Präsidentschaftswahl, werden illegale Wahlkampfpraktiken vorgeworfen. (AFP/Archivos | Mauro Pimentel)

Handel beruht auf dem Prinzip, dass alle Handelnden einen Gewinn davontragen. Wird einer benachteiligt, funktioniert der Handel langfristig nicht. Um dies zu verhindern, mag Handel klare Regeln und Transparenz. Heimliche Meuchelmorde in Konsulaten, Produktbetrug bei Autos, komische Prämientricks, das Aufbauschen von Gefahren (Feldzug!) und Verbreiten von Lügennachrichten gehören nicht dazu.

Es ist also an der Zeit, dass Firmenlenker langfristiger denken, nicht nur an den an der Ecke winkenden Auftrag. Autos wird es auch in 50 Jahren geben – also darf Volkswagen möglichst nachhaltige Fahrzeuge entwickeln. Saudi-Arabien, zumindest als Region, wird es auch noch in 50 Jahren geben – also darf sich Siemens als Partner aller 34 Millionen Einwohner andienen, und nicht nur einer Herrscherclique. Die brasilianische Gesellschaft will auch in 50 Jahren konsumieren und Produkte kaufen, da braucht es keine Verunsicherung durch Lügen.

Es geht auch anders

Es gibt zahlreiche Beispiele, die in eine andere Richtung zeigen. Da sind die jährlichen Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, die wenigstens versuchen, Umweltaspekte mit ihrem Handeln abzugleichen. Oder das jährliche Ranking der Organisation Ethisphere, welches zeigt, dass moralische Kompasse bei Firmen nicht auf den Geldbeutel drücken.

Telekom ist <span>Europas größtes Telekommunikationsunternehmen. (Bild: AP Photo)</span>
Telekom ist Europas größtes Telekommunikationsunternehmen. (Bild: AP Photo)

Die Telekom taucht zum Beispiel bei solchen Bewertungen auf, weil das Unternehmen Rechenzentren bündele, um Energie zu sparen, eine nachhaltige Lieferkette aufbaue und auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Lieferanten setze, und dabei all dies messbar mache. Oder die Schokoladenmarke Ritter Sport, welche auf soziale Standards bei der Wertschöpfungskette achte. Sogar ein Autobauer wie Ford schafft es in die Rankings von Ethisphere, weil der Konzern die Umweltbelastungen der Lieferantenkette programmatisch reduziere, langfristige Beziehungen anstrebe und dadurch Regeln durchsetze.

Es kann sein, dass solche Rankings geschönt sind, dass jedes ausgezeichnete Unternehmen an anderer Stelle sich schlecht verhält. Aber langfristig zahlt es sich aus, wenn wir alle weniger schurkig wären.

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