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Kommentar: Biden hat Trump besiegt - doch der Schaden ist bereits angerichtet

Joe Biden hat gewonnen. (Bild: Drew Angerer/Getty Images)
Joe Biden hat gewonnen. (Bild: Drew Angerer/Getty Images)

Ein Kommentar von Carlos Corbelle

Joe Biden hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen. Donald Trump will den Sieg nicht anerkennen und es wird vermutlich eine Weile dauern, bis Ruhe einkehrt. Doch nach jetzigem Stand ist eine Sache ganz simpel: Biden hat gewonnen und noch wichtiger: Trump hat verloren.

Damit neigt sich die Ära Trump endlich dem Ende. Die Welt und vor allem die USA haben seine Amtszeit überstanden ohne untergegangen zu sein. Ist ja schon mal was. Und schon bald wird es uns wie ein schräger, böser Traum vorkommen, dass mit Trump ein Narzisst im Weißen Haus saß, der die politische Bühne immer wieder dafür nutzte, sich selbst zu profilieren und ungeniert zu lügen. Die Trump-Show ist vorbei, der Letzte macht das Licht aus, es gibt nichts mehr zu sehen. Das Happy End einer großen Farce, nicht wahr?

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Nicht ganz, denn der Schaden ist bereits angerichtet - und er wird noch lange zu spüren sein.

Trump hat wie kaum ein anderer US-Präsident vor ihm das Vertrauen in die Demokratie erschüttert. In den Vereinigten Staaten von Trump wurde die Presse zum Feind des Volkes erklärt, Lügen zu "alternativen Fakten" umgedichtet und - erst kürzlich - faire und freie Präsidentschaftswahlen als Wahlbetrug hingestellt. Mit anderen Worten: Alles, was Trump nicht in den Kram passte, wurde kurzerhand so lange diskreditiert, bis auch seine Anhänger davon überzeugt waren, dass die Presse der Feind, Lügen die Wahrheit und Trump der eigentliche Sieger der diesjährigen US-Wahl sei. Trump hat die Lüge institutionalisiert und unters Volk gebracht - und so etwas kann man nicht so einfach rückgängig machen, ganz gleich wer der nächste Präsident ist.

Trump hat das Land verändert

Verschoben hat Trump auch das Machtverhältnis am Supreme Court, indem er während seiner Amtszeit Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett in den Obersten Gerichtshof beförderte, so dass dort nun eine konservative Mehrheit von 6 zu 3 sitzt. Was die auf Lebenszeit berufenen Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter dort entscheiden, kann das Land über Jahrzehnte hinweg prägen. Dass dort mit Barrett nun unter anderem eine erzkonservative und erzreligiöse Richterin sitzt, lässt angesichts einer ohnehin konservativen Mehrheit nichts Gutes ahnen, wenn es künftig um das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe, das Abtreibungsrecht oder eine Verschärfung von Waffengesetzen geht.

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Und das ist längst nicht alles. Trump hat nicht nur der religiösen Rechte und Konservativen, sondern auch Rechtsextremisten in den USA den Rücken gestärkt. Etwa, als er nach rassistischen Ausschreitungen in Charlottesville Neonazis mit Gegendemonstranten gleichsetzte: "Es gab auf der einen Seite eine Gruppe, die schlimm war, und es gab auf der anderen Seite eine Gruppe, die ebenfalls sehr gewalttätig war." Oder als Trump in der TV-Debatte gegen Biden den rechtsextremen "Proud Boys" zu verstehen gab: "Stand back and stand by" ("Haltet euch zurück und haltet euch bereit"). Später dann behauptete er, die "Proud Boys" gar nicht zu kennen - seiner Popularität bei Rechtsextremen tat das wohl keinen Abbruch, die fühlen sich durch die Worte im TV-Duell dennoch von oberster politischer Stelle bestärkt. Die Black-Lives-Matter-Bewegung, die gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert, kritisierte Trump dagegen, warf ihr vor, "extrem sozialistische" Ziele zu verfolgen.

Und nicht zuletzt hat Trump die Coronakrise verharmlost und durch sein Missmanagement dieser beispiellosen, weltweiten Pandemie-Krise dazu beigetragen, dass die USA so stark betroffen sind vom Virus wie kein anderes Land auf der Welt.

Biden muss das Land verändern

Mit diesem Scherbenhaufen muss Biden als neuer US-Präsident nun zurechtkommen. Er muss die durch Trump vorangetriebene Spaltung eines ohnehin zutiefst gespaltenen Landes zu überwinden versuchen und das wahrmachen, was er angekündigt hat: der Präsident aller Amerikaner zu sein. Die derzeitige Kluft zwischen dem Pro-Trump-Lager und dem Anti-Trump-Lager wird er während seiner Amtszeit wohl kaum verschwinden lassen können, aber er muss versuchen, sie wenigstens zu verringern. Und dann? Was kommt nach Biden? Eine entscheidende Frage, denn eines ist schon jetzt klar: Die eigentlichen Probleme der USA existierten schon lange vor Trump und werden auch während Bidens Amtszeit nicht einfach verschwinden. Der systemische Rassismus, die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, die Polarisierung der Gesellschaft. Und dann sind da noch die Herausforderungen, die immer drängender werden und vor denen auch die USA nicht die Augen verschließen können: der Klimawandel, die Folgen von Corona, der fundamentale Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung.

Angesichts dieser immensen Krisen und dem durch Trump nur noch mehr verschärften Vertrauensverlust in die etablierten Parteien, täte Biden gut daran, mit seiner Präsidentschaft den Weg für einen echten, gesellschaftlichen Wandel zu ebnen, den progressivere Kräfte seiner Partei, etwa der US-Senator Bernie Sanders oder die aufstrebende US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, schon länger fordern. Einen Wandel, der soziale Grundsicherung garantiert und durch einen ökologisch und ökonomisch sinnvollen Green New Deal das Land für die Zukunft rüstet, ohne diejenigen dabei zu vernachlässigen oder gar zu ignorieren, die beim harten, aber dringend notwendigen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft zu den wirtschaftlichen Verlierern zu werden drohen.

Joe Biden hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen und noch wichtiger: Donald Trump hat verloren. Ein Tag zum Aufatmen. Aber nur kurz.

Im Video: US-Medien: Biden gewinnt US-Präsidentschaftswahl