Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • Nikkei 225

    38.236,07
    -38,03 (-0,10%)
     
  • Dow Jones 30

    38.852,27
    +176,59 (+0,46%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.621,38
    -669,03 (-1,13%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.359,66
    +47,03 (+3,58%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.349,25
    +192,92 (+1,19%)
     
  • S&P 500

    5.180,74
    +52,95 (+1,03%)
     

Kramp-Karrenbauer liegt vorn – doch der Fanblock von Merz setzt auf Guerilla-Marketing

Im Rennen um die Merkel-Nachfolge liegt Annegret Kramp-Karrenbauer in der Gunst der Bürger derzeit vorn. Doch Friedrich Merz und Jens Spahn sind in Lauerstellung.

Der Wahlkampf um die CDU-Spitze ist eröffnet und damit auch das Schaulaufen der Kandidaten. Friedrich Merz präsentierte sich am Samstag bei seinem Kreisverband im Hochsauerland und flirtete danach per Zeitungsinterview mit den Grünen. Diese seien „sehr bürgerlich, sehr offen, sehr liberal und sicherlich auch partnerfähig“, sagte er der „Bild am Sonntag“.

Gesundheitsminister Jens Spahn brachte sich mit dem Vorschlag ins Gespräch, Kinderlose höhere Renten- und Krankenversicherungsbeiträge zahlen zu lassen – und erntete sofort heftigen Widerspruch von Gewerkschaften, Sozialverbänden und SPD-Sozialminister Hubertus Heil.

Annegret Kramp-Karrenbrauer hat den Rückhalt der Frauen Union der CDU, deren Vizechefin sie ist. Der Vorstand hat sich vergangene Woche einstimmig hinter ihre Kandidatur gestellt. Merz weiß um die Beliebtheit seiner Konkurrentin. Nach einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ wünschen sich 32 Prozent der Bürger die Generalsekretärin als Nachfolgerin Merkels an der Parteispitze; Merz kommt auf 30 Prozent, Spahn liegt abgeschlagen bei neun Prozent Zustimmung.

Er hoffe deshalb, dass Kramp-Karrenbauer für den Fall seiner Wahl weiter in der Partei „eine wichtige Aufgabe wahrnimmt“, sagt Merz beim Kreisparteitag in Arnsberg.

WERBUNG

Und Armin Laschet? Offiziell ist Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident aus dem Rennen, seit er erklärt hatte, dass er nur CDU-Bundesvorsitzender werden wolle, wenn der Posten auch an die Kanzlerschaft geknüpft ist. Diese Position verteidigte Laschet jetzt auch beim French German Business Forum in Paris: Die Konfiguration, Parteivorsitz und Kanzlerschaft zu trennen, mache es dem Regierungschef eines Landes wie Nordrhein-Westfalen sehr schwer, Führung zu übernehmen, sagte Laschet dem Handelsblatt. „Er müsste in Berlin die Ergebnisse der Großen Koalition vertreten und im Land eine Koalition mit den Liberalen haben.“ Das funktioniere für ihn so nicht.

Und wenn Parteivorsitz und Kanzlerschaft wieder zusammenfallen sollten? „Die Frage stellt sich jetzt nicht“, wiegelte Laschet einmal mehr ab – um dann aber hinterherzuschieben: „Irgendwann stellt sie sich vielleicht neu.“ Der Ministerpräsident hält es für möglich, dass die SPD angesichts ihrer desaströsen Umfragewerte zwischen 13 und 15 Prozent aus der Großen Koalition ausscheidet – zumal im Koalitionsvertrag für die Mitte der Legislaturperiode ja ohnehin eine Revision des bisher Erreichten geplant sei. Derzeit gelte aber die Aussage, dass Merkel bis 2021 Kanzlerin bleiben wolle.

Und wenn nicht? Neuwahlen könnten Laschets Chance sein. Denn sie würden auch den dann amtierenden CDU-Chef schwächen. Laschet war schon früh bei Treffen der sogenannten „Pizza-Connection“ dabei, einem Gesprächskreis aus Union und Grünen. Bei einer Neuauflage von Jamaika, einem Dreierbündnis der Union mit FDP und Grünen, könnte Laschet davon profitieren.

Bis dahin agiert er im Hintergrund, spricht mit den Kandidaten, lotet aus, wie die Stimmung in seinem Landesverband ist, der beim Bundesparteitag in Hamburg Anfang Dezember die meisten Delegierten stellt. Mit Merz und „AKK“, wie Kramp-Karrenbauer parteiintern genannt wird, könnte er gut leben. Dass er kein großer Fan von Spahn ist, ist auch kein Geheimnis.

Hofft Merz auf den Bruch der GroKo?

Friedrich Merz dürfte kaum auf einen langen Fortbestand der Großen Koalition hoffen. Denn je eher sie zerbricht, desto eher wäre für ihn der Weg ins Kanzleramt frei. Beim Kreisparteitag in Arnsberg hatte er am Samstag zwar noch einmal wiederholt, dass die Kanzlerin und er „fair, anständig und loyal“ miteinander umgehen würden. Doch glauben Beobachter nicht, dass das Gespann Merkel-Merz lange funktionieren kann.

Vor den rund 360 Delegierten aus dem Sauerland, die ihn am Ende nominierten, hat Merz am Samstag ein Heimspiel. Er stammt aus Brilon, nur knapp 40 Kilometer von der Schützenhalle entfernt, in der der Parteitag stattfindet. In Arnsberg hat Merz sein Anwaltsbüro, dort verwaltet er mit seiner Frau Charlotte seine Stiftung, die Schüler fördert. Seine Rede hält er, einen Tag vor seinem 63. Geburtstag, weitgehend frei, schaut selten aufs Manuskript.

Der Rückzug Merkels vom Parteivorsitz sei eine „Zäsur in der Geschichte unserer Partei“, ruft er den Delegierten zu, ein Einschnitt auch für Deutschland. Er will daraus eine Chance machen: „Wenn wir den Anspruch erheben, Volkspartei der Mitte zu sein, heißt es auch, zur Mitte hin zu integrieren.“

Merz kann auf viele Unterstützer zählen – und einen Fanblock, der offenkundig die Instrumente des Guerilla-Marketings nutzt. So sei eigens eine Gruppe von CDU-Mitgliedern aus Baden-Württemberg zum Nominierungsparteitag nach Arnsberg gereist, berichtet später Christian von Stetten, selbst aus Baden-Württemberg und Chef des Parlamentskreises Mittelstand im Bundestag.

Horst Seehofer könnte auch als Innenminister abtreten

Stetten gehört, wie weite Teile des Wirtschaftsflügels der Union, zu den engagiertesten Förderern von Merz. Er hatte dessen Bewerbung in den vergangenen Wochen mit vorbereitet und betätigt sich nun offenkundig als Spindoktor.

So betont Stetten, dass unter den Merz-Fans durchaus auch Arbeitnehmervertreter und Frauen gewesen seien – jene Gruppen also, auf die sich eigentlich Kramp-Karrenbauer verlassen kann.

Überhaupt will Merz die Union wieder zu größerer Geschlossenheit führen. „Es gibt nichts und niemanden, das wichtiger ist als die Fraktionsgemeinschaft aus CDU und CSU“ – jene Gemeinschaft, die noch vor Kurzem im Streit über die Flüchtlingspolitik vor dem Bruch stand. Wie es an dieser Front künftig weitergeht, ist offen. Während Merz am Sonntag seinen Geburtstag feiert, trifft sich CSU-Chef Horst Seehofer mit den mächtigen Bezirksvorsitzenden, um über die inhaltliche und personelle Zukunft der Partei zu sprechen.

Prominente CSU-Politiker wie Edmund Stoiber und Hans Michelbach hatten zuvor an Seehofer appelliert, sich nicht an sein Amt zu klammern. Die „Bild am Sonntag“ will aus dem Umfeld des CSU-Chefs erfahren haben, dass Seehofer sein Amt als Bundesinnenminister aufgeben will, wenn er nicht CSU-Chef bleiben kann. Mit einer Entscheidung wird spätestens am Dienstag gerechnet, nachdem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder an diesem Montag das Landeskabinett präsentiert hat.

Das Schaulaufen der CDU-Kandidaten geht ungeachtet dessen weiter. Diese Woche startet in Lübeck die erste der acht Regionalkonferenzen, dazwischen laden immer wieder CDU-Vereinigungen zu Vorstandsrunden oder öffentlichen Veranstaltungen. So findet am Freitag in Koblenz die Bundesvertreterversammlung der Kommunalpolitischen Vereinigung statt, eine Woche später laden Wirtschafts- und Arbeitnehmerflügel gemeinsam nach Königswinter.

Anständiger Umgang miteinander

Die Kandidaten hatten bei einem Treffen mit CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler zugesagt, anständig miteinander umzugehen, und die Regeln am Freitag beim ersten gemeinsamen Auftritt bei der Frauen Union gleich angewandt. So wurde etwa zu Beginn ausgelost, wer zuerst reden durfte.

In Lübeck und bei den anderen anstehenden Regionalkonferenzen soll jeder Kandidat zehn bis 15 Minuten reden, bevor dann ein Moderator die Fragerunde mit den Mitgliedern eröffnet. Bis zu drei Stunden sind jeweils insgesamt vorgesehen.

Es wird große Veranstaltungen mit Tausenden Gästen geben wie in Mainz, Böblingen und Düsseldorf, aber auch kleinere wie in Berlin, Bremen, Halle, Seebach und Lübeck. „Wir hoffen auf eine lebhafte Debatte“, heißt es im Planungsstab der Partei. Das Interesse sei sehr hoch, ebenso der Diskussionsbedarf. Am 30. November endet die Bewerbertour in Düsseldorf, eine Woche später beginnt der Bundesparteitag in Hamburg.

In der Partei zumindest verbinden sie eine große Hoffnung mit dem einmaligen Wahlverfahren, die auch die drei Kandidaten geäußert haben sollen: „Wir wollen Werbung machen für ein in die Krise geratenes Parteiensystem.“ Seit Freitag sind mit „AKK“, Spahn und Merz alle drei Kandidaten offiziell von ihren Kreis- oder Landesverbänden nominiert.

Mit weiteren Bewerbern für die Regionalkonferenzen rechnet die Partei nicht mehr. Wohl aber kann sich auf dem Bundesparteitag am 7. Dezember in Hamburg noch jemand melden, sofern er von einem Delegierten vorgeschlagen wird.