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Warum junge Frauen noch immer MINT-Berufe meiden

Die Metallbauerin Jasmin Sauer ist eine der Bundessieger im Leistungswettbewerb des Handwerks, die diesen Samstag von der Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, geehrt werden. Warum sie auf Metallbau kam, weiß die Fränkin, die in einer kleinen Schlosserei in Cadolzburg bei Fürth arbeitet, gar nicht so genau: „Ich war schon immer handwerklich interessiert, hab auch mal meinem Vater geholfen und wollte auf keinen Fall im Büro sitzen.“

Die 23-Jährige ist überzeugt: „Wenn Lehrer und Eltern Mädchen mehr ermutigen würden, würden sicher viel mehr einen technischen Beruf lernen.“ Doch Jasmin ist – auch 19 Jahre nach dem ersten Girls’ Day – noch immer eine Ausnahme. Lange galten Frauen als das aussichtsreichste Potenzial, um mehr Fachkräfte in den für die deutsche Wirtschaft essenziellen MINT-Berufen zu gewinnen – also den meist lukrativen und zukunftssicheren Jobs rund um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Allen Girls’ Days, Schnupperpraktika und Werbeaktionen zum Trotz werden Mädchen noch immer am liebsten Bürokauffrau, Arzthelferin oder Verkäuferin. Unter den 20 beliebtesten Berufen ist kein einziger aus dem gewerblich-technischen Bereich – obwohl dort meist schon in der Lehre besser verdient wird.

Und das Interesse sinkt sogar: Im Jahr 2005 hatten immerhin noch fast sechs Prozent der Frauen zwischen 30 und 34 Jahren eine MINT-Ausbildung – 2016 waren es nach dem jüngsten MINT-Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nur noch magere 2,6 Prozent (siehe Grafik). Die Gesamtzahl der MINT-Facharbeiterinnen ist von 2011 bis 2016 um gut fünf Prozent auf etwas über eine Million zurückgegangen – gegenüber acht Millionen Männern.

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Das Desinteresse der Frauen an Berufen wie Mechatroniker, Elektroniker oder Fachinformatiker – das sind die Spitzenreiter bei den Jungs – ist umso bedenklicher, da der Mangel an Facharbeitern im MINT-Bereich mittlerweile fast doppelt so groß ist wie bei Akademikern: Insgesamt fehlten im Oktober nach dem MINT-Herbstreport des IW 338.000 MINT-Fachkräfte – fast 70 Prozent davon Gesellen, Meister und Techniker und nicht mal ein Drittel Akademiker.

Andere Länder sind deutlich weiter: Nach Angaben der OECD, die das Feld etwas anders abgrenzt, hatte Deutschland zuletzt im technischen Bereich neun Prozent weibliche Ausbildungsabschlüsse – in der Schweiz sind es zwölf, in Österreich 13 Prozent.

Herren, die sich professionell mit der Suche nach MINT-Nachwuchs befassen, haben keine wirkliche Erklärung, warum sich die Frauen in Deutschland immer noch so wenig für die eigentlich attraktiven MINT-Jobs interessieren: „In der Tat hat sich die Beteiligung der Frauen nicht erhöht, sondern ist relativ konstant“, räumte der Bildungsexperte des IW, Axel Plünnecke, ein, als er am Montag die neue Rekordmangel-Marke bei den Technikberufen verkündete.

„Wir müssen da ganz neu denken“, meint der Vorstandsvorsitzende der Arbeitgeberinitiative „MINT Zukunft schaffen“, Thomas Sattelberger. Er fordert, schon bei zehn- bis 13-jährigen Mädchen anzusetzen „und die Stereotypen bei allen Beteiligten“ aufzubrechen – also bei Frauen und Arbeitgebern.

Die Mädchen selbst unterschätzen – im Gegensatz zu Jungen – schon in der 5. Klasse ihr Können in Mathematik und orientieren sich entsprechend, zeigen verschiedene Studien. „Hier wäre es wichtig, schon die Selbsteinschätzung der Mädchen frühzeitig zu stärken“, so Plünnecke.

Wahrscheinlich liegt es an „fehlenden Rollenvorbildern“, mutmaßt der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Michael Stahl. „Aber das ist ganz schwierig, da müssen wir dicke Bretter bohren, da bewegt sich fast nichts“, fügt er mit besorgter Miene hinzu.

Etwas besser als bei den Facharbeitern sieht es bei den MINT-Akademikerinnen aus – allerdings auch nicht wirklich gut. Die absolute Zahl der MINT-Akademikerinnen ist seit 2011 zwar kräftig um 30 Prozent auf 622 000 geklettert. Das jedoch ist vor allem auf die generelle Akademisierung zurückzuführen.

Ihr Anteil an der Berufsgruppe der Ingenieure/Naturwissenschaftler und Informatiker ist dagegen nur minimal von 20,2 auf 21,7 Prozent gestiegen. Bei den Studienabsolventinnen ist der Anteil in den letzten Jahren zwar wieder ein wenig auf zuletzt 30 Prozent gestiegen – doch vor zehn Jahren waren es immerhin schon mal fast 32 Prozent.

Und schaut man genauer hin, zeigt sich, dass „die Anteile in Biologie sehr hoch, in der Informatik, Elektrotechnik und im Maschinenbau aber sehr niedrig sind“, so Plünnecke. Die Frauen fehlen also genau dort, wo es die Engpässe gibt und die Gehälter hoch sind.

Die Sprecherin des Nationalen MINT-Forums, Nathalie von Siemens, sieht gar eine Rückwärtsentwicklung: „Unser Engagement für Mädchen und junge Frauen der vergangenen Jahre hat erste positive Wirkungen gezeigt, wie der Zuwachs bei den MINT-Akademikerinnen zeigt.“ Es sei aber nach wie vor eine große Herausforderung, Mädchen zu einer MINT-Berufswahl zu motivieren.

„Wir stecken immer noch zu stark in Stereotypen fest. Wir sind also alle gefragt, Mädchen und jungen Frauen die Chancen der MINT-Berufe deutlich zu machen“, sagt von Siemens. „Wir müssen ihnen zeigen, wie viel ihrer Kreativität, Neugier und gesellschaftlicher Verantwortung dort gefragt sind und dass sie entscheidende und innovative Beiträge gegen den Klimawandel, für die Gesundheit oder zum digitalen Wandel leisten können.“

Das gilt für Eltern, vor allem aber für die Schulen. Dort jedoch gibt es viel Biologie-Unterricht – auch weil dafür mehr Lehrer vorhanden sind – und vergleichsweise wenig Physik, Informatik und Technikunterricht. Es fehlt darum nicht nur an Fachwissen – sondern auch an Vorbildern, sagt Plünnecke.