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Großbritannien fürchtet Versorgungsengpässe

Die Isolation Großbritanniens ist eine Generalprobe für den No-Deal-Brexit. Sie erinnert daran, wie abhängig die Insel von europäischen Lieferketten ist.

Großbritannien fürchtet Versorgungsengpässe, nachdem mehrere EU-Staaten eine Corona-Quarantäne über das Land verhängt haben. Am härtesten trifft das Land die Entscheidung von Nachbar Frankreich: Präsident Emmanuel Macron machte am Sonntag um Mitternacht die Grenzen für Fähren, Züge und Flugzeuge aus dem Königreich dicht. Der Fährhafen Dover und der Eurotunnel stellten daraufhin den Betrieb für Personen- sowie begleitete Gütertransporte in Richtung Frankreich ein.

Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass die wichtigste Verbindung der Insel mit dem europäischen Festland fast vollständig unterbrochen ist. Täglich überqueren hier Zehntausend Lastwagen den Ärmelkanal. 20 Prozent aller in Großbritannien verkauften Güter kommen auf diesem Weg ins Land. Zudem verläuft über Dover auch die „Landbrücke“ zwischen Irland und der EU.

Zwar fahren weiterhin Güterzüge aus Frankreich nach Großbritannien. Auch dürfen Lastwagen weiter hinein ins Land, doch wird befürchtet, dass viele Spediteure ihre Fahrer nicht fahren lassen, wenn sie über Weihnachten auf der Insel feststecken.

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Nur wenige Spediteure seien bereit, ihre Fahrer ins Königreich zu schicken, wenn sie nicht zurückkehren können, warnte der britische Einzelhandelsverband. Die Zahl der Lieferungen dürfte daher deutlich zurückgehen.

Premierminister Boris Johnson hatte am Samstag ein verschärftes Kontaktverbot zu Weihnachten damit gerechtfertigt, dass sich eine neue, deutlich ansteckendere Coronavirus-Variante in Südengland breitmache.

Mit der scharfen Reaktion der Nachbarn hatte die Regierung aber offenbar nicht gerechnet. Die Einschränkung des Güterverkehrs sei überraschend gewesen, sagte Verkehrsminister Grant Shapps dem Sender Sky News.

Generalprobe für den No-Deal-Brexit

Der Verkehr über den Ärmelkanal war ohnehin schon im Ausnahmezustand, weil Großbritannien am 31. Dezember den europäischen Binnenmarkt verlässt. Seit Wochen stauen sich die Lastwagen vor den Häfen.

Das Transportvolumen hat sich vervielfacht, weil Unternehmen vor dem Brexit ihre Lager aufstocken. Die Corona-Quarantäne sei nun der „Hammerschlag“, sagte Rod McKenzie von der Road Haulage Association, dem britischen Speditionsverband.

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Die Isolation der Insel erinnert eindrücklich daran, wie abhängig Großbritannien von den europäischen Lieferketten ist. Der britische Premier Johnson muss nun zeigen, wie das Königreich die logistische Herausforderung bewältigt. Er beriet sich am Montag mit dem nationalen Krisenausschuss Cobra. Die britische und die irische Regierung hatten zuvor bereits alle Lastwagenfahrer aufgerufen, nicht zu den Häfen zu fahren.

Auf der Autobahn M20 vor Dover wurde die „Operation Stack“ gestartet: Dies bedeutet, dass die Autobahn zu einem gigantischen Lkw-Parkplatz umgewandelt wird. Die Schlange auf dem Standstreifen erstreckte sich schon mittags über 40 Kilometer. Als Ausweichparkplatz wird auch der ehemalige Regionalflughafen Manston in der Grafschaft Kent benutzt.

Supermärkte fürchten Engpässe bei frischen Lebensmitteln

Frankreich hat die Grenzen zunächst für 48 Stunden geschlossen. Frankreichs Verkehrsminister Jean-Baptiste Djebbari stellte am Montag eine baldige Öffnung in Aussicht. Sobald man sich im EU-Kreis auf neue Gesundheitsauflagen geeinigt habe, werde man den Verkehr aus Großbritannien wieder zulassen, twitterte er. Bei einer zweistündigen Diplomatenkonferenz in Brüssel gab es jedoch noch keine Einigung. Die EU-Kommission soll nun am Dienstag den EU-Regierungschefs Vorschläge machen.

Eine kurze Isolation könnten die britischen Unternehmen wohl aushalten. Da sie in Erwartung des Brexits ihre Lager aufgestockt haben, sind Produktion und Verkauf nicht unmittelbar gefährdet.

Eng könnte es jedoch werden, wenn der Warenverkehr länger eingeschränkt bleibt. Die Food and Drinks Federation (FDF) warnte vor Engpässen bei frischem Gemüse, das in dieser Jahreszeit vor allem aus Südeuropa kommt. Die Supermarktkette Sainsbury’s teilte mit, wenn sich an der Lage nichts ändere, könne es „Lücken“ bei Brokkoli, Salat und Zitrusfrüchten geben.

Auch die Just-in-time-Produktion in der Autobranche ist schnell gefährdet, wenn es zu Verzögerungen kommt. Honda und Jaguar Land Rover mussten kürzlich ihre Produktion bereits zeitweise stoppen, weil ihre Lieferungen auf Schiffen vor den überfüllten britischen Containerhäfen feststeckten.

Verkehrsminister Shapps räumte ein, dass es zu Störungen kommen könne. Auf die Verfügbarkeit des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer hätten die Grenzschließungen jedoch „keine Auswirkungen“. Dieser komme vor allem per Container ins Land, nicht per Lastwagen. Auch hatte die Regierung erklärt, notfalls Militärflugzeuge für die Impfstofflieferungen einzusetzen.

FDF-Chef Ian Wright forderte, die britische Regierung müsse Frankreich schnellstmöglich dazu bringen, die Grenzen wieder zu öffnen. Der Logistikverband Logistics UK schlug vor, ein Zentrum für Corona-Schnelltests einzurichten, bei dem Lkw-Fahrer sich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung abholen können.