Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 59 Minuten
  • Nikkei 225

    38.236,07
    -37,98 (-0,10%)
     
  • Dow Jones 30

    38.225,66
    +322,37 (+0,85%)
     
  • Bitcoin EUR

    55.442,51
    +1.940,81 (+3,63%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.282,66
    +5,69 (+0,45%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.840,96
    +235,48 (+1,51%)
     
  • S&P 500

    5.064,20
    +45,81 (+0,91%)
     

Indien feiert die große Trump-Show

Der US-Präsident und Indiens Premier versuchen sich an einer Neuordnung der schwierigen Beziehungen. Doch Spektakel statt Substanz dominiert den Gipfel

Der erste Indienbesuch des US-Präsidenten beginnt mit einem unerfüllten Versprechen. Sieben bis zehn Millionen Inder hätten ihm eigentlich direkt nach seiner Ankunft entlang der Straßen von Ahmedabad, der Hauptstadt von Gujarat, zujubeln sollen.

Das habe ihm Indiens Premierminister Narendra Modi jedenfalls zugesagt, sagte Donald Trump. In Wahrheit war die Begrüßung dann aber doch mehrere Nummern kleiner. In Indien vermutet man, dass womöglich ein Übersetzungsfehler für Trumps übertriebene Erwartungen verantwortlich war.

Es steht zu befürchten, dass es nicht das einzige unerfüllte Versprechen bleiben wird. Trump und Modi, beides talentierte Volkstribune, haben sich nichts Geringeres als eine Neuordnung der bilateralen Beziehungen beider Länder vorgenommen.

WERBUNG

„Einen großen Handelsdeal“, hatte Trump in Aussicht gestellt: „Wir werden ein sehr großes Geschäft mit Indien haben.“ Doch groß sind vor allem die Konflikte, die beide Länder miteinander auszutragen haben. Und so befürchten Experten, dass der Deal mit Indien zunächst vor allem ein symbolischer sein wird, der vor allem einen Zweck erfüllt: Er soll Trump dabei helfen, im November wiedergewählt zu werden.

Die Skepsis jedenfalls ist groß. „Beide Seiten haben zuletzt die Handelsbarrieren erhöht, nicht verringert“, sagt Jeff Schott, Handelsexperte vom Peterson Institute of International Economy in Washington. Trump forderte, dass Indien mehr Öl und Gas aus den USA kaufe und Handelshemmnisse im Agrarbereich abbaue, was aber kaum realistisch sei.

Es ist also das gleiche Muster wie im Falle Chinas. Auch mit der zweitgrößten Volkswirtschaft hat der US-Präsident einen Phase-1-Deal verabschiedet. Die eigentlichen Probleme, wie die staatlichen Subventionen Chinas, hat er in die zweite Phase der Verhandlungen verfrachtet, die erst nach der Wahl zum Abschluss kommen sollen.

So wie von China sehen sich die USA auch von Indien betrogen. „Wir werden nicht sehr gut behandelt“, sagte Trump. Indien sei der „Zollkönig“. Tatsächlich beträgt das US-Handelsdefizit mit der fünftgrößten Volkswirtschaft 23 Milliarden Dollar. Und das ist das einzige Kriterium, was aus Sicht Trumps zählt.

Modi weiß das – und hat alles Denkbare unternommen, den Präsidenten gnädig zu stimmen. Auch das Zahlenmissverständnis bei den jubelnden Indern kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Premier für seinen Gast ein regelrechtes Spektakel organisiert hat: Modi empfing Trump mit einer Umarmung in einem neuen Cricket-Stadion, das das größte der Welt werden soll, vor mehr als 100.000 Zuschauern. „Amerika liebt Indien“, verkündete Trump im Stadion. „Gäste sind wie Götter“, hatte Modi auf Twitter geschrieben.

Trumps 36-Stunden-Besuch auf dem Subkontinent inszenieren sowohl die Inder als auch die Amerikaner als große Show – obwohl oder vielleicht gerade weil die Handelsgespräche zuletzt ins Stocken geraten waren.

Bei seinem Auftritt im Cricket-Stadion revanchierte sich Trump für Modis Freundlichkeiten. „Jeder liebt ihn“, sagte er über den Politiker, der in Indien zuletzt wegen einer umstrittenen Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts mit Massenprotesten zu kämpfen hatte. „Indien ist jetzt ein wirtschaftlicher Riese“, sagte Trump.

Modi habe es geschafft, jedes indische Dorf an die Stromversorgung anzuschließen. Modis Glaube an eine freie Gesellschaft ermögliche eine großartige Freundschaft mit den USA. Er forderte Indien auf, die USA zum zentralen Partner in der Verteidigungspolitik zu machen. Die beiden Länder eint die Sorge über Chinas wachsenden Einfluss in Asien.

Auch Modi sprach von einem historischen Besuch: „Die Beziehung zwischen Amerika und Indien ist nicht länger nur eine gewöhnliche Partnerschaft.“ Vor dem Cricket-Stadion zeigten große Plakate Trump und Modi Seite an Seite. „Zwei dynamische Persönlichkeiten, ein monumentales Ereignis“, war darauf zu lesen.

Tatsächlich haben beide trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft – Trump ist Sohn eines Immobilienmilliardärs, Modis Vater verkaufte Tee am Bahnhof – einiges gemeinsam. Beide schrecken nicht davor zurück, mit populistischer Rhetorik gesellschaftliche Spaltungen zu befeuern. Beide glauben, dass sie ihren jeweiligen Ländern mit Protektionismus Vorteile verschaffen können: „America first“ heißt es bei Trump, „Make in India“ bei Modi.

Doch gerade dieser ökonomische Nationalismus ist es, der den Spielraum für nachhaltige Fortschritte begrenzt. Zuletzt erhöhten beide Seiten die Importzölle. Auch abseits der Importabgaben gibt es Streit: Die Amerikaner werfen Indien vor, E-Commerce-Anbieter wie Amazon und Walmart zu benachteiligen. Die Inder sorgen sich dafür um den Zugang heimischer Fachkräfte auf den US-Arbeitsmarkt.

Eine schnelle Lösung der Meinungsverschiedenheiten scheint vorerst nicht in Sicht. Sowohl Vertreter aus den USA als auch aus Indien verwiesen darauf, dass eine Einigung wohl kaum vor der US-Präsidentenwahl im November möglich ist. Allenfalls soll es einen Minideal analog zur Vereinbarung mit China geben.

Verkompliziert wird die Lage auch durch Streit über Modis Innenpolitik. Die Amerikaner sind über den Umgang von Modis hindu-nationalistischer Partei BJP mit religiösen Minderheiten besorgt. Trump will das heikle Thema laut US-Vertretern im persönlichen Austausch mit Modi ansprechen. Auch Modis Kaschmirpolitik, die den US-Verbündeten Pakistan erzürnt, stört das Verhältnis der beiden Staaten.

Dafür gibt es eine Einigung auf ein zweieinhalb Milliarden Dollar schweres Rüstungsgeschäft, das die Regierungschefs am Dienstag in Neu Delhi vorstellen wollen.
Für Trump, für den auch ein Treffen mit Vertretern von indischen und amerikanischen Unternehmen auf dem Programm stand, dürfte sich die Kurzvisite aber auch ohne wesentliche Verhandlungserfolge lohnen. Denn die Inder schenken ihm Bilder, mit denen er sich in der Heimat als gefeierter Staatsmann präsentieren kann.

Das kommt nicht häufig vor. „Wir lieben Trump“, skandierten Schulkinder. Schaulustige setzten Trump-Masken auf, schwenkten US-Fahnen. Der Jubel ist durchaus ernst gemeint: Laut einer Studie des Pew Research Centers ist die Beliebtheit Trumps in Indien gestiegen.

2016 sagten nur 14 Prozent der Inder, dass sie Trump in weltpolitischen Fragen vertrauen. Inzwischen sind es 56 Prozent. Dass er sich in dem Umfeld wohlfühlen würde, ahnte Trump offenbar bereits vor der Abreise. Er merkte an, nur eine Nacht in Indien zu verbringen, sei nicht gerade lang