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Immobilienbranche fürchtet Coronafolgen – Stimmung bricht ein

Der ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex erreicht ein neues Rekordtief. Vor allem Eigentümer von Bürohäusern sind beunruhigt: Sie erwarten sinkende Mieten.

In den vergangenen Jahren kletterten die Spitzenmieten dank starker Nachfrage. Wegen Corona droht die Trendwende. Foto: dpa
In den vergangenen Jahren kletterten die Spitzenmieten dank starker Nachfrage. Wegen Corona droht die Trendwende. Foto: dpa

Die Stimmung in der Immobilienbranche ist schlecht. Der ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex (ISI) fällt im zweiten Quartal 2020 auf ein Rekordtief von nur 16,5 Punkten. Im ersten Quartal hatte dieser Wert noch bei 39 Punkten gelegen. Die Coronakrise schlägt sich somit deutlich in der ersten Erhebung nach dem Lockdown nieder. Die Analyse liegt dem Handelsblatt exklusiv vor.

Viermal jährlich befragt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) die Geschäftsführer und Topmanager von 400 Immobilienunternehmen nach ihrer Lageeinschätzung und ihrem Ausblick. Die Ergebnisse der Befragungen werden per Saldenmethode zusammengeführt. Der Anteil der negativen Antworten wird vom Anteil der positiven Antworten abgezogen. Das Resultat wird in einer Skala von plus 100 bis minus 100 abgebildet.

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Besonders deutlich nehmen die Sorgen am Büromarkt zu, einem Segment, das im Vergleich zum Einzelhandel weniger direkt von der Coronakrise betroffen ist. Vor drei Monaten gingen noch drei von vier Befragten aus diesem Sektor davon aus, dass aufgrund des gesunkenen Leerstands die Mieten steigen würden, zwei Drittel erwarteten auch bei den Immobilienwerten einen Zuwachs. Dieses Bild hat sich gedreht. Heute rechnet mehr als jeder Zweite mit fallenden Mieten und nahezu die Hälfte mit fallenden Immobilienwerten.

Dabei finden Büroflächen durchaus neue Mieter: So verkündete etwa der Büroimmobilieninvestor Officefirst gerade, 4.100 Quadratmeter im Frankfurter Messeturm vermietet zu haben. Dennoch: Die großen Immobilienmakler rechnen mit einer deutlich gebremsten Nachfrage. Colliers International hatte Anfang Mai prognostiziert, dass die Leerstände in den Top-sieben-Städten lediglich auf 3,9 bis 5,5 Prozent steigen – und zugleich auf eine relativ stabile Entwicklung verwiesen.

Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), beschwichtigt beim Blick auf die Marktlage. Natürlich gehe die aktuelle konjunkturelle Entwicklung auch am Büroimmobilienmarkt nicht vorbei. „Wir sind aber weit davon entfernt, dass Büroflächen redundant werden. In vielen Städten herrscht aktuell ein dramatischer Büroflächenmangel“, sagt Mattner. Die aktuelle Entwicklung werde höchstens dafür sorgen, dass sich das Angebot-Nachfrage-Verhältnis wieder auf ein Normalniveau bewege.

Und doch bleibt der Ausblick auf die mittelfristigen Auswirkungen der Coronakrise auf die Nachfrage nach Büroflächen umstritten: „Typischerweise sind Büromärkte besonders anfällig für konjunkturelle Einbrüche, doch diesmal belasten zusätzlich auch strukturelle Verschiebungen den Markt“, erklärt Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte beim IW. Der Wunsch der Mitarbeiter nach mehr Homeoffice einerseits und der zunehmende Kostendruck in Unternehmen andererseits würden die Büronachfrage dauerhaft sinken lassen.

Dass diese Überlegungen stattfinden, zeigen Beispiele rund um den Globus, von Morgan-Stanley-Chef James Gorman, der über weniger Bürobedarf nach Corona spricht, über Twitter-Chef Jack Dorsey, der seinen Mitarbeitern schon dauerhaftes Homeoffice anbot, bis zum Deka-Vorstand Daniel Kapffer. Letzterer hält laut einem Bloomberg-Bericht eine 30-Prozent-Homeoffice-Quote in der Post-Corona-Welt für möglich.

Sinkende Mieten und Preise möglich

Für den Investmentliebling Büro – laut JLL entfielen 40 Prozent des Investmentvolumens von 91 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf den Sektor – sind das keine guten Vorzeichen.
Erst vor wenigen Tagen prognostizierte der Immobilienökonom Voigtländer in einer weiteren Analyse, dass die Spitzenmieten in diesem Jahr um fünf bis 23 Prozent zurückgehen könnten. Untersucht wurden insgesamt 19 Bürostandorte in Europa. In der Folge könnten die Immobilienwerte um 15 bis 47 Prozent einbrechen.

Voigtländer verwies auf die Erfahrungen aus vorherigen Krisen. 2008, mitten in der Finanzkrise, seien die Mieten in Mailand um vier Prozent, in Frankfurt um 14 Prozent, in Paris um 33 Prozent und in Dublin sogar um 47 Prozent gefallen. Anders als bei Wohnungen reagiere die Nachfrage nach Büros deutlich schneller auf wirtschaftliche Entwicklungen, sowohl in Auf- als auch in Abschwungphasen, erklärt Voigtländer.

Der Immobilienökonom scheint sich der Brisanz seiner Zahlen bewusst zu sein. Die Szenarien, die er entwickelt, seien mit Vorsicht zu genießen, räumt er selbst ein. Schließlich zeige er eine Korrelation zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und den Büromärkten auf, ohne dabei auf Leerstand oder Neubau einzugehen. Seine Analyse sei weniger eine genaue Prognose als vielmehr ein Szenario, das aufzeige, was den europäischen Büromärkten besten- und schlimmstenfalls bevorstehen könne.

Makler betonen zwar, dass die skizzierte negative Entwicklung am Markt noch nicht zu beobachten sei und die Preise stabil seien. Dass Corona und die daraus resultierende Wirtschaftskrise den Markt verändern, halten aber auch sie für wahrscheinlich.

Der Immobiliendienstleister JLL hat jüngst drei Szenarien aufgezeigt, in welche Richtung es gehen könnte: Die Spannbreite reicht von fast einem Viertel weniger Büronachfrage bis zu einem Plus von 14 Prozent. Als am wahrscheinlichsten nimmt JLL ein Szenario an, in dem mit 15 Prozent weniger Bürobeschäftigten vor Ort und zehn Prozent weniger Bürofläche gerechnet wird – mögliche Unternehmensinsolvenzen noch nicht einkalkuliert. Auch die DZ Bank rechnet damit, dass der Büroleerstand in der Krise um ein bis zwei Prozent steigen könnte.

Bereits jetzt bekommen die Profis die Konsequenzen zu spüren: Nur etwa jeder siebte Befragte im ISI sagt, dass er nicht von Mietstundungen betroffen ist. Immerhin jeder vierte erklärt, dass er stark betroffen ist – wohlgemerkt, im Büro- und nicht etwa im Einzelhandelssektor.

Der Handel leidet bekanntlich stark unter Corona, jedenfalls jenseits des Lebensmittelbereichs. Da überrascht es, dass gerade die Unternehmen aus diesem Sektor ihre Lage mit 41 Punkten am besten bewerten. Zum Vergleich: Der Wohnsektor, der am wenigsten mit Mietstundungen konfrontiert ist, kommt bei der Lagebewertung nur auf 27 Punkte.

Zuversichtliche Projektentwickler

Vermutlich sind die Einzelhandelsprofis einfach schon mehr gewohnt. Der strukturelle Wandel – immer mehr Verbraucher shoppen online – vollzieht sich hier schon seit Längerem. Von der Zukunft erwarten sich die Handelsprofis aber auch nicht viel, im Gegenteil: Fast drei Viertel rechnen mit fallenden Immobilienwerten.

Beim Blick in die Zukunft stechen vor allem jene hervor, die die Immobilien von morgen erst noch bauen: die Projektentwickler. Ihre Stimmung hat sich nur wenig getrübt. Nur sechs Prozent bezeichnen ihre Lage als schlecht. Mehr als die Hälfte rechnet mit einem stabilen Niveau bei den Vorvermietungen. Gerade einmal acht Prozent rechnen damit, dass sich die Zahl der Vorverkäufe verschlechtert.

Auch dafür findet Voigtländer vom IW eine Erklärung: „Gerade im Wohnungsmarkt dürfte die Lage weitestgehend stabil bleiben, da Wohnungen in den Ballungsräumen nach wie vor knapp sind. Daher dürften auch Projektentwickler weiterhin Aufträge erhalten.“