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Haften Ratingagenturen für ihre Urteile? Ehepaar klagt gegen US-Firma Scope

Die Ratingagentur Scope muss vor Gericht. Ein Ehepaar klagt wegen einer Bewertung auf Schadensersatz. Der Fall könnte Schule machen.

Kann eine Ratingagentur auf Schadensersatz verklagt werden, wenn sich ihre Bonitätseinschätzung für Anleihen als nicht korrekt herausgestellt hat? Diese Frage könnte im Fall einer Anleihe des Kreuzfahrtschiffs „MS Deutschland“ bald das Landgericht Berlin beantworten. Die Kanzlei Schirp & Partner kreidet der Agentur Pflichtverstöße und fehlerhaftes Rating an. Der Bonitätswächter selbst sieht indes keine Grundlage für eine Haftung.

Das nun klagende Ehepaar hatte sich 2012 nach eigener Aussage auf eine Bonitätseinschätzung von Scope verlassen. Die Anleger entschieden demnach, dass der Anbieter die Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen leisten kann – und investierten 20.000 Euro in eine Anleihe der „MS Deutschland“. Das Investment entwickelte sich jedoch zum Desaster.

Ratingagenturen spielen im Wirtschaftsleben eine wichtige Rolle. Sie bewerten die Kreditwürdigkeit von Staaten, Unternehmen und Wertpapieren und geben den Investoren damit wichtige Hinweise für die Einschätzung von Risiken. Schließlich sind Anleger kaum in der Lage, alle Informationen zu einem Asset selbst zu prüfen. Ratingagenturen kommt damit eine wichtige Rolle bei Anlageentscheidungen zu – liegen sie daneben, wird es problematisch.

Die „MS Deutschland“-Anleihe ist nicht der einzige Bond, der seinen Investoren Kopfzerbrechen bereitet. Viele deutsche Firmen haben in den vergangenen Jahren versucht, über eine sogenannte Mittelstandsanleihe den Kapitalmarkt anzuzapfen. Für Anleger endete das Engagement regelmäßig mit hohen Verlusten. Die Beratungsfirma Capmarcon schätzt das Volumen leistungsgestörter Mittelstandsanleihen auf 2,1 Milliarden Euro, was einem Drittel des platzierten Volumens entspricht.

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Das Schiff „MS Deutschland“ war lange der Inbegriff des luxuriösen Kreuzfahrtgeschäfts. Viele Fernsehzuschauer begleiteten ihre Reisen in der ZDF-Serie „Traumschiff“. Den schillernden Ruf machten sich die Eigner bei der Ausgabe des Bonds zunutze. Im Jahr 2012 begab die MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft eine 50 Millionen Euro schwere Anleihe, die mit 6,875 Prozent verzinst werden sollte.

Zuvor hatte die Firma die Ratingagentur Scope beauftragt, ein Rating zu erstellen. Der Bond erhielt ein A-Rating, die sechstbeste Einstufung von 20 möglichen. „Die Emission weist somit unter Rating- und Risikogesichtspunkten eine gute Qualität aus mit geringem Risiko“, heißt es in dem Scope-Bericht.

Keine Garantie für Richtigkeit

Doch bei diesem Gütesiegel blieb es nicht lange. Scope stufte im September 2013 die Anleihe von „A“ auf „BBB-“ zurück. Anders als bei der ersten Bewertung spielte bei der Herabstufung die schlechte wirtschaftliche Lage der Emittentin eine Rolle. Umsatz und Gewinn lägen weit unter den prognostizierten Werten, mit Liquiditätsengpässen sei zu rechnen, wurde die Ratingkorrektur begründet. Die Lage verschlechterte sich im Folgenden dramatisch. Anfang 2015 wurde über das Vermögen der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Geld der Anleihegläubiger war da bereits nahezu verloren.

Das klagende Ehepaar macht jetzt geltend, dass das vergleichsweise gute Scope-Rating entscheidend dafür war, die Anleihe zu zeichnen – und verlangt von der Ratingagentur Schadensersatz. Nach Auffassung von Scope, deren Interessen die Kanzlei Mayer Brown vertritt, ist diese Forderung nicht berechtigt: Scope habe auf die bestehenden Risiken hingewiesen und daher auch nicht die Bestnote vergeben, heißt es in der Klageerwiderung, die dem Handelsblatt vorliegt. Die Ratingstufe „A“ war allerdings bislang die beste, die einer Mittelstandsanleihe verliehen wurde.

Das Rating sei mit „größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen“ verfasst worden, schreiben die Scope-Anwälte. Dennoch garantiere es nicht für die Richtigkeit gemachter Angaben, Einschätzungen oder Mitteilungen in Verbindung mit dem Auftraggeber. Scope hafte nicht für Schäden, die durch Nachlässigkeit oder höhere Gewalt entstehen.

Schließlich sei die Klage auch deswegen abzuweisen, da ein Rating als Bonitätsbewertung den Charakter einer Prognose habe, „welche sich zwar ex post als unzutreffend erweisen kann, für deren rechtliche Beurteilung indes allein der Zeitpunkt der Abgabe maßgeblich ist“, argumentieren die Anwälte. Unter keinen Umständen stelle ein Rating eine Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder Halten bestimmter Emissionen dar.

Die Kanzlei Schirp & Partner des klagenden Ehepaars wirft Scope im Kern vor, falsche Maßstäbe verwendet zu haben. Das ursprüngliche A-Rating basierte auf der angeblich vollständigen Besicherung der Anleihe durch den Wert des Schiffs. Dieser wurde auf knapp 77 Millionen Euro geschätzt. Versichert war das Schiff allerdings nur mit knapp 43 Millionen Euro.

Allein diese Diskrepanz hätte im Fall eines Untergangs zu einem massiven Ausfall der Anleihe geführt, argumentieren die Verbraucheranwälte. „Die Ratingagentur hat schuldhaft einen falschen Eindruck von der Sicherheit der Anleihe vermittelt“, so Susanne Schmidt-Morsbach von der Kanzlei Schirp & Partner.

Möglicher Interessenkonflikt

Sie verweist zudem auf einen prinzipiellen Interessenkonflikt bei der Ratingagentur, weil ihr Rating vom Emittenten bezahlt wurde. Im Kern soll Scope nicht dafür haftbar gemacht werden, dass die MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft kurz nach der Emission Insolvenzantrag stellen musste. Der Vorwurf bestehe vielmehr darin, dass Scope bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ratings keinen Investmentgrade für die Mittelstandsanleihe hätte geben dürfen.

Da es sich um ein Auftragsrating handelte, könne sich Scope auch nicht darauf zurückziehen, ungenügende Informationen vom Unternehmen erhalten zu haben. „Aufgrund der Beauftragung des Ratings stand es der Beklagten frei, die aus ihrer Sicht erforderlichen Unterlagen anzufordern und einzusehen“, argumentieren die Anwälte.

Zudem sei vereinbart gewesen, dass das Rating eine „erste verbindliche Bewertung der Anleihe mit offiziellem Status“ sein sollte. Es sollte ausdrücklich auch im Wertpapierprospekt erwähnt werden. Für Anwältin Schmidt-Morsbach ist daher klar: „Wir klagen auf vollen Schadensersatz.“ Im Herbst will sich das Landgericht Berlin mit dem Fall beschäftigen.