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„Wir haben unser Urteil nicht auf Emotionen basiert“

Neun Stimmen hätten ausgereicht. Aber die zwölf Geschworenen in San Francisco verurteilten Bayer im vergangenen August einstimmig zu 289 Millionen Dollar Schadensersatz. Zwar senkte die Richterin die Summe für den krebserkrankten Hausmeister Dewayne Johnson später auf 78 Millionen Dollar, aber dem Aktienkurs von Bayer half das kaum.

Unter den Geschworenen war Bob Howard. Dem Unternehmer ist es wichtig, mit Vorurteilen aufzuräumen: Die Jury sei nicht inkompetent gewesen und erst recht keine Versammlung von Dummköpfen.

Herr Howard, wie erlebten Sie den Prozess?
Das war eine lebensverändernde Erfahrung. Es handelte sich offensichtlich um einen historischen Fall. Aber das war mir gar nicht so klar, als wir reingingen und die ganzen Journalisten gesehen haben. Als dann die Eröffnungsansprachen begannen, erkannte ich, worum es wirklich ging.

Wie war die Erfahrung mit den anderen Geschworenen?
Es war das erste Mal, dass ich für eine Jury ausgesucht wurde. Da werden Menschen zusammengewürfelt, die sich nicht kennen, und sie verbringen sechs intensive Wochen miteinander. Wir durften aber nie untereinander über den Fall reden oder auch nur irgendetwas kommentieren. Daran hat uns die Richterin mehrmals am Tag vor jeder Pause und am Abend gewarnt. Daher haben wir uns über unser Leben ausgetauscht. Zudem durften wir auch nicht mit unserem Therapeuten, Pfarrern oder Kindern über den Prozess sprechen und uns nicht informieren – auch nicht auf Google. Erst ganz am Ende, als wir das Urteil fällen mussten, durften wir untereinander den Fall diskutieren.

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Wie setzte sich die Jury zusammen?
Es waren viele intelligente Menschen dabei, mehrere mit Doktorabschlüssen, ein Molekularbiologe, ein Wirtschaftsprüfer, ein Umweltingenieur, ein Technologiejournalist und jemand, der die Recherchen für eine Anwaltskanzlei betreibt. Ich selbst habe eine Baufirma in San Francisco und bin Künstler. An der Uni habe ich Umweltanalyse studiert.

Wie emotional war das Ganze?
Sehr bewegend war natürlich die Zeugenaussage von Dewayne Johnson und seiner Ehefrau. Man sieht die beiden und denkt: Das ist eine Familie, die gerade durch die Hölle geht. Zu den gesundheitlichen Problemen kommen die juristischen Schwierigkeiten hinzu. Das war der einzige wirklich emotionale Moment. Monsanto hat den Johnson-Anwälten vorgeworfen, Emotionen im Gerichtssaal zu schüren. Aber das war nicht der Fall. Unser Urteil haben wir sehr rational gefällt.

Wie sind Sie zu Ihrem Urteil gekommen?
Wir sind sehr methodisch vorgegangen und haben den Prozess Revue passieren lassen, haben Aussage für Aussage in unseren Aufzeichnungen verglichen und überlegt, was sie bedeuten. Das Ganze haben wir dann auf riesige Zettel geschrieben, die wir an die Wand gehängt haben.

Was hat Ihnen das Gericht vorgegeben?
Wir hatten 17 Fragen bekommen, die wir beantworten mussten. Als die Schuldfrage geklärt war, haben wir den ökonomischen und nichtökonomischen Schaden festgesetzt. Dann ging es um die Strafzahlungen, was am schwersten war.

Wie stark wichen die Meinungen voneinander ab?
Es war alles einstimmig, bis auf die Strafzahlungen. Aber auch da ging es nicht um grundsätzliche Unterschiede. Da hatte ein Geschworener 200 Millionen Dollar statt 250 Millionen Dollar vorgeschlagen. Wir hätten das auch akzeptiert, aber die Person wollte sich der Mehrheit beugen.

Die Jury hatte den reinen Schadensersatz mit 39,25 Millionen Dollar und die Strafzusatzzahlungen mit 250 Millionen Dollar festgesetzt. Wie sind Sie auf die Summe der sogenannten „Punitive Damages“ gekommen?
Da war zum einen die Summe von 330 Millionen Dollar, die die Anklage gefordert hat. Der Anwalt hatte sie damit begründet, dass dies den Zinsen auf das Cash von Monsanto während der vierjährigen Krankheit von Johnson entspricht. Das klingt zwar gut. Aber es ist bedeutungslos. Wir haben auch diskutiert, die existenzbedrohende Krankheit von Johnson mit einer existenzbedrohenden Summe für Monsanto zu bestrafen. Doch das wäre enorm hoch gewesen – zu hoch. Also haben wir uns das Prinzip zu Herzen genommen, nach dem diese „Punitive Damages“ auch einen abschreckenden Charakter haben sollen, damit die Unternehmen so etwas in Zukunft nicht wieder tun. Auch das war nicht einfach festzulegen.

Unternehmensanwälte kritisieren gerne, dass Geschworene nicht in der Lage seien, komplexe Sachverhalte zu verstehen und zu beurteilen. Was sagen Sie nach Ihrer Erfahrung dazu?
Über diese Frage habe ich viel nachgedacht. Aber die Geschworenen können das durchaus. Unsere Jury ist von vielen Beteiligten als hochintelligent beschrieben worden. Wir haben sogar dem Gericht Fragen vorgeschlagen – viele davon kamen von unserem Molekularbiologen. Für mich war der Prozess eine Art Crashkurs in Toxikologie und Krebsstudien. Heute kann ich mir eine Studie anschauen und verstehen, was statistisch relevant ist und was nicht. Wir haben zu jeder Studie die Seite der Kläger und die von Monsanto gehört.

Und wie gefährlich ist Roundup?
Glyphosat ist nicht Plutonium. Es ist klar, dass es bei einer Gruppe von Menschen nur eine Handvoll gibt, die Krebs entwickeln – und nicht jeder. Die Monsanto-Anwälte konnten zwar Zweifel sähen. Aber ein Muster war klar zu erkennen.

Glauben Sie, dass das Urteil in der nächsten Instanz aufgehoben wird?
Ich glaube, dass es schwer ist, ein einstimmiges Jury-Urteil komplett umzustoßen. Wir haben Studien gesehen, die uns überzeugt haben, und die werden auch die Richter sehen. Wir haben unser Urteil nicht auf Emotionen basiert.

Bayer pocht darauf, dass es bislang keine wissenschaftlichen Studien gibt, die belegen, dass Roundup krebserregend ist.
Ich habe viele wissenschaftliche Studien gesehen, die statistisch relevante Daten enthielten, dass Roundup-Glyphosat das Risiko für ein Non-Hodgkin-Lymphom beim Menschen erhöht. Aber es war nicht Aufgabe der Jury, Beweise zu finden. Wir mussten schauen, ob es genügend Hinweise oder nicht dafür gab, dass das Mittel krebserregend ist. Und meiner Meinung nach gab es mehr als genug. Klar und überzeugend waren die Beweise für das unternehmerische Fehlverhalten von Monsanto.