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Gute Gehälter, hohe Flexibilität, Jobsicherheit: Wie Energie-Startups um Bewerberinnen buhlen

C-Level-Managerinnen von drei Energie-Startups: Anja Popp, Chief People Officer beim Ökostromanbieter Tibber, Dr. Sarah Müller, Chief Commercial Officer bei Zolar und Sandra Raßfeld ist Chief Strategy Officer bei Thermondo. (v.l.n.r.) - Copyright: Lisa Kempke
C-Level-Managerinnen von drei Energie-Startups: Anja Popp, Chief People Officer beim Ökostromanbieter Tibber, Dr. Sarah Müller, Chief Commercial Officer bei Zolar und Sandra Raßfeld ist Chief Strategy Officer bei Thermondo. (v.l.n.r.) - Copyright: Lisa Kempke

Rund 12,7 Millionen Menschen arbeiteten Ende 2021 weltweit in Jobs, die irgendetwas mit erneuerbaren Energien zu tun hatten. Das waren bereits 700.000 mehr als im Vorjahreszeitraum. 2030 könnten es rund 38,2 Millionen sein. Das geht aus einer umfassenden Studie der International Renewable Energy Agency (Irena) und der International Labour Organization (ILO) hervor, die im September 2022 veröffentlicht wurde.

Etwa zwei Drittel der weltweiten Öko-Energiearbeitsplätze befinden sich in Asien, 42 Prozent allein in China. Die gesamte EU beheimatet zehn Prozent der zuletzt knapp 13 Millionen Stellen im Energiesektor. Und auch Deutschland nimmt die Studie in den Blick. Die Autoren berufen sich auf vorläufige Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums, wonach 2021 rund 344.300 Menschen im Bereich erneuerbare Energie gearbeitet haben. Das sind weniger als vor etwa zehn Jahren, wo es mehr als 400.000 waren. Das war allerdings bevor die deutsche Photovoltaik-Industrie zusammengebrochen ist. Die in den Nullerjahren mit Fördergeldern aufgebaute Branche konnte mit den chinesischen Anbietern nicht mithalten. Der Trend, so die Verfasser der Studie, sei besonders aber im Bereich Solar nun wieder klar aufwärts: Hier entstehen derzeit etliche neue Jobs, 2021 sind 19.000 neue Solar-Arbeitsplätze dazugekommen.

Der erneuerbare Energiesektor ist – 2023 ist das nichts Neues – ein Boomsektor. Klimawandel und Energiekrise treiben den Bedarf an nachhaltigen Alternativen nach oben, Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten und so ergeben sich in dieser Branche eine ganze Menge attraktive Jobs. Auf dem Stellenportal Stepstone etwa liefert der Suchbegriff „erneuerbare Energie“ zurzeit mehr als 11.000 Treffer.

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Nur: Was sind das für Jobs? Was muss man können? Wie viel verdient man in der Öko-Energiebranche? Und: Ist das nicht eine Männerdomäne? Definitiv nicht. Das sagen diese folgenden drei Managerinnen nicht nur, das beweisen sie direkt selbst mit ihren Lebensläufen.

Sandra Raßfeld ist Chief Strategy Officer bei Thermondo. Das Startup, das Philipp Pausder, Kristofer Fichtner und Florian Tetzlaff 2013 gegründet haben, gehört mittlerweile zu Deutschlands größten Heizungsinstallateuren mit über 30.000 Heizungswechseln in Ein- und Zweifamilienhäusern. Bevor Raßfeld vor fünf Jahren zu Thermondo kam, war die WHU-Absolventin erst Beraterin und später mit dem Aufbau des Startups Helpling befasst.

Dr. Sarah Müller ist seit April 2021 Chief Commercial Officer bei Zolar, einem Berliner Climate-Tech-Startup, das einfachen und digitalen Zugang zu Photovoltaik für Hausbesitzer verspricht und dafür Millionen von namhaften Investoren bekommen hat. Sie war zuvor sechs Jahre Geschäftsführerin beim Jobvergleichsportal Kununu.

Und zuletzt Anja Popp, Chief People Officer beim Ökostromanbieter Tibber. Die studierte Sozialpädagogin mit Fokus auf Psychologie war zuvor Personalerin bei King, der Firma hinter dem Handyspiel Candy Crush.

Gründerszene hat sich mit den drei Frauen getroffen, um über Job-, Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten in Erneuerbare-Energie-Startups zu sprechen.

Für das Gespräch kamen die Energie-Managerinnen in das "Handwerker-Studio" von Zolar in Berlin-Kreuzberg. - Copyright: Lisa Kempke
Für das Gespräch kamen die Energie-Managerinnen in das "Handwerker-Studio" von Zolar in Berlin-Kreuzberg. - Copyright: Lisa Kempke

Frisch von der Uni und Lust, „irgendetwas mit Klimawandel“ zu machen – kriege ich bei euren Startups einen guten Job?

Anja Popp (Tibber): Aus meiner Sicht schon, ja.

Was muss ich dafür können?

Anja Popp (Tibber): Als Tech-Unternehmen, als das wir uns mit Tibber verstehen, suchen wir im Moment – und immer – natürlich Entwickler. Dabei kämpfe ich vor allem mit den Hürden, die es gibt, wenn man Arbeitskräfte aus dem Ausland beschäftigen will. Und das verstehe ich nicht: Gerade in diesem Bereich, etwa bei den Data Scientists, gibt es weniger Menschen, die das hier in Deutschland lernen, als offene Stellen. Also ist doch klar, dass ich jemanden von anderswo her holen muss. Was ich dabei suche, sind also Leute, die zum Beispiel Mathe und Informatik studiert haben. Wobei das eigentlich nicht entscheidend ist.

Sondern?

Anja Popp (Tibber): Ich finde es wichtiger, dass man während des Studiums offen ist, unterschiedliche Praktika zu machen und offen zu sein für Opportunitäten. Der Deutsche mag es gern stringent, alles ist hier eine Ausbildung, sogar Käse verkaufen. Aber es entstehen so viele neue Jobs unter anderem im Bereich erneuerbare Energie – die kann man nicht alle gelernt haben.

Sarah Müller (Zolar): Dem stimme ich absolut zu. Ich glaube, gerade Absolventinnen machen sich viel zu viele Sorgen, ob sie einen Job finden und optimieren ihre Lebensläufe von vorn bis hinten. Dabei muss das nicht sein. Klar, man muss seinen Einstieg in die Geschäftswelt finden. Aber dann? Dann kann man auch mal etwas Neues ausprobieren. Der Bereich der erneuerbaren Energie und das Solar-Business sind ein Riesenwachstumsmarkt. Hier muss man sich keine Gedanken machen, ob es das Startup, in dem man anfängt, in einem Jahr noch gibt. Unsere Reise fängt gerade erst an. Und als Frau kann man die Branche noch mitprägen.

Anja Popp, Chief People Officer beim Ökostromanbieter Tibber. - Copyright: Lisa Kempke
Anja Popp, Chief People Officer beim Ökostromanbieter Tibber. - Copyright: Lisa Kempke

Und was verdient man in der Branche?

Anja Popp (Tibber): Jobs in unserer Branche sind natürlich finanziell sehr attraktiv. Es ist offensichtlich ein Wachstumsmarkt, für den wir unheimlich viele Leute brauchen und die Gehälter schrauben sich entsprechend nach oben. Wir reden über 50.000 bis 60.000 Euro für Einstiegsgehälter, natürlich abhängig von dem Bereich, in dem jemand anfängt. Wir haben neulich eine große Gehaltsanalyse gemacht, und sehen, dass Tech-Berufe, wie es sie bei uns auch gibt, mit 90.000 bis 100.000 Euro vergütet werden.

Sarah Müller (Zolar): Wir haben unlängst Gehaltsbänder eingefügt, um das Thema Gehalt für alle transparent zu gestalten.

Sandra Raßfeld (Thermondo): Bänder sind richtig und wichtig. Sie nehmen den Bias aus dem Thema Gehälter. Denn ich stelle bei Einstellungsgesprächen häufig fest, dass Frauen weniger verlangen als Männer. Vielleicht liegt das daran, dass Frauen weniger oft in ihrem Umfeld über Gehälter sprechen als Männer. Deshalb ist vielen nicht bewusst, mit welchen Zahlen sie in eine Gehaltsverhandlung gehen könnten. Genauso, wie Frauen oft der Mut fehlt, bei der Bewerbung auf einen neuen Job zu sagen: ‚Ich kann das noch nicht, aber ich probiere das einfach mal aus‘. Das ist stereotyp, aber entspricht leider meiner Beobachtung.

Sarah Müller (Zolar): Es gibt doch sogar Studien, die das zeigen: Männer bewerben sich schon ab 70 Prozent Übereinstimmung der eigenen Skills mit den Anforderungen der Ausschreibung, Frauen erst ab 90 Prozent.

Nun seid ihr in Positionen, in denen ihr etwas ändern könnt. Wie macht ihr eure Branche – die männerlastig ist – für Frauen attraktiver?

Sarah Müller (Zolar): Ich nehme an verschiedenen Mentorinnen Programmen teil, zum Beispiel  an der Uni Hamburg und für the Female Factor. Hier mache ich Studentinnen und Berufseinsteigerinnen Lust, sich auf Jobs zu bewerben, die ihnen nicht direkt eingefallen wären.

Sandra Raßfeld (Thermondo): Ja, Mentoring mache ich auch. Und ich versuche ganz bewusst, Frauen aus meinem Netzwerk zu fördern. Netzwerke sind einfach wichtig, versuchen wir auch innerhalb der Firma aufzubauen.

Sandra Raßfeld, Chief Strategy Officer bei Thermondo. - Copyright: Lisa Kempke
Sandra Raßfeld, Chief Strategy Officer bei Thermondo. - Copyright: Lisa Kempke

Inwiefern?

Sandra Raßfeld (Thermondo): Dass man sich unter Kolleginnen öfter mal austauscht, aufeinander zugeht und fragt, wie man sich unterstützen kann. Und: Selbst ein Vorbild zu sein und sich dessen bewusst zu sein, das ist meiner Meinung nach auch ein starkes Mittel, etwas zu bewegen. Das heißt für mich: Ich habe zwei Kinder und arbeite Vollzeit. Trotzdem hole ich an einem Tag der Woche die Kids aus der Kita ab. Und das verstecke ich in meinem Kalender auch nicht, da ist ein fetter Blocker drin ab 15 Uhr. Das muss möglich sein.

Anja Popp (Tibber): Das ist interessant: Bei uns ist das gar kein Thema, wenn jemand an bestimmten Tagen um 15 Uhr geht. Selbst unsere skandinavischen Gründer leben es vor und sagen: Ab 17 Uhr habe ich die Kinder. Das ist genau das Thema Role Model, was ich meine.

Sandra Raßfeld (Thermondo): Ja, Role Models sind besser als Quoten. Mein eigenes Vorbild in dieser Beziehung ist übrigens mein Mann. Der geht noch viel entspannter damit um, wenn er früher gehen muss. Das ist mein Tipp an alle Frauen. Überlegt einfach öfter mal: Was würde ein Mann jetzt machen? Hätte der ein schlechtes Gewissen? Würde der sich entschuldigen? Nö. Wichtig ist nur, dass man sich nicht mit kinderlosen Männern oder sich selbst mit Anfang Zwanzig vergleicht.

Sarah Müller (Zolar): Ich ermutige zum Beispiel gerade Mütter, sich für einen Job bei uns zu entscheiden, indem ich immer wieder sage: Wir finden flexible Lösungen. Ich kenne viele Mütter im Freundeskreis, die in Teilzeit arbeiten, nur um zwischen 15 und 16 Uhr ihre Kinder abholen zu können. Abends, wenn die dann im Bett sind, machen sie trotzdem noch etwas für die Arbeit. Oder sie starten besonders früh, sodass man, wenn man ehrlich wäre, sagen müsste, dass sie Vollzeit arbeiten. Ich möchte solchen Frauen die Möglichkeit geben, das auch entsprechend vergütet zu bekommen. Dafür bedarf es mehr Flexibilität und die muss offen kommuniziert werden: Wenn du an drei Tagen um 15 Uhr gehst, und abends noch was machst, ist das OK. So sind schon einige Frauen in Teilzeit gestartet und haben dann gesagt: Ich gehe jetzt auf Vollzeit und lasse mir die Stunden, die ich abends noch arbeite, bezahlen.

Anja Popp (Tibber): Flexibles Arbeiten und wirklich „output-driven“ zu sein, ist wichtig. Mitarbeiterinnen müssen wissen: Für das Unternehmen ist es egal, ob jemand vier oder acht Stunden an seiner Aufgabe saß – wenn sie am Ende fertig ist.

Sandra Raßfeld (Thermondo): Das finde ich auch ganz wichtig, dass das genau so gesehen wird. Denn: Ich schalte ja den Kopf nicht aus, wenn ich mein Büro verlasse. Ich höre vielleicht trotzdem einen Business-Podcast beim Joggen oder entwickle eine Idee weiter, während ich auf dem Spielplatz sitze. Das muss gesehen werden.

Anja Popp (Tibber): Und was in diesem Zusammenhang auch noch wichtig ist: Man muss auch den Männern im Unternehmen immer wieder sagen: Dein Job wird nicht gefährdet, wenn du mal Teilzeit machst. Und umgekehrt kann man die ja auch mal fragen: Wer holt eigentlich dein Kind immer um 15 Uhr ab?

Dr. Sarah Müller, Chief Commercial Officer bei Zolar. - Copyright: Lisa Kempke
Dr. Sarah Müller, Chief Commercial Officer bei Zolar. - Copyright: Lisa Kempke

Wie ist die Relation Männer-Frauen in euren Unternehmen aktuell?

Sarah Müller (Zolar): Wir sind in den vergangenen anderthalb Jahren auf 430 Leute gewachsen und haben jetzt einen Frauenanteil von 35 Prozent. Aber volle Transparenz: Wir haben zwar zunehmend mehr Mitarbeiterinnen in Sales und Tech, aber immer noch weniger als im Marketing oder Kundensupport. Ich bin damit nicht zufrieden – denn zu sagen, es gäbe keine Frauen in diesen Bereichen, ist mir zu einfach. Klar, bei unseren Handwerkern und Elektrikern – Haken dran, da ist das leider so. Da muss das Thema Ausbildung erstmal attraktiv werden. Aber manchmal muss man eben härter suchen und ein paar Schleifen mehr gehen.

Anja Popp (Tibber): Allerdings entscheidet oft der Zeitfaktor. Es fehlt die Zeit, länger nach der einen Frau zu suchen. Und mehr Frauen „verfügbar“ zu machen, fängt eigentlich ja schon im Kindergarten an. Da muss man Mädchen vielseitig begeistern. Eine andere Möglichkeit wäre, flexibler zu sein, wo wir die Mitarbeitenden bzw. die Frauen einstellen. Wenn wir sie für unser deutsches Team nicht in Berlin, also an unserem deutschen Standort finden, warum nicht die Suche erweitern, indem man zum Beispiel ermöglicht, remote von woanders aus zu arbeiten.

Sandra Raßfeld (Thermondo): Das stimmt vermutlich, ich habe mich auch schon oft gefragt, warum es so schwer ist, Frauen für bestimmte Positionen zu finden. Gerade im Management. Woran liegt das? Ich kann‘s nicht sagen, weil ich in meiner Karriere fast nie mit Frauen gearbeitet habe. Traurig genug! Das fing aber schon damit an, dass wir im Studium an der WHU nur 20 Prozent Frauen waren. Allerdings: In den aktuellen Jahrgängen sind es immerhin schon 50 Prozent.

Habt ihr als Frauen in den Führungspositionen von eher männlich besetzten Firmen auch mal schlechte Erfahrungen gesammelt?

Sandra Raßfeld (Thermondo): Das Gefühl, der bunte Hund zu sein, gehört irgendwie dazu. Das kenne ich schon aus meiner Zeit als Beraterin. Nicht selten habe ich einen Vortrag vor den Mitarbeitern einer Firma gehalten und habe gespürt, dass alle im Raum darauf warten, dass der "richtige" Berater kommt und es dann losgehen kann.

Sarah Müller (Zolar): Was ich in diesem Bereich erlebt habe,  ist keine schlechte, aber eine meiner lustigsten Erfahrungen: Auf der Weihnachtsfeier wurde ich von einem unserer Monteure gefragt, ob ich denn die Frau vom Chef sei. Für den war einfach klar: Wer hält die Ansprache auf einer Firmenfeier? Wenn nicht der Chef, dann doch wohl seine Frau. Aber die Situation ließ sich aufklären und ich konnte sehr darüber lachen. Etwas ernster finde ich das: Manchmal werde ich in klassische Frauenrollen gedrängt: Ich sollte mich um das Soziale im Team kümmern, die Events, Teambuilding-Maßnahmen. Das mache ich dann häufig auch, weil das meinem Naturell entspricht. Aber man sollte in solchen Situationen darauf achten, dass das nicht klischeemäßig passiert.

Sandra Raßfeld (Thermondo): Absolut! Ich finde es deshalb wichtig, sich der Stereotype bewusst zu sein und sich zu überlegen, wie man reagieren will, wenn so etwas passiert. Und wenn gefragt wird, wer Protokoll schreibt, kann man auch ganz bewusst nicht „Hier!“ schreien.