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„Ist der Deutsche damit zufrieden, in einem vor sich hin gammelnden Land zu leben?“

Martin Richenhagen, Chef des global tätigen Traktorenherstellers AGCO, hat den Stau bei Investitionen und Reformen in Deutschland beklagt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass Deutschland eine anpackende, effektive Regierung mit einer Vision hat“, sagte Richenhagen dem Handelsblatt. Die Regierung müsse sich die Frage stellen, ob es besser sei, „eine Mütterrente zu finanzieren oder Straßen und Brücken so zu reparieren, dass man zuverlässig auf ihnen fahren kann“.

Der in den USA lebende Spitzenmanager ging auch mit dem Führungspersonal der Parteien hart ins Gericht. „Der CDU hätte ein Parteivorsitzender mit mehr Wirtschaftskompetenz gut getan“, kritisierte er mit Blick auf die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin von Angela Merkel. „Ich befürchte, dass die neue Parteichefin möglicherweise genauso wenig visionär ist wie ihre Vorgängerin.“

FDP-Chef Christian Lindner warf er vor, von Wirtschaft keine Ahnung zu haben. Auch der Haushaltsstreit in Washington, der seit dreieinhalb Wochen die US-Verwaltung lähmt, bereit ihm Sorge: „Man wird sehen, wie lange sich die Leute diese Art der Politik noch bieten lassen.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

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Herr Richenhagen, Sie haben das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen bedauert. Jetzt ist alles wie gehabt, die Große Koalition regiert weiter. Wie bewerten Sie ihre Arbeit?
Ich habe nicht den Eindruck, dass Deutschland eine anpackende, effektive Regierung mit einer Vision hat. Die Koalition macht so einen „Okay-Job“ – keine Katastrophe, aber viele Dinge werden viel zu langsam angegangen. Wir reden seit Langem über Digitalisierung, jede Partei hat das in ihrem Programm stehen, aber passiert ist nichts. Der CDU hätte ein Parteivorsitzender mit mehr Wirtschaftskompetenz gutgetan. Ich befürchte, dass die neue Parteichefin möglicherweise genauso wenig visionär ist wie ihre Vorgängerin.

Von den Reformen der Großen Koalition halten Sie nichts?
Die Regierung muss sich die Frage stellen, ob es besser ist, eine Mütterrente zu finanzieren oder unsere Straßen und Brücken so zu reparieren, dass man zuverlässig auf ihnen fahren kann. Ist der Deutsche damit zufrieden, in einem langsam vor sich hin gammelnden Land zu leben?

Würden andere Parteien es besser hinbekommen?
Früher hat man eine Partei gewählt und man wusste, da steht ein Inhalt dahinter. Heute entscheidet sich das mehr nach dem Ergebnis von Umfragen – und ich glaube, das ist das Problem. Es kann nichts dabei herauskommen, wenn täglich die Meinung geändert werden kann.

Wünschen Sie sich als Unternehmer eine wichtigere Rolle für die FDP?
Die Liberalen waren einmal eine vernünftige Alternative, die hat man aufgrund ihrer wirtschaftlichen Kompetenz gewählt. Jetzt sitzt da so ein kleiner, vorlauter Schwätzer, der von Wirtschaft keine Ahnung hat und meint, weil er sich nicht rasiert, sei er modern.

Bleiben wir sachlich: Sind die Grünen der FDP in puncto Wirtschaftskompetenz überlegen?
Das kann ich im Einzelnen nicht beurteilen. Aber die Ernsthaftigkeit, mit der sich die Grünen mit Wirtschaft befassen, hat für mich mehr Qualität als das, was die FDP sagt.

Andere Länder sind noch schlechter dran. Die Briten etwa. Wie geht es im Brexit-Drama weiter?
Wenn ich das wüsste. Sollte es zu einem harten Brexit kommen, würde das jedenfalls auch uns betreffen. Uns gehört in Deutschland der Traktorhersteller Fendt. Wir befürchten, dass es zu Lieferengpässen und Produktionsverzögerungen kommt, weil Fendt Felgen aus Großbritannien bezieht.

Schauen Sie sich nach Ersatz um?
Da, wo wird das können, ja. Aber es kommen nicht viele Hersteller in Betracht. Wer behauptet, die Probleme des Brexits seien einfach zu lösen, hat keine Ahnung.

Nicht nur in London geht nichts voran. In Washington geht der Verwaltungsstillstand in die vierte Woche. Fürchten Sie, dass Präsident Trump die Konjunktur abwürgt?
Negative Folgen hat die Haushaltssperre gewiss, vor allem für die Landwirtschaft. Die Betriebe haben ja ohnehin schon mit dem Handelskonflikt mit China zu kämpfen. Die Regierung hat daher Ausgleichs‧zahlungen versprochen, die jetzt nicht fließen können. Das bedeutet, dass die Landwirte weniger investieren.

Hat sich der Präsident verrannt?
Es ist ausgesprochen ungewöhnlich, wie er agiert. Jetzt gibt es die ersten Demonstrationen. Man wird sehen, wie lange sich die Leute diese Art der Politik noch bieten lassen.

Warum stehen die Bauern immer noch hinter Trump?
Trump hat sich im Wahlkampf für die ländlichen Gebiete Amerikas starkgemacht. Dort wohnen Leute, die zuverlässig konservativ sind und denen gefiel, dass Trump mal ordentlich auf den Tisch gehauen hat.

Gibt es überhaupt noch Stimmen der Vernunft im Kabinett?
Vereinzelt gibt es noch ordentliche Leute. Aber richtig ist: Trump fällt es immer schwerer, gute Kandidaten für sein Kabinett zu finden.

Wird es gelingen, den Handelsstreit mit China zu deeskalieren?
Die Sache ist schwer zu durchschauen, weil es ständig widersprüchliche Meldungen gibt. Trump meldet einen Erfolg, und ein paar Stunden später heißt es aus Peking: stimmt nicht. Dieser Konflikt hat großen Schaden angerichtet. Die Chinesen, die jetzt ihre Soja-Bohnen aus Brasilien kaufen, kommen so schnell nicht wieder zurück. Da werden langfristige Geschäftsbeziehungen geknüpft.

Wie ist Ihr Unternehmen betroffen?
Wir haben ein Werk in China, in das wir ungefähr 400 Millionen Dollar investiert haben. Wir stellen dort Traktoren, Getriebe und Achsen her. Diese können wir in Amerika jetzt nicht mehr verkaufen, weil sie mit einem 25-Prozent-Zoll belegt wurden.

Macht Trump mit seinem Protektionismus die Wachstumsimpulse seiner Steuerreform zunichte?
Es fehlt jedenfalls nicht mehr viel.

Hält zumindest der Waffenstillstand mit der EU?
Bisher ja, aber es wäre falsch zu meinen, man könnte das einfach aussitzen. Die EU muss da aktiv ran und sich verhandlungsbereit zeigen.

Sie agieren in einem Zukunftsmarkt: Die Weltbevölkerung wächst, die landwirtschaftliche Produktion muss steigen, und das bei tendenziell sinkender Anbaufläche. Klappt das?
Technisch ist das überhaupt kein Problem. Wir sind da optimistisch: Es gibt keine Industrie, die ähnliche Produktivitätssteigerungen aufweist wie die Landwirtschaft.

Anbauflächen gibt es genug?
Es gibt große Reserven an Ackerflächen in Gegenden, die heute noch weitestgehend unbearbeitet sind. Afrika gehört dazu, auch Russland und die Ukraine. Übrigens auch Brasilien. Mal abgesehen von den Regenwäldern, die nicht angetastet werden sollten, gibt es in dem südamerikanischen Land jede Menge Buschland, wo Landwirtschaft möglich ist. Ich finde aber, man müsste viel stärker überlegen, wo was produziert wird.

Und der Klimawandel?
Ja, es gibt den Klimawandel, und er hat auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft – aber unterm Strich gleicht sich das aus. Es gibt ja auch Gegenden, in denen man vom Klimawandel profitiert.

Profitiert die Branche von der Digitalisierung?
Auf jeden Fall. Die Landwirtschaft ist schon heute der Automobilwirtschaft überlegen. Unsere Fahrzeuge fahren fast alle autonom, was auf dem Acker natürlich auch einfacher ist als im Straßenverkehr. In naher Zukunft werden wir so weit sein, dass beispielsweise auch der Spargel vom Roboter geerntet wird.

Die Bauern in Afrika werden momentan so hoch technisierte Fahrzeuge kaum finanzieren können.
Bei den großen Betrieben läuft es nicht anders als in den Industrieländern, das sollte man nicht unterschätzen. Aber klar: Es gibt die Herausforderung, den vielen kleinen Farmern zu helfen, ihre Betriebe zu mechanisieren.

Eine Herausforderung ist auch der steigende Fleischkonsum in vielen Ländern. Muss der Eiweißbedarf anders gedeckt werden, vielleicht mit Insekten?
Heuschrecken werden ja heute schon gegessen, aber mich würde es wundern, wenn die Leute künftig Massen an Insekten essen würden. Aber das Gute ist, dass der Proteinbedarf ja vor allem da besteht, wo Platz ist, also in Afrika und in China. Die Herausforderung besteht jetzt darin, Fleisch nachhaltiger zu produzieren, mit Tieren, die ein gesundes und glückliches Leben haben.

Das ist mit Rindern einfacher als mit Schweinen, die viel empfindlicher sind. Klar ist: Das Fleisch verteuert sich. Wer ein Hühnerbein für 50 Cent kauft, für den muss klar sein, dass es nicht von einem glücklichen Hühnchen kommt.