Werbung
Deutsche Märkte schließen in 1 Stunde 16 Minute
  • DAX

    18.348,78
    +173,57 (+0,95%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.999,41
    +42,45 (+0,86%)
     
  • Dow Jones 30

    38.953,00
    +100,73 (+0,26%)
     
  • Gold

    2.327,80
    -3,40 (-0,15%)
     
  • EUR/USD

    1,0781
    +0,0007 (+0,06%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.740,33
    -645,91 (-1,09%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.312,52
    -52,61 (-3,85%)
     
  • Öl (Brent)

    77,88
    -0,60 (-0,76%)
     
  • MDAX

    26.480,66
    -86,78 (-0,33%)
     
  • TecDAX

    3.344,99
    +53,25 (+1,62%)
     
  • SDAX

    14.722,72
    +200,14 (+1,38%)
     
  • Nikkei 225

    38.835,10
    +599,03 (+1,57%)
     
  • FTSE 100

    8.317,85
    +104,36 (+1,27%)
     
  • CAC 40

    8.051,87
    +55,23 (+0,69%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.348,05
    -1,19 (-0,01%)
     

Wie ein Gips-Millionär dabei scheiterte, der neue Dietmar Hopp zu werden

Carlo Knauf versprach Wacker Nordhausen Millionen. Nun will der insolvente Klub das Geld vom Gips-Konzern – doch der sieht sich nicht in der Verantwortung.

Die Fußballfans von Wacker Nordhausen müssen zurzeit viel verkraften. Nach der Insolvenz der Spielbetriebsgesellschaft des Regionalligisten steigt der Verein ab in die fünfte Liga. Präsident Nico Kleofas trat zurück, gegen ihn und seinen wichtigsten Geldgeber, Carlo Knauf, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdacht.

Vor ein paar Jahren noch waren es diese beiden Männer, die Wacker in die dritte Liga führen wollten, womöglich darüber hinaus. Mancher in der Region sah in Carlo Knauf, der an dem gleichnamigen Gips- und Baustoffkonzern beteiligt ist, einen neuen Dietmar Hopp.

Mit den Millionen des Sponsors könnte ein Aufstieg wie in Hoffenheim möglich werden, hofften die Fans. Immerhin erwirtschaftet das Familienunternehmen aus Iphofen mit über 35.000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von zehn Milliarden Euro.

WERBUNG

Wie eng sich Kleofas an seinen vermeintlichen Edelsponsor band und damit den Verein in eine verhängnisvolle Abhängigkeit führte, dokumentiert das Gutachten des Insolvenzverwalters Peter Staufenbiel. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor.

Demnach investierte Knauf über Darlehen rund zehn Millionen Euro in den Verein. Auch der Familienkonzern spielt laut Gutachten eine merkwürdige Rolle, denn es gab eine skurrile Sponsoring-Konstellation.

Der Schriftzug „Knauf“ klebte auf Werbetafeln des Vereins. Laut Insolvenzbericht wurden dafür von 2016 bis 2019 Rechnungen für Sponsorleistungen an die Gebr. Knauf Verwaltungsgesellschaft KG gestellt – in Summe fast 5,5 Millionen Euro. So weit klingt alles normal. Ein Konzern gibt Geld für einen Fußballverein, der dem Konzern Werbefläche zur Verfügung stellt.

Bei Wacker Nordhausen war es anders: „Zahlungen hierauf erfolgten nicht“, schrieb der Insolvenzverwalter zu den Sponsoring-Rechnungen. Die Forderungen gegen den Konzern seien stattdessen mit Verbindlichkeiten des Darlehensgebers Carlo Knauf verbucht worden. Demnach hätte Carlo Knauf Werbung für den Baustoff-Konzern aus seinem Privatvermögen bezahlt.

Es kam anders. Da Knauf auf Druck der Banken für seine Darlehen einen Rangrücktritt erklärt habe, notierte Staufenbiel, seien die Aufrechnungen hinfällig und „gehen damit ins Leere“. Der Insolvenzverwalter reichte die 5,5-Millionen-Euro-Forderung deshalb an den Gips-Konzern weiter.

Keine Vollmachten

Der lehnte ab. „Mit derartigen Rechnungen sind wir erstmals durch den Insolvenzverwalter konfrontiert worden“, heißt es auf Anfrage aus dem Unternehmen. Es habe den Klub Wacker Nordhausen zu keiner Zeit „in nennenswertem Umfang“ finanziell unterstützt. Zudem wies das Management darauf hin, dass Carlo Knauf lediglich zwei Prozent an der Firma halte und „weder eine gesetzliche noch eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Vertretung“ habe.

Carlo Knauf ist ein Sohn des langjährigen Unternehmenschefs Nikolaus Knauf. Laut Handelsregister gehörten ihm bis 2016 rund 25 Millionen Euro der Kommanditanteile am Mutterunternehmen Gebr. Knauf KG. Dann schied er aus, zugleich trat die CK Familienstiftung mit gleicher Summe als Kommanditist ein. Geschäftsführer oder Vorstand beim Konzern war Carlo Knauf hingegen nie.

Nun hat der Insolvenzverwalter ein Problem. Ungewöhnlich nennt es Staufenbiel, dass bei Beträgen dieser Größenordnung keine schriftlichen Vereinbarungen vorlägen. Bislang kann er Sponsoringverträge des Vereins mit dem Baustofflieferanten nicht beweisen.

Handelte Carlo Knauf im Namen des Konzerns, aber ohne dessen Wissen? Der Konzern betont, er habe erst im Zuge der Insolvenz festgestellt, dass auf der Internetseite des Vereins mit seinem Markenlogo geworben wurde.

Ex-Präsident Kleofas fiel die Differenzierung zwischen den verschiedenen Knaufs offenbar schwieriger. Laut Gutachten erklärte Kleofas gegenüber Staufenbiel, dass er mit seiner Detektei und Personenschutzfirma seit etlichen Jahren Dienstleistungen für Carlo Knauf und diverse Firmen aus dem Knauf-Firmenverbund erbringe, was der Konzern auch bestätigte.

Rechnungen an die Knauf-Gruppe seien „anstandslos“ bezahlt worden, sagte Kleofas. Er habe deshalb keinen Grund gehabt, an der Vertretungsbefugnis von Carlo Knauf für den Knauf-Konzern zu zweifeln. Er behauptete auch, die Rechnungen an den Konzern seien auf Knaufs Anweisung hin geschrieben worden.

So arbeiteten in Thüringen offenbar alle Protagonisten aneinander vorbei. Der Konzern, der nicht mitbekommen haben will, dass mit seinem Namen bei einem Viertligisten geworben wurde, obwohl er in der Region ein Werk betreibt. Der Vereinspräsident, der seinem Hauptsponsor blauäugig oder sogar blind vertraute. Der Mäzen, der mindestens schwammig kommunizierte, über welche Befugnisse er verfügte.

Umstrittene Bürgschaften

Fragen des Handelsblatts haben weder Carlo Knauf noch Ex-Präsident Kleofas beantwortet.

Scheiterte Wacker Nordhausen nur an der Unprofessionalität der Akteure, oder steckt sogar Foulspiel dahinter? Die Staatsanwaltschaft in Mülhausen ermittelt gegen Kleofas und Carlo Knauf, weil auf Darlehensbürgschaften die Unterschrift des Sponsors zu finden ist. Als die Darlehensgeber in der Insolvenz von Knauf ihr Geld einforderten, wehrte dieser plötzlich ab und legte ein Gutachten vor, dass es sich gar nicht um seine Unterschrift handele.

Nun muss die Staatsanwaltschaft herausfinden, ob der Schriftzug echt ist oder gefälscht. Seine Kanzlei sei durchsucht worden, die Buchhaltung der Spielbetriebsgesellschaft habe das Landeskriminalamt im Mai abgeholt, schrieb der Insolvenzverwalter in seinem Bericht.

Der Frankfurter Anwalt Matthias Schröder aus der Kanzlei LSS Rechtsanwälte vertritt zwei Investoren, die zusammen 400.000 Euro der Gesellschaft geliehen haben. Hoffnung auf eine gute Insolvenzquote hat er nicht. „Uns ist klar, dass der Weg zur Vollentschädigung nur über eine Klage gegen Knauf und Kleofas führt.“ Schröder bereitet nun zwei Zivilklagen vor.

Wie weit Schein und Realität in Nordhausen auseinanderklafften, zeigt auch das Geschäftsführergehalt. Es gab keines, wie Staufenbiel feststellte. Doch ein Ehrenamt war der Job offenbar auch nicht. Kleofas und die von ihm als Inhaber geführte Einzelfirma erhielten seit Mai 2019 Zahlungen in Höhe von 528.000 Euro. Auch dieses Geld würde der Insolvenzverwalter gern sichern.

Für einige Investoren wird es böse Überraschungen geben. Staufenbiel will Teilbeträge von Darlehen anfechten, die im Jahr vor der Pleite zurückgezahlt wurden. Von einem einzelnen ehemaligen Anleger verspricht er sich fast 400.000 Euro. Hinzu kommen seine Ansprüche gegen Steuerberater, die Berufsgenossenschaft und das Finanzamt.

Das Fazit des Insolvenzverwalters macht trotzdem wenig Hoffnung: Wenn nicht noch belastbare Sponsoringverträge mit dem Konzern auftauchen, stehen rund elf Millionen Euro Forderungen nur eine Million Euro an Vermögen gegenüber. Ein Verhältnis, das kaum fünftklassig ist.