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Warum der Frosta-Chef den Nutriscore ablehnt

Der Tiefkühlkosthersteller ist Vorreiter für Transparenz bei seinen Produkten. Trotzdem verweigert sich Frosta-Chef Felix Ahlers der Lebensmittelampel.

Am Montag gab Julia Klöckner nach zähem Ringen grünes Licht für eine Lebensmittelampel. Den sogenannten Nutriscore können Hersteller künftig freiwillig vorne auf die Packung ihrer Produkte drucken. Eine Ampelfarbe wägt den Gehalt an Zucker, Fett und Salz gegen Eiweiß oder Ballaststoffe ab.

Nach langen Vorbehalten in der Branche setzten sich zuletzt selbst die großen Hersteller – von Nestlé bis Iglo – dafür ein. Nur einer ist weiterhin ein erklärter Gegner des Nutriscore: Frosta-Chef Felix Ahlers.

Dabei hatte das „Enfant terrible“ der Lebensmittelbranche bereits 2009 im Alleingang eine Nährwert-Ampel auf seine Tiefkühlgerichte gedruckt, aber nach einiger Zeit frustriert wieder aufgegeben. „Ich bin für absolute Transparenz bei Lebensmitteln“, betont der 52-Jährige, der von seinem Büro in Bremerhaven auf den Fischereihafen blickt. „Aber der Nutriscore ist irreführend.“

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Bei der Farbe Grün denken Verbraucher automatisch, das Produkt sei gesund, gibt der Firmenchef zu bedenken. „Aber da können jede Menge künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Emulgatoren und Stabilisatoren drin sein“, ärgert er sich. Das verzerre den Wettbewerb.

Denn der Unternehmer in dritter Generation ist überzeugt: „Zusatzstoffe gehören ins Museum.“ Und das nimmt Ahlers ganz wörtlich: Seit 2008 betreibt er deshalb ein „Zusatzstoffmuseum“ am Hamburger Großmarkt. Dort klärt er über die Herstellung, aber auch die Risiken und Nebenwirkungen von Zusatzstoffen auf.

Den gleichen Weg geht er im Betrieb: Ahlers trimmt das börsennotierte Familienunternehmen mit seinen 1700 Mitarbeitern und zuletzt 509 Millionen Euro Umsatz auf Nachhaltigkeit und Transparenz. Das geht vom selbst verordneten Reinheitsgebot über die Erfassung des CO2-Fußabdrucks jedes Gerichts bis zum Herkunftsnachweis für alle Zutaten. Keine leichte Strategie in einem preissensiblen Markt, doch er verfolgt sie aus innerer Überzeugung.

Keiner der Mitarbeiter wollte Produkte der eigenen Firma essen

Als Felix Ahlers 1999 in der Tiefkühlkostfirma seines Vaters Dirk anfing, wärmte er sich mittags ab und zu einen Beutel von Frosta auf. Die Kollegen amüsierte das sehr, und er merkte: Keiner der Mitarbeiter wollte Produkte der eigenen Firma essen. „Wir beschäftigten damals viele Lebensmittelchemiker, aber keinen einzigen Koch mehr“, erinnert er sich. Mit Zusatzstoffen wurden die Rezepte so optimiert, dass die Kosten sanken. Die Vertriebler von Frosta machten Druck: Um am Markt bestehen zu können, müsste die Tiefkühlware noch günstiger werden.

Ahlers, der vor dem VWL-Studium eine Kochlehre im Pariser Luxushotel „Le Bristol“ absolviert hatte, war schockiert. Im Restaurant hatte er Fleisch-, Fisch- und Gemüsefond eingekocht – als Basis für den Geschmack. Darauf wollte er sich wieder zurückbesinnen. Frosta verkündete deshalb 2003 sein „Reinheitsgebot“. „Wir waren so euphorisch. Aber die Verbraucher kannten Frosta als Billigmarke und waren nicht bereit, 20 Cent mehr zu bezahlen“, erzählt Ahlers, der auch mehrere Jahre bei Pastahersteller Delverde in Italien und bei Sheraton gearbeitet hatte.

Die Folgen für den Pionier waren dramatisch: Frosta machte acht Millionen Euro Verlust im ersten Jahr, zehn Prozent der Belegschaft mussten entlassen werden. Doch die Familie Ahlers, ein Zweig der gleichnamigen Herforder Textildynastie, war überzeigt, auf dem richtigen Weg zu sein. Mit einem der ersten Unternehmensblogs überzeugte Frosta die Kunden. Doch es dauerte noch fünf Jahre, bis die alten Umsätze wieder erreicht werden konnten.

„Das Reinheitsgebot, auch wenn es wirtschaftlich nicht so schnell eingeschlagen hat, war eine strategisch richtige Entscheidung in einem hybriden Unternehmen“, urteilt Branchenexperte Werner Motyka, Partner der Beratung Munich Strategy. Denn die Hälfte des Umsatzes macht Frosta über die Tochter Copack mit Handelsmarken: von Bio-Nasi-Goreng für Ökoland bis zur Paella für den Discounter.

Da die Kunden die Rezepte vorgäben und der Preis ausschlaggebend sei, werden Zusatzstoffe dort noch oft eingesetzt, wenn auch immer weniger, räumt Ahlers ein. Was auch dafür spricht, dass die Umstellung des Unternehmens richtig war: Während die Marke Frosta kräftig wuchs, büßte die Sparte Copack im ersten Halbjahr ein.

Die Preise für Fisch sind zuletzt um 40 Prozent gestiegen, seit sich Chinesen mehr Fisch leisten und US-Präsident Donald Trump Schulkantinen Alaska-Seelachs verordnet hat. Nicht alle Handelskunden wollten höhere Preise zahlen. Frosta verlor Kontrakte und hat nun eine neue Linie mit Fischstäbchen und -frikadellen aus der Nordsee eingeführt. „Die sind zwar etwas dunkler, schmecken aber sogar besser“, sagt Ahlers.

Zweimal musste das Unternehmen in diesem Jahr bereits eine Gewinnwarnung herausgeben – vor allem wegen höherer Preise für Fisch und Gemüse. Auch weil das neue Markengeschäft in Italien ungeplante Anlaufverluste hatte. Für 2019 erwartet Familie Ahlers, die mehr als 50 Prozent an Frosta hält, mit 15 Millionen Euro erneut einen sinkenden Gewinn. So traut sich Ahlers auch nicht, komplett auf Bioqualität umzustellen. „Dann wären wir zu teuer und nicht mehr massenfähig“, fürchtet er.

„Sein Engagement ist vorbildlich und einzigartig in der Branche“

Doch Ahlers bleibt Überzeugungstäter. „Frosta hat nicht nur das Reinheitsgebot ohne Zusatzstoffe eingeführt, sondern kennzeichnet auch seit einigen Jahren das Herkunftsland jeder einzelnen Zutat auf der Packung“, lobt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Selbst die meisten Bioanbieter seien nicht so weit. „Unternehmer Felix Ahlers ist hier Pionier. Sein Engagement ist vorbildlich und einzigartig in der Branche“, sagt der Verbraucherschützer.

„Bei jedem Apfel muss das Herkunftsland draufstehen, nur bei verarbeiteten Produkten nicht,“ ärgert sich Ahlers. Apfelsaftkonzentrat komme heute meist aus China, die Hersteller wollten das verschleiern. „Sie behaupten, das Herkunftsland könne nicht auf die Packung gedruckt werden, weil sich Zutaten in laufender Produktion änderten. So ein Unsinn“, meint Ahlers. Frosta zeige, dass das problemlos funktioniert.

Ahlers, der zwischen den Standorten in Bremerhaven und Hamburg mit Zug und Klapprad pendelt, versteht sich auch als Klimapionier. Seit 2010 lässt er vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung den CO2-Fußabdruck jedes Gerichts ermitteln und auf die Packung drucken. Zweimal wurde Frosta mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.

Dennoch hat Tiefkühlkost oft noch ein schlechtes Image, besonders bei Verbrauchern unter 40, wie eine Umfrage des Deutschen Tiefkühlinstituts (DTI) zeigt. Viele denken bei der Kühlkette an hohen Energieverbrauch. Zu Unrecht, behauptet Ahlers. Wintertomaten aus dem Gewächshaus etwa hätten eine deutlich schlechtere Klimabilanz. „Nach zwei Wochen im Supermarktregal sind bei Frischware die Vitamine weg, und vieles wird dann weggeworfen. Bei Tiefkühlkost vergammelt nichts, und unser Gemüse wird ausschließlich im Freiland angebaut“, so Ahlers.

Der Chef machte sieben Monate Sabbatical in Afrika

Auch die Gastronomie verwende deshalb immer mehr Tiefgekühltes. Das DTI erwartet für die Branche denn auch ein Umsatzwachstum von 3,5 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro.

Bis April 2018 war Ahlers für sieben Monate im Sabbatical. „Ich wollte mal etwas anderes machen.“ In Äthiopien half er bei seinem Kaffeeprojekt Solino. „30 Millionen Kaffeepflücker dort bekommen nur 20 Euro im Monat. Das ist absurd.“ Bei Solino wird der Kaffee vor Ort geröstet. So sind dort 150 qualifizierte und deshalb auch höher dotierte Arbeitsplätze entstanden. Den Kaffee gibt es sowohl online wie auch stationär, etwa bei Edeka und Karstadt. Alle Produktionsschritte, per Blockchain hinterlegt, sind für den Verbraucher transparent.

„Das Kaffeeprojekt soll nachhaltig sein und sich für alle Seiten rechnen“, betont Ahlers, dessen Familie mit in Afrika war. Ob die vierte Generation ihm einmal nachfolgen wird, ist offen. Doch auch das hat das Sabbatical des Firmenchefs gezeigt: „Zwischenzeitlich kann ich Frosta guten Gewissens in die Hände von Fremdmanagern legen“, sagt er. „Sieben Monate hat es ja schon gut funktioniert.“