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Frankreich zuerst

Marine Le Pen hätte sich kaum einen schlechteren Zeitpunkt für ihre Leitlinien der internationalen Politik aussuchen können. Dann störte auch noch eine Aktivistin die Rede.

Die Inhalte von Marine Le Pens Rede rückten schnell in den Hintergrund - die Schlagzeilen bestimmten andere: So stürmte eine Aktivistin der Organisation „Femen“ die Veranstaltung. Mit nacktem Oberkörper unterbrach sie Marine Le Pen und beschimpfte die Front-National-Chefin als „fiktive Feministin“. Es war nicht das erste Mal, dass Aktivistinnen gegen Le Pen demonstrierten: Bereits im Mai 2015 unterbrachen drei Frauen eine Rede der Politikerin.

Erst am Mittwoch wurde gegen ihre Büroleiterin - wegen Verdachts der Scheinbeschäftigung - ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im französischen Fernsehen hatte sie dafür eine einfache Erklärung. „Es sei eine politische Intrige“. Konkret soll Le Pen ihre Büroleiterin und Vertraute sowie ihre Leibwächter als Mitarbeiter des EU-Parlaments bezahlen, tatsächlich arbeiten sie aber ausschließlich für den Front National.

Die Parteivorsitzende hat eine Rückzahlung an die Europäische Union verweigert, ab März werden deshalb ihre Bezüge gekürzt. Das ist schon länger bekannt, neu ist hingegen, dass nun auch juristische Schritte eingeleitet wurden.

Trotz diesen Ereignissen, die die Rede überlagerten, machte Le Pen in ihrer Rede, die sie vor Journalisten und diplomatischen Vertretern, unter anderem aus Taiwan, Kambodscha, Saudi-Arabien und Albanien hielt, deutlich, wo es mit ihr als möglicher Präsidentin hingehen könnte: Im Falle eines Wahlsieges komme Frankreich zuerst. Das nationale Interesse stehe also auch in der Außenpolitik im Vordergrund. Das erinnert stark an den Slogan des US-Präsidenten Donald Trump - auf dessen Effekt sie auch für ihren Wahlkampf und Frankreich setzt.

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Konkret wurde sie vor allem in Bezug auf die Europäische Union, das sie als "bürokratisches Monstrum" bezeichnete. Die "totalitäre" EU schwäche Frankreich. Sie wolle die europäischen Verträge neu aufrollen, um „ein Europa der Nationen“ zu bauen. "Wir werden ein anderes Europa bauen", sagte sie, "mit einer Überarbeitung der europäischen Verträge." Deshalb sieht ihr Wahlprogramm, das Le Pen schon vor Wochen präsentierte, einen sogenannten "Frexit" vor. Im Falles eines Wahlsieges möchte sie, ein Referendum über einen Austritt aus der EU organisieren.

„Es ist klar, dass Frankreichs Politik in Paris entschieden wird, und dass kein Verbündeter, kein Vertrag, keine Allianz an der Stelle Frankreichs über seine Politik entscheidet“, sagte die Vorsitzende des Front National. Dazu solle unter anderem das französische Verteidigungsbudget innerhalb von fünf Jahren auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht werden. Das liegt bei der derzeit rund 1,8 Prozent.

Doch um Le Pen ranken sich weitere Affären: Gemeinsam mit ihrem Vater soll sie den Wert einer Immobilie in einem Pariser Vorort unterschätzt haben, damit falsche Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen gemacht haben. Hinzu kommt mutmaßlicher Betrug mit Wahlkampfausgaben in der Präsidentschaftswahl 2012. Damals erreichte Le Pen knapp 18 Prozent der Stimmen – ein besseres Ergebnis hatte der Front National noch nie erreicht.

Aber die politischen Affären schaden ihr kaum– anders als etwa ihrem Konkurrenten Francois Fillon, der seine Frau und zwei seiner Kinder über Jahre hinweg mit Geldern aus der Staatskasse bezahlt haben soll. In der ersten Runde Ende April könnte Marine Le Pen die meisten Stimmen bekommen: Aktuelle Umfragen sehen sie bei 25 Prozent, Emmanuel Macron und Fillon liegen gleichauf bei um die 20 Prozent. In der zweiten Runde werden ihr allerdings kaum noch Chancen ausgerechnet – hier könnte entweder Macron mit 58 Prozent oder Fillon mit 56 Prozent siegen. Immerhin käme Le Pen aber auf über 40 Prozent der Stimmen und dieser Anteil könnte in den nächsten Wochen noch weiter steigen.

Es ist gar nicht wichtig, ob Le Pen die Präsidentschaftswahl jetzt gewinnt oder nicht – ihren Einfluss wird sie so oder so ausbauen. Außerdem stehen im Juni noch Parlamentswahlen an und dort geht der Front National als großer Favorit in das Rennen. Nicht zuletzt durch das französische Mehrheitswahlrecht hat die Partei dort zum ersten Mal die Chance viele Sitze (vielleicht sogar die Mehrheit) zu gewinnen. Le Penn könnte das nutzen, um eine starke Oppositionsarbeit zu machen – und in fünf Jahren erneut anzugreifen. Ein Durchatmen, dass kein weiteres Land von einem Populisten regiert wird, wäre verfrüht.

Unterdessen hat der Grünen-Politiker Yannick Jadot seine Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen – des sozialistischen Bewerbers Benoit Hamon, dem aber auch keine guten Chancen prognostiziert werden, die erste Runde der Präsidentschaftswahlen zu überstehen. Jadot kam in den Umfragen bislang lediglich auf zwei Prozent.

KONTEXT

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Starker Präsident

Von allen Staatsoberhäuptern der Europäischen Union hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Seine starke Stellung verdankt er der Verfassung der 1958 gegründeten Fünften Republik, ihr erster Präsident war General Charles de Gaulle.

Wahl

Der Staatschef wird seit 1965 direkt vom Volk gewählt und kann beliebig oft wiedergewählt werden. Seit 2002 beträgt seine Amtszeit noch fünf statt sieben Jahre.

Gesetzgebung

Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt.

Verhältnis zum Parlament

Der Staatschef ist gegenüber dem Parlament nicht verantwortlich. Durch eine 2007 beschlossene Verfassungsänderung sind Staatschefs im Amt vor Strafverfolgung ausdrücklich geschützt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.

Macht über das Militär

Frankreichs Staatschef ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat in der Verteidigungs- und Außenpolitik das Sagen. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat.

Verhältnis zur Regierung

Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und nimmt Ernennungen für die wichtigsten Staatsämter vor.

Regierungschef als Gegengewicht

Seine Macht wird jedoch eingeschränkt, wenn der Regierungschef aus einem anderen politischen Lager kommt und der Präsident keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung hat. Dieser Fall der „Kohabitation“ war bei der Verabschiedung der Verfassung nicht vorgesehen. Er trat aber bereits drei Mal ein, zuletzt 1997 bis 2002, als der konservative Staatschef Jacques Chirac mit dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin auskommen musste.