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„May könnte Marktbereinigung gestartet haben“

Minus sechs Prozent - Flash-Crash beim Pfund schreckt Devisenmarkt auf

Massenhafte Verkäufe beim Pfund Sterling haben in der Nacht zum Freitag zu einem dramatischen Einbruch von knapp zehn Prozent bei der britischen Währung geführt. Börsianer sprechen von einem „Flash Crash“, einem durch den automatischen Computerhandel ausgelösten Absturz. Ein Sprecher der Bank of England kündigte an, die Kursbewegung überprüfen zu wollen. Die Angst vor einem sogenannten harten Brexit, also ein EU-Austritt ohne freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt, könnte Experten zufolge das Pfund in nächster Zeit weiter drücken.

Kurz nach Beginn des asiatischen Geschäftes rauschte der Kurs innerhalb weniger Minuten auf einigen Handelsplattformen um mehr zehn Prozent von 1,2600 Dollar auf knapp unter 1,14 Dollar. Wenig später hatte die Währung den Verlust zur Hälfte wieder wettgemacht und erholte sich im Handelsverlauf weiter. Doch die Stimmung blieb angespannt. Denn mittags gab es einen erneuten, leichteren Absturz auf 1,22 Dollar. Gegen 14 Uhr lag das Pfund wieder bei 1,23 Dollar. ()

„Es gab gar keinen unmittelbaren Grund für das Pfund Sterling, eine solch dramatische Bewegung zu machen“, sagte ein Händler. „Das war sogar größer als das, was wir unmittelbar nach dem Brexit gesehen haben.“ Ausgelöst werden kann ein solcher blitzartiger Kurssturz durch hohe Umsätze in Randzeiten oder auch durch versehentlich falsch eingegebene Transaktionen („fat finger“).

Tatsächlich zitierte die japanische Wirtschaftszeitung „Nikkei“ am Freitag einen Händler mit den Worten, da habe wohl jemand auf seiner Computertastatur versehentlich eine größere Verkaufsanweisung eingetippt als beabsichtigt. Es kursierten daneben aber auch Spekulationen, wonach Chinesen angesichts der Schwäche des Pfunds die Währung abgestoßen und dafür Dollar gekauft hätten.

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Als das Pfund nach unten wegbrach, könnten weitere technische Algotrader mitgezogen haben, was zu dem schnellen und scharfen Kursverfall geführt hat, sagten Analysten. „Das Pfund ist ein Opfer unserer digitalen, von Schlagzeilen beherrschten Welt geworden", sagte Kathleen Brooks von Forex.Com. „Für das Pfund sind die Algotrades die moderne Version eines George Soros geworden.“ Der Milliardär Soros wurde in den 90er Jahren mit millionenschweren Wetten gegen die britische Währung bekannt.

Von Computern gesteuerte Handelsprogramme gewinnen an den Märkten immer mehr an Einfluss. Die so genannten Algotrades reagieren mit atemberaubender Geschwindigkeit auf Schlagzeilen und Daten und bringen mit ihren Orders die Kurse von Unternehmen, Branchen und Märkten ins Rollen. Basierend auf einer oft sehr komplexen Anlagestrategie entscheiden die Programme quasi per Autopilot über den Verkauf und Kauf von Aktien.

Ohnehin ist das das Pfund Sterling angeschlagen: Seit Juni, als die Briten für den Ausstieg aus der Europäischen Union (EU) gestimmt hatten, steht die Devise stark unter Druck. Die Angst vor verhärteten Fronten zwischen den Verhandlungspartnern über die Ausgestaltung des Brexit schürte die britische Premierministerin vergangenes Wochenende mit ihrer Ankündigung, den Brexit-Antrag bis spätestens Ende März zu stellen.

„Ich glaube, wir haben unterschätzt, wie viele Marktteilnehmer sich für einen weichen Brexit positioniert hatten oder gar keinen“, sagte Stratege Sean Callow von Westpac. „May könnte die Marktbereinigung gerade erst gestartet haben.“ Die Analysten von HSBC sehen das Pfund bis Ende 2017 auf 1,10 Dollar fallen und auf Parität zum Euro.

Für Unruhe sorgten am Donnerstagabend Kommentare des französischen Präsidenten Francois Holland, der ebenfalls für einen harten Kurs der EU in den Verhandlungen mit den Briten warb. "Die Briten wollen raus, aber sie wollen nicht zahlen. Das ist nicht möglich", sagte Hollande in einer Rede in Paris. Die Briten hätten sich für den Austritt entschieden, „tatsächlich - wie ich glaube - einen harten Brexit.“ Die EU müsse nun hart bleiben, um ihre Prinzipien nicht infrage zu stellen.

Viele Experten fürchten ein Abgleiten der britischen Wirtschaft in eine Rezession. Die britische Industrie hatte nach dem ersten Brexit-Schock dank des schwächeren Pfunds zuletzt aber viel Boden gutgemacht. Um die Folgen für die britische Wirtschaft abzufedern, müsste das Pfund noch weiter deutlich abwerten, sagte Devisen-Analyst Jeffrey Halley vom Broker Oanda.

Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Kursbewegung zeigen, dass der globaler Währungsmarkt nicht vor extremer Volatilität geschützt ist. Im Januar war etwa der südafrikanische Rand in einer Viertelstunde um neun Prozent gefallen, bevor er sich erholte. Auch beim neuseeländischen Dollar hatte es Ende August einen Flashcrash gegeben. Auch die Bewegung des Pfunds zum Euro in der Nacht war heftig. Von 1,13 Euro ging es hinunter bis auf 1,06 Euro, bevor die Erholung das Pfund zurück auf einen Wert von immerhin 1,12 Euro brachte.

KONTEXT

Größte Banken im Devisenhandel (2015)

Platz 10

Morgan Stanley

2016: Rang 10

2015: Rang 13

Quelle: Euromoney, Mai 2016

Platz 9

XTX Markets

2016: Rang 9

2015: nicht im Ranking vertreten

Platz 8

HSBC

2016: Rang 8

2015: Rang 7

Platz 7

Goldman Sachs

2016: Rang 7

2015: Rang 9

Platz 6

Barclays

2016: Rang 6

2015: Rang 3

Platz 5

Bank of America Merrill Lynch

2016: Rang 5

2015: Rang 6

Platz 4

Deutsche Bank

2016: Rang 4

2015: Rang 2

Platz 3

UBS

2016: Rang 3

2015: Rang 5

Platz 2

JP Morgan

2016: Rang 2

2015: Rang 4

Platz 1

Citigroup

2016: Rang 1

2015: Rang 1

KONTEXT

Die größten Flash Crashs an der Börse

7. Oktober 2016 - der Jüngste

Jüngstes Beispiel für einen sogenannten Flash Crash, einen technisch verursachten Blitz-Absturz an den Börsen, der so schnell verschwindet wie er auftaucht, ist das Pfund. Die britische Währung stürzte im asiatischen Handel unvermittelt knapp acht Prozent in die Tiefe - eine größere Bewegung als direkt nach dem Brexit-Votum. Vorausgegangen war dem Devisenkrach eine anhaltende Abwertung, Börsianer befürchteten zuletzt ein Ausscheiden der Briten aus dem europäischen Binnenmarkt. Möglicherweise sei ein Marktteilnehmer auf eine falsche Taste gekommen, hieß es in den Handelsräumen der Banken.

26. Mai 2010 - der Erste

Der Dow-Jones-Index fiel schlagartig um ganze 9,2 Prozent in die Tiefe, was das größte Minus innerhalb eines Handelstages seit dem schwarzen Montag 1987 war. Binnen Minuten löste sich eine Billion Dollar an Börsenwert in Luft auf. Regulatoren nahmen die sogenannten Flash Boys in die Pflicht. Diese Hochfrequenzhändler hatten das ganze zwar nicht ausgelöst, doch mit ihren automatisierten, von Computern gesteuerten, Handelsaufträgen den Absturz überhaupt erst so heftig werden lassen. In London sprach ein Gericht den Briten Navinder Sarao mitverantwortlich, dem Börsenhändler steht aller Wahrscheinlichkeit nach die Auslieferung in die Vereinigten Staaten bevor, wo ihm eine langjährige Haftstrafe droht.

15. Oktober 2014 - der Sichere

Innerhalb von zwölf Minuten pendelten die Renditen von den so sicheren US-Treasuries um ganze 37 Basispunkte - und das ganz ohne politische Neuigkeiten. Hochfrequenzhändler, sogenannte HFT-Unternehmen (High Frequency Trading) hatten den Handel durcheinander gewirbelt. Erst ging es bergab, dann bergauf. Warum das ganze so eskalierte: Die Flash Boys standen oft auf beiden Seiten ein- und derselben Order.

24. August 2015 - der Größte

Fast 1000 Dow-Jones-Punkte und 1,2 Billionen Dollar - der bisher größte Flash Crash an den Aktienmärkten. Phasenweise ging es an der Wall Street so schnell bergab, dass die Anzeigetafeln gar nicht mehr nachkamen. Immerhin gab es mit der chinesischen Yuan-Abwertung eine Erklärung für die Bewegung. Dieses Mal waren es passive ETFs, die mit hunderten Orders für Chaos gesorgt hatten. Einige Experten gaben den nach dem Crash vom Mai 2010 eingeführten Sicherheitsmechanismen eine Mitschuld.

25. August 2015 - der Exotische

Mitten in der Nacht erlebt der Kiwi, Landeswährung in Neuseeland, den größten Stürz in 30 Jahren. Auf dem Devisenmarkt verlor der Kiwi acht Prozent. Er verlor vier US-Cent und kam damit auf 61,30 Cent, ehe er auf den Ausgangswert zurücksprang. Zeitweise lagen wegen dem computerisierten "Algotrading" zwischen Kauf- und Verkaufsangeboten zwei Cent.

11. Januar 2016 - die Vorlage

Anderes Land, das gleiche Muster: Wie beim jüngsten Pfund-Schock brach auch der Rand Südafrikas im frühen asiatischen Handel ein. Binnen einer Viertelstunde verlor die Währung neun Prozent und stürzte auf ein Rekordtief. Die relativ geringe Liquidität zu der Tageszeit führt dazu, dass schon kleine Order einen übermäßigen Einfluss auf das Geschehen haben. Experten zufolge könnte dieses Muster demnächst häufiger auftreten, da strengere Auflagen die Liquidität reduzieren und auf eine geringere Nachfrage für Schwellenländer-Anlageklassen treffen.

31. Mai 2016 - der Schnellste

Auch der Terminmarkt ist nicht vor einem Flash Crash gefeit. Innerhalb nur einer Minute stürzten Kontrakte auf den chinesischen CSI 300 um zehn Prozent und erholten sich wieder nahezu vollständig. Verantwortlich zeigte sich ein einzelner Investor. Der Futures-Markt im Reich der Mitte gehörte 2015 zu den aktivsten der Welt, nach den folgenden Börsenturbulenzen im Sommer nahmen die Behörden diesen strenger an die Hand.