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Erste Details: Was britischen Unternehmen und Haushalten bei einem harten Brexit droht

Die Angst vor einem harten Brexit wächst. Die Behörden seien bereit – egal, ob Deal oder kein Deal, so Brexit-Minister Raab. Er versucht, die Öffentlichkeit zu beruhigen.

Im Fall eines ungeordneten Brexits droht britischen Unternehmen zusätzliche Bürokratie an den Grenzen. Haushalte müssen sich auf höhere Bankgebühren einstellen, britische Rentner an der Costa del Sol um den Zugang zu ihrer Rente fürchten. Das ergibt sich aus den Notfallplänen, die das Brexit-Ministerium in London am Donnerstag veröffentlicht hat. Die ersten 25 von rund 80 Dokumenten beschreiben die Lage in Branchen wie Finanzen, Atomkraft und dem Gesundheitswesen.

Auf insgesamt 148 Seiten erklärt die Regierung, worauf sich britische Unternehmen und Haushalte einzustellen haben, wenn die Brexit-Verhandlungen in Brüssel scheitern. Es gehe darum, die Öffentlichkeit zu beruhigen, sagte Brexit-Minister Dominic Raab. Die Behörden seien bereit für den Brexit – egal, ob Deal oder kein Deal. Die EU hatte bereits vor Monaten ähnliche Notfallpläne veröffentlicht.

Um Chaos zu vermeiden, würde Großbritannien in vielen Bereichen unilateral weiter den EU-Regeln folgen. Man wolle so viel Kontinuität wie möglich, sagte Raab. Das wird in vielen Fragen nur mit der Kooperation der Europäer gehen.

Die möglichen Folgen im Überblick:

  • Finanzen: Großbritannien würde den Zugang zum europäischen Zahlungssystem SEPA verlieren. Für Bankkunden würden die Kosten für Kreditkartenzahlungen und Überweisungen steigen. Auch werden Buchungen länger dauern. Millionen grenzüberschreitender Verträge über Versicherungen und Finanzderivate würden zudem ungültig. Die britische Regierung ist bereit, die Vertragssicherheit zu garantieren, und appelliert an die EU, das ebenfalls zu tun.

  • Import/Export: An den Grenzen wird es zusätzliche Bürokratie geben. Unternehmen müssen Zollerklärungen ausfüllen und möglicherweise Güter zwischenlagern. Die Regierung empfiehlt den Unternehmen, spezialisierte Firmen zur Beratung heranzuziehen. Experten halten es jedoch für unmöglich, dass die nötige Infrastruktur bis März steht.

  • Landwirtschaft: Die EU-Agrarsubventionen will die britische Regierung übernehmen. Bauern könnten aber etwa ihre organischen Produkte nicht mehr in die EU verkaufen, weil die britische Zertifizierung von der EU nicht anerkannt wird.

  • Gesundheitswesen: Anfang der Woche hatten Krankenhausbetreiber vor Engpässen bei Arzneimitteln gewarnt. Das staatliche Gesundheitssystem National Health Service ist auf EU-Importe angewiesen. Die Regierung kündigte nun an, mehrwöchige Vorräte anzulegen. Den Bedarf an Blutkonserven, sagte Raab, könne man bereits jetzt fast vollständig aus eigenen Reserven decken.

  • EU-geförderte Programme: Die britische Regierung will die Fördergelder aus Brüssel für das Forschungsprogramm Horizon 2020 und Hilfsprogramme aus eigenen Steuermitteln ersetzen.

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Die Gefahr eines ungeordneten Brexits im kommenden März hat über den Sommer zugenommen, weil die Fronten in Brüssel und London verhärtet sind. Premierministerin Theresa May hatte ihr Kabinett vor den Sommerferien auf einen weicheren Brexit-Kurs gezwungen: Eine Freihandelszone für Güter soll sicherstellen, dass zumindest die Industrie weiter die Vorteile des Binnenmarkts genießt.

Doch der sogenannte Chequers-Kompromiss reicht den Europäern nicht aus, sie fordern weitere Zugeständnisse aus London. Der innenpolitische Spielraum Mays scheint jedoch ausgereizt, schon der bisherige Vorschlag geht den Brexit-Hardlinern in ihrer Partei zu weit.

Daher wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Gespräche ohne Einigung enden. Dann würde Großbritannien am 29. März 2019 aus der EU ausscheiden – ohne Übergangsperiode und Anschlussabkommen.

Brexit-Minister Raab will die restlichen Notfallpläne bis Ende September vorlegen. Er betonte, dass man weiterhin auf einen Deal hinarbeite. Das No-Deal-Szenario sei „höchst unwahrscheinlich“. Doch wolle man vorbereitet sein. Wenn es keinen Deal mit der EU gibt, wird London einseitig eine Art Übergangsperiode erklären.

So will die Regierung in der EU zugelassene Arzneimittel und medizinische Geräte weiter zulassen, solange es noch keine eigene britische Aufsicht gibt. Auch dürfen europäische Finanzdienstleister ihre britischen Kunden weiter bedienen – und zwar bis zu drei Jahren. Die Ankündigung wurde von den Lobbyverbänden CityUK und UK Finance begrüßt. Sie gaben jedoch zu bedenken, dass dies nicht viel bringe, wenn die EU nicht nachziehe.

Raab äußerte die Hoffnung, dass die Europäer mit britischen Unternehmen und Produkten ähnlich pragmatisch verfahren würden. Darauf sollte er sich jedoch nicht verlassen, warnen Beobachter. Die EU-Kommission werde bei lebenswichtigen Themen wie der Atomkraft oder der Finanzstabilität keine Risiken eingehen, sagt ein europäischer Politikberater. Aber in weniger wichtigen Fragen sollten die Briten schon leiden. Lkw-Schlangen auf britischen Autobahnen etwa werde die EU-Kommission leicht aushalten.

Weil die Zeit drängt, sollen die Brexit-Verhandlungen fortan ohne Unterbrechung geführt werden. Raab war diese Woche bereits bei EU-Chefunterhändler Michel Barnier und wird kommende Woche erneut in Brüssel erwartet. Am 20. September treffen sich die EU-Regierungschefs zu einem informellen Gipfel in Salzburg. Entscheidender wird der Parteitag der britischen Konservativen in Birmingham ab dem 30. September. Hier werden die Brexit-Hardliner versuchen, den Chequers-Kompromiss zu begraben und May wieder auf ihre ursprünglichen roten Linien zu verpflichten.

Laut einer Umfrage der einflussreichen Webseite Conservativehome halten 68 Prozent der Parteimitglieder den Chequers-Vorschlag für einen schlechten Deal. Ein Sturz Mays vor dem Brexit-Tag im März 2019 gilt dennoch als unwahrscheinlich, weil er die Gefahr von Neuwahlen mit sich bringt. Die oberste Priorität der Brexit-Hardliner ist es jetzt, den Stichtag zu erreichen und den formalen EU-Ausstieg sicherzustellen.

Die 28 EU-Regierungschefs treffen sich am 18. Oktober zum nächsten regulären EU-Gipfel. Bis dahin sollte der Ausstiegsvertrag der Briten eigentlich unterschriftsreif sein. Zugleich wollte man eine gemeinsame Erklärung zur künftigen Handelsbeziehung abgeben. Beides gilt nun als unwahrscheinlich.