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Ich erlebte die Fukushima-Katastrophe, als ich für Mercedes in Japan arbeitete – diese 7 Lektionen vergesse ich niemals

 - Copyright: Nandy/Getty Images
- Copyright: Nandy/Getty Images

Tokio, 2011: Marc-Oliver Nandy steht gerade an der Tür zwischen seinem Büro und dem Vorzimmer seiner Sekretärin, als das 20-stöckige Gebäude zu schwanken beginnt. "Es fühlte sich an, als ob unser Arbeitsgebäude bis zu drei, vier Meter hin und her wackelte“, erinnert sich der heute 52-Jährige an den 11. März 2011. Die Geräusche hätten ihn an den Film “Titanic” erinnert: “In dem Moment, wo das Schiff sinkt, gibt es diese wahnsinnig lauten Geräusche, wenn sich große Stahlträger verbiegen. Genauso klang es in diesem Hochhaus."

Während des Bebens rollen Stühle durch das Büro, so Nandy. Kopiermaschinen bewegen sich, und Schreibtische wackeln. “In Japan lernt man in Katastrophentrainings, bei Erdbeben unter den Tisch zu kriechen.” An diesem Tag muss er sein Wissen praktisch anwenden – um sich vor herabfallenden Gegenständen zu schützen, wie er erzählt. Das Beben dauert etwa eine halbe Stunde an. “Danach schauten wir sofort die Nachrichten, um die Lage zu beurteilen.” Es ist die Nuklearkatastrophe von Fukushima.

Er ist als Führungskraft vor Ort, als die Fukushima-Katastrophe über das Land hereinbricht

In dem Hochhaus befindet sich zu diesem Zeitpunkt der Führungsstab von Mercedes-Benz Japan, zu dem auch Nandy gehört. Er ist für die Arbeit von seiner Heimat Deutschland für vier Jahre nach Japan gereist. Von 2009 bis 2013 soll er dort als Representative Director & Vice President für den Bereich Head of Customer Service tätig sein.

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In seinem zweiten Jahr, am 11. März 2011, löst ein Erdbeben einen verheerenden Tsunami aus, der mit Wellenhöhen von bis zu 40,5 Metern auf die japanische Küste trifft. Der Tsunami überflutet große Teile der Küstenregionen und verursacht weitreichende Zerstörungen in den Dörfern und Städten. Auch das Atomkraftwerk in Fukushima wird schwer beschädigt, wie später bekannt wurde. Der Mercedes-Benz-Standort in Tokio liegt zu dieser Zeit rund 260 Kilometer von Fukushima entfernt.

An den Tag, an dem die verheerende Katastrophe über das Land hereinbrach, erinnert sich der 52-Jährige bis heute. Am Horizont soll Rauch aufgestiegen sein, erzählt er etwa. Wegen der brennenden Öltanks in der Tokyo Bay.

Er versucht nach dem ersten Beben, seine Mitarbeiter zu erreichen

Als Nandy zum ersten Mal davon erfährt, versucht er seine rund 350 Mitarbeiter über die Festnetzleitung zu erreichen. Er will sicherstellen, dass es ihnen gut geht. Mobiltelefone funktionieren zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr, erzählt er. “Die Netze waren zusammengebrochen. Meinen Mitarbeitern schien es aber zum Glück gut zu gehen.”

Marc-Oliver Nandy. - Copyright: Privat
Marc-Oliver Nandy. - Copyright: Privat

Die nächsten Stunden seien reines Krisenmanagement gewesen. "Wir mussten zunächst in diesem 20. Stockwerk des Hochhauses bleiben. Es kam eine Durchsage über die Notfallkommunikation, dass wir nicht auf die Straße gehen sollten," erinnert sich Nandy.

Nachmittags um fünf sei aber endlich die Erlaubnis gekommen, das Büro zu verlassen und nach Hause zu fahren. "Wir mussten schnell entscheiden, was wir tun. Wir haben also als Erstes unsere Mitarbeiter nachhause geschickt. Sie sollten sich in Gruppen bewegen, die in die gleiche Richtung mussten. Die Bahnen fuhren nicht mehr.”

Der Führungskreis von Mercedes-Benz bleibt vor Ort

"Dann kam das Wochenende, und die Lage in Fukushima eskalierte," fährt er mit seinem Gedächtnisprotokoll fort. Der Krisenstab entscheidet daraufhin, alle Expat-Familien aus Japan zu evakuieren. "Unsere Firma charterte Flugzeuge, um die Familien auszufliegen.“ Seine eigene sei ins 1.150 Kilometer entfernte Seoul evakuiert worden, erzählt er.

Hingegen entscheidet sich der Führungskreis von Mercedes-Benz Japan zu bleiben. “Das mag heroisch klingen, aber wir sagten uns: ,Wir als Führungskräfte können nicht einfach gehen.‘ Wir waren wie die Offiziersmannschaft auf einem Schiff. Du kannst bei einem Sturm nicht mit dem Hubschrauber wegfliegen und erst zurückkommen, wenn die Sonne wieder scheint.“

Die kommenden Wochen nach dem Erdbeben wird die eigentliche Arbeit des damals 39-Jährigen, seiner Kollegen und dem Kristenstab erstmal pausiert. Das Unternehmen schaltet in den Notgang. Nandys Angaben zufolge werden Mitarbeiter dann mit Lebensmitteln und Benzin versorgt.

Nandy hat uns 5 Dinge verraten, die er über sich nach der Katastrophe gelernt hat.

5 Dinge, die ich durch die Extremsituation über mich als Person und Führungskraft gelernt habe

1. Kommunikation und Präsenz

Als Nandy im 20. Stock seines Bürogebäudes saß, während draußen das Erdbeben wüteten, habe er verzweifelt versucht, seine Mitarbeiter zu erreichen. Diese Erfahrung hätte ihm gezeigt, wie wichtig klare und beruhigende Kommunikation sein kann. Er musste sicherstellen, dass alle Mitarbeiter informiert wurden und in Sicherheit waren.

Nandy habe in kürzester Zeit geklärt:

  • Sind alle Mitarbeiter wohlauf?

  • Welche Schäden sind entstanden?

  • Was ist als Nächstes zu tun?

  • Wie bleiben wir in Kontakt?

  • Wie sieht der Krisenstab aus?

2. Krisenmanagement und Entscheidungsfindung

Daran anschließend lernte er in der Extremsituation, schnell und effektiv Entscheidungen zu treffen. Unmittelbar nach dem Erdbeben habe er ein Krisenmanagementteam gebildet: "Wir mussten die Mitarbeiter nach Hause schicken, aber immer in Gruppen“, sagt er. "Die Bahnen fuhren nicht mehr, also mussten viele nach Hause laufen." Diese schnelle Reaktion sollte helfen, die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten.

Er erinnert sich an die Herausforderung, die Spende der Daimler AG nach Japan zu transportieren: "Wir haben uns darum gekümmert, dass 20 Lastwagen und schwere Hilfsgeräte wie Unimogs nach Japan verschifft wurden," erklärt er. "Ich habe persönlich mit dem Vice President von Nissho gesprochen, um die Logistik zu organisieren." Nissho ist ein japanisches Großhandelsunternehmen mit Sitz in Minato, Tokio.

Dies zeigte ihm, wie wichtig es ist, in Krisenzeiten praktische Lösungen zu finden und Ressourcen effektiv zu nutzen.

3. Verantwortung  

Nandy und sein Führungskreis hätten entschieden, in Japan zu bleiben, während viele Expats das Land verlassen durften. "Wir mussten unseren Mitarbeitern und Kunden vor Ort zeigen, dass wir da sind, um sie zu unterstützen." Wobei ihn einige Freunde für sein Bleiben für verrückt erklärt hätten, wie er sagt, schon alleine wegen der radioaktiven Freisetzungen. Er erklärt: “Ich habe die Werte täglich überprüft und hätte bei Gefahr jederzeit das Land verlassen können.”

4. Netzwerken und Teamarbeit

Der Director sagt, er habe hier mehr denn je gelernt, sich als Teil der Crew und der Gesellschaft zu begreifen. “Es gab viel zu tun, um aufzuräumen und zu reparieren.” So habe er einmal mehr die Bedeutung von Netzwerk und Teamarbeit erkannt.

In den Wochen nach dem Erdbeben habe sich das Team schließlich um die Versorgung der Mitarbeiter gekümmert, gemeinsam mit Partnerfirmen, Behörden, Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz.

5. Persönliche Resilienz

Die Fukushima-Katastrophe testete auch Nandys persönliche Resilienz, wie er sagt. "Ich habe gelernt, wie ich auf existenzielle Bedrohungen reagiere. Er habe natürlich auch Angst gehabt. „Aber ich konnte mit der Situation umgehen." Diese Erfahrungen hätten sein Vertrauen in seine Fähigkeit gestärkt, in extremen Situationen Ruhe zu bewahren und effektive Entscheidungen zu treffen.

Nandy habe jedoch noch einige Zeit später gemerkt, dass er immer wieder das Gefühl hatte, die Erde würde beben – obwohl sie es nicht tat, wie er Business Insider erzählt. Er habe zudem Schlaf- und Gleichgewichtsstörungen bemerkt. "Ich habe später gelesen, dass dies typisch ist für Menschen, die solche Situationen erlebt haben," sagt er. "Es zeigt, wie tief solche Erfahrungen beeinflussen können."