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Einzelhandel droht „Insolvenzwelle von nie gekanntem Ausmaß“

In den nächsten Monaten müssen wahrscheinlich viele Händler aufgeben. Damit werden die Fußgängerzonen noch unattraktiver. Das trifft auch die Gastronomie.

Die Lage der Einzelhändler verschärft sich durch die Krise. Foto: dpa
Die Lage der Einzelhändler verschärft sich durch die Krise. Foto: dpa

Mark Rauschen ist besorgt. „Jedes Jahr kommen rund sechs Millionen Besucher in unser Mode- und Sporthaus“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter von L & T in Osnabrück.

Das sind etwa so viele wie jährlich den Eiffelturm in Paris besuchen. Sie kommen auch, weil der Unternehmer 30 Millionen Euro in ein riesiges Wasserbecken investiert hat, damit seine Kunden mitten im Sporthaus surfen können.

Doch die Attraktion in der Osnabrücker City ist wegen der Coronakrise geschlossen. „Es ist zur Zeit gespenstisch in der Innenstadt“, beschreibt Rauschen die Konsequenzen des staatlich verordneten Shutdowns für die Stadt im Norden Deutschlands.

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Ähnlich könnte es auch nach Ende der Coronakrise in vielen deutschen Städten aussehen. Denn Experten gehen davon aus, dass viele Einzelhändler die wochenlange Schließung ihrer Läden nicht verkraften werden.

Da außerdem vielen Gastronomen das Aus droht, besteht die Gefahr, dass sich der Leerstand in vielen Innenstädten beschleunigen wird und sie weiter an Attraktivität verlieren. Die bittere Folge: Es kommen noch weniger Besucher in die Zentren.

„Um die Attraktivität der Innenstädte zu erhalten, ist ein funktionierender Modehandel sehr wichtig“, sagt Klaus Harnack, Partner der Unternehmensberatung Hachmeister + Partner. „Davon profitieren auch andere für die Vitalität der Städte wichtige Branchen wie die Gastronomie“, unterstreicht der Berater.

Insolvenzwelle wird erwartet

Doch diese bunte Mischung aus Mode- und anderen Läden sowie Restaurants könnte sich in den nächsten Monaten dramatisch verändern. „Spätestens Ende des Jahres wird es eine Insolvenzwelle im Einzelhandel von nie gekanntem Ausmaß geben“, fürchtet Harnack. Er sorgt sich, dass etwa ein Drittel der Unternehmen die Folgen der Coronakrise nicht überleben wird.

Schon seit Jahren kommen immer weniger Menschen in die Städte, um einzukaufen. Alleine in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Läden im deutschen Einzelhandel nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) um rund 29.000 verringert.

Das liegt am wachsenden Online-Geschäft, aber auch daran, dass sich die Innenstädte immer mehr gleichen, weil überall die selben Filialisten von Esprit über H & M bis Zara das Bild prägen – und kleinere Einzelhändler aufgeben.

Außerdem sind selbst große Konzerne wie Galeria Karstadt Kaufhof gefährdet. Deutschlands größter Warenhauskonzern hat vor kurzem ein Schutzschirmverfahren angemeldet. So will sich der Einzelhandelsriese vor Forderungen von Gläubigern in der Coronakrise schützen.

Schwierige Zeiten für Vermieter

Diese trifft nicht nur die großen deutschen Städte. „Je kleiner die Orte, desto schwieriger wird es“, meint Eckhard Brockhoff. Der Unternehmer aus Essen sieht sich als größter regionaler Gewerbemakler Deutschlands. Schon in den vergangenen Jahren hätten viele Mittelstädte zu kämpfen gehabt. Doch jetzt werde die Lage noch brisanter.

Der Makler sieht vor allem auf manche Vermieter schwere Zeiten zukommen. Einige werden ihre Mieter verlieren, weil sie Insolvenz anmelden müssen. Andere versuchen, die Miete mit Hinweis auf die Coronakrise in den nächsten Monaten auszusetzen. Es könne gut sein, dass viele Handelsketten ihre Mieten in der Zeit danach dauerhaft senken wollten, sagt Brockhoff.

In den vergangenen Jahren war der Einzelhandel in den Innenstädten immer mehr von Restaurants und Imbissbuden verdrängt worden. „Food is the new Shopping“ gilt als Leitspruch vieler Quartiersentwickler, beobachtet Michael Lidl, Partner der Hotel- und Gastronomieberatung Treugast.

Aber auch die städtische Gastronomie könnte durch Corona nun teilweise wegbrechen. Die Gefahr, dass die gastronomische Landschaft verödet, bestand bereits vor der Krise. Aber „ein solcher Prozess wird durch die Coronakrise beschleunigt“, sagt Lidl.

Dieser Meinung schließt sich Hermann Weiffenbach, der Gründer der Enchilada-Gruppe aus München, an. Der Unternehmer und Franchisegeber für rund 90 Restaurants bundesweit befürchtet: „Wir werden eine Insolvenzwelle in der Gastronomie erleben. Vor allem die kleinen Gastronomen wird es treffen, die in der Regel keine Rücklagen haben.“

Modemarken fürchten um Händler

Internationale Ketten könnten finanziell länger durchhalten. Eine Vielfalt an Restaurants, Eisdielen und Cafés ist für lebhafte Innenstädte jedoch ebenso wichtig wie ein breit gefächerter Einzelhandel.

Um ein Ladensterben zu verhindern, haben sich jetzt viele Firmen der Modeindustrie zusammengeschlossen. Dazu gehören Mark Bezner vom Hemdenhersteller Olymp genauso wie die Chefs der Männermodemarke Brax sowie Michael Hirmer, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Münchener Textilhauses.

„Das übergeordnete Ziel ist die Erhaltung vitaler Innenstädte in Deutschland mit einem geradezu einzigartigen Mix aus Einzelhandel, Gastronomie und kulturellen Einrichtungen“, schreiben die Verfasser eines Thesenpapiers, zu denen auch große Verbände wie der Bundesverband des deutschen Textilen Einzelhandels gehören.

Aufgrund der zu erwartenden Einbußen dieses und nächstes Jahr würden Kredite nicht ausreichen, um eine Insolvenzwelle nie dagewesenen Ausmaßes abzuwenden. Es würden Handel und Hersteller gleichermaßen existenziell getroffen und es käme zu einem verheerenden Dominoeffekt. So gehe es um die Erhaltung von 440.000 Arbeitsplätzen allein im Einzelhandel mit Bekleidung, Sportartikeln, Schuhen und Lederwaren.

Österreich als Vorbild

Die Modefirmen fordern einen Ausgleich für die Vermögensschäden, die ihnen durch die Schließung der Ladenlokale wegen der Coronakrise entstanden sind. Sie verweisen auf das österreichische Modell.

Dort können zum Beispiel zunächst gewährte Kredite in Zuschüsse umgewandelt werden. Außerdem können Zuschüsse unabhängig von zuvor gewährten Krediten ausgezahlt werden.

Denn nach Berechnungen von Hachmeister + Partner ist davon auszugehen, dass sich der Einzelhandel nach der Öffnung der Läden erst langsam wieder erholen wird. Je nach Szenario wird das Umsatzminus im Mai bei bis zu 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr liegen.

Auch im Juni und Juli wird noch ein Minus von 40 bis 50 beziehungsweise 30 bis 40 Prozent erwartet. Deshalb könnten die Händler Mieten, Personal- und Energiekosten kaum zahlen.

Vor allem müssen sich die Unternehmen auf die Wiederöffnung der Läden einstellen. „Wir bereiten uns darauf vor, dass wir genug Desinfektionsmittel, Masken und Plexiglasscheiben als Spuckschutz an den Kassen vorbereiten“, erklärt Mark Rauschen, der Chef von L & T in Osnabrück, die gewaltigen Veränderungen, die die Corona-Epidemie für den Einzelhandel mit sich bringt.

„Wir werden die Leichtigkeit von früher beim Einkaufen erst einmal nicht erleben“, befürchtet Rauschen. Es wird einige Zeit dauern, bis wieder so viele Besucher wie vor der Krise in das Haus mit dem Surfbecken pilgern werden.