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In Corona-Zeit drastischer Anstieg bei Beschwerden über Airlines und die Bahn

Die Coronakrise hat zu vielen Stornierungen im Reiseverkehr geführt. Nun sorgt die Entschädigungspraxis der Airlines und der Bahn für großen Kundenärger.

Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) registriert wegen coronabedingter Reisestornierungen einen drastischen Anstieg an Beschwerden über Fluggesellschaften und die Deutsche Bahn. Das geht aus einer vorläufigen Statistik der Schlichter hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

Bis Anfang Juni gingen demnach bei der Schlichtungsstelle etwa 10.000 Beschwerden ein. Zum Vergleich: Im Flugchaos-Sommer 2018 waren es zu diesem Zeitpunkt knapp 7.900 Beschwerden.

Die SÖP kümmert sich um Probleme bei Flug-, Bus-, Bahn- und Schiffsreisen. Zum größten Teil geht es um eine Entschädigung bei Verspätungen oder Ausfällen von Flügen und Bahnfahrten.

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Aktuell erhalte die Schlichtungsstelle pro Woche zwei bis dreimal so viele Schlichtungsanträge wie in den vergleichbaren Zeiträumen der Vorjahre, sagte SÖP-Geschäftsführer Heinz Klewe dem Handelsblatt.

Allein in den ersten beiden Juni-Wochen hat die SÖP knapp 1.900 Beschwerden bekommen. Davon richteten sich rund 1.600 gegen Fluggesellschaften. Im Vorjahreszeitraum sind es 810 Schlichtungsanträge gewesen, davon haben sich 673 auf Airlines bezogen.

„Kunden der Airlines wollen die Ticketkosten für nicht stattgefundene Flüge endlich erstattet bekommen“, sagte SÖP-Geschäftsführer Klewe. „Bahnkunden wiederum sind verärgert, dass sie für nach dem 4. Mai gekaufte, aber nicht nutzbare Sparpreis- und Super-Sparpreis-Tickets einen zeitlich bis Ende Oktober befristeten und nur für die gebuchte Fahrtstrecke gültigen Gutschein erhalten.“

Politiker der Koalition und der Opposition reagierten mit scharfer Kritik auf die Entschädigungspraxis insbesondere von Fluggesellschaften wie der Lufthansa. „Von einem Unternehmen wie der Lufthansa, das eine Milliardenhilfe des Staates bekommen soll, erwarte ich, dass es seine Kunden nicht im Regen stehen lässt“, sagte der tourismuspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Paul Lehrieder (CSU), dem Handelsblatt. „Auch andere Airlines sollten sich rechtlich korrekt verhalten und stornierte Tickets innerhalb von sieben Tagen zurückerstatten.“

Die Grünen brachten Geldstrafen gegen die Airlines ins Spiel. „Das Luftfahrtbundesamt als Durchsetzungsstelle für Fluggastrechte muss tätig werden und im Zweifelsfall Bußgelder verhängen“, sagte der Grünen-Tourismuspolitiker Markus Tressel dem Handelsblatt. „Außerdem muss die Rückzahlung der Kundengelder eine Bedingung für jede staatliche Hilfe für Fluggesellschaften werden.“

Verbraucherschützer sehen Bundesregierung am Zug

Deutschlands oberster Verbrauchschützer Klaus Müller sieht die Bundesregierung am Zug. „Im Gegenzug zu den zu leistenden Milliardenhilfen sollte die Bundesregierung die Lufthansa mit Nachdruck auffordern, ihren Kunden unverzüglich die Ticketkosten für stornierte Flüge zurückzuerstatten“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) dem Handelsblatt. Die Verbraucherzentralen registrierten derzeit „sehr viele Verbraucherbeschwerden“ über das Verhalten von Airlines. „Sie enthalten ihren Kunden Geld vor, das ihnen zusteht und halten sich somit nicht an geltendes Recht.“

Infolge der Corona-Pandemie ist der Luftverkehr nahezu vollständig zusammengebrochen und Tausende Flüge wurden storniert. Grundsätzlich müssen die Gesellschaften den Ticketpreis innerhalb von sieben Tagen erstatten.

Lufthansa und andere Gesellschaften hatten hingegen zunächst darauf gesetzt, die Kunden mit Gutscheinen abzufinden. Dies scheiterte aber an der EU-Kommission. In den vergangenen Tagen hatte Lufthansa die Verzögerungen bei der Rückzahlung mit der Vielzahl von Fällen begründet.

Tressel warf der Bundesregierung vor, den Airlines zunächst europarechtswidrige „Zwangsgutscheine“ versprochen und so deren Hinhaltetaktik monatelang gedeckt zu haben. „Zu Recht sind die Zwangsgutscheine inzwischen offiziell vom Tisch, de Facto nutzen die Airlines ihre eigenen Kunden trotzdem unbehelligt und ohne Grundlage als Bank“, kritisierte der Grünen-Politiker. „Aber auch die Krise setzt geltendes Recht nicht außer Kraft, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben jetzt lange genug auf ihr Geld gewartet.“

CSU: Für Beschwerden über die Bahn wenig Verständnis

Die Lufthansa teilte auf Anfrage mit, bisher seien Ticketerstattungen „normalerweise Einzelfälle, jetzt sind es Zehntausende am Tag“. Deshalb bitte das Unternehmen um Verständnis dafür, „dass die

se derzeit nicht zu den sonst üblichen Fristen darstellbar sind“. Sie betonte: „Wir erhöhen fortlaufend unsere Kapazitäten, um eine schnellere Bearbeitung der Anfragen zu ermöglichen. Dadurch sollen Ticketerstattungen im dreistelligen Millionenbereich pro Monat möglich werden.“

Auch der FDP-Tourismuspolitiker Marcel Klinge pocht auf die Einhaltung geltenden Rechts. „Es ist unverschämt, dass den Kunden ihr Recht auf Rückzahlung verzögert oder sogar verweigert wird“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt.

„Grade bei Konzernen, die dem Staat gehören oder von ihm gestützt werden, erwarte ich, dass Recht und Gesetz eingehalten werden und die Kunden schnell ihre Gelder zurückbekommen.“

Mit Blick auf die Bahn mahnte Klinge Verbesserungsbedarf an. „Bei den Erstattungen von Bahntickets sollte der Bund eine besondere Vorreiterrolle einnehmen, da die Gutscheinregelung hier oft nicht mehr zur Lebensrealität der Reisenden passt“, sagte er. „Denn der Anlass der geplanten Reise, zum Beispiel ein Konzert, findet ja nicht mehr statt.“

Deutliche Kritik an der Bahn äußerte auch Verbraucherschützer Müller. „Die Bahn hat seit dem Start der Coronakrise an Vertrauen eingebüßt“, sagte der VZBV-Chef. Auf europäischer Ebene würden gerade die Bahngastrechte neu verhandelt. „Die Bundesregierung sollte sich stärker als bisher für verbraucherfreundliche Regelungen einsetzen.“ Dazu zähle insbesondere zu verhindern, „dass Fahrgastansprüche im Fall höherer Gewalt ausgehebelt werden“.

Der CSU-Politiker Lehrieder nahm die Bahn dagegen gegen Kritik in Schutz. „Für Beschwerden über die Bahn habe ich wenig Verständnis“, sagte er. Die Gutscheinregelung für Super-Sparpreistickets halte er für einen „fairen Interessenausgleich“. Die Zugbindung sei ja jedem vorher bekannt gewesen. „Die Kritik daran halte ich für überzogen.“

Die Bahn teilte auf Anfrage mit, sie habe „sehr frühzeitig mit sehr umfangreichen Kulanzmaßnahmen auf die Corona-Pandemie reagiert und bislang die Stornierung und flexible Nutzung von rund fünf Millionen Fahrten ermöglicht. Unsere Lösungen waren und sind sowohl kundenfreundlich als auch unbürokratisch.“

Der bundeseigene Konzern hatte bis Pfingsten aufgrund der Schutzmaßnahmen gegen das Virus einen Einbruch der Fahrgastzahlen von rund 90 Prozent hinnehmen müssen. Gleichzeitig hatte die Bahn ihr Angebot im Fernverkehr aber lediglich um etwa ein Viertel reduziert. Krisenbedingt soll der Konzern eine Finanzspritze von fünf Milliarden Euro vom Eigentümer Bund erhalten.