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Digitalverbände wollen Corona-Warn-App mit automatisierter Clusternachverfolgung

Die Grünen wollen die Corona-Warn-App für die Kontaktnachverfolgung technisch rüsten. Digitalverbände loben den Vorstoß, kritisieren aber ein wichtiges Detail.

Derzeit haben 22 Millionen Menschen in Deutschland die App installiert. Foto: dpa
Derzeit haben 22 Millionen Menschen in Deutschland die App installiert. Foto: dpa

Die Digitalverbände Bitkom und BVDW haben sich dafür ausgesprochen, die Corona-Warn-App mit zusätzlichen Funktionen zur Kontaktnachverfolgung auszustatten. Sie begründen die Forderung mit der zunehmenden Überlastung der Gesundheitsämter. Ein Vorstoß der Grünen, die Pandemiebekämpfung künftig auf Cluster zu konzentrieren, in denen besonders viele Menschen zusammenkommen, geht den Verbänden aber nicht weit genug.

„Der aktuelle Vorschlag zum Einsatz von Barcodes und manuellen, situationsbezogenen Eingriffen in jedem Einzelfall geht an den Realitäten des Nutzerverhaltens vorbei“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder dem Handelsblatt. „Neue Funktionen werden nur dann praktisch wirksam, wenn sie automatisiert ablaufen und nicht jedes Mal händische Eingriffe der Beteiligten brauchen. Wir würden uns wünschen, dass die Grünen dies in ihren Überlegungen und Vorschlägen berücksichtigen.“

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Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Die Diagnose der Grünen, wonach die Erkennung von Clustern bei der Corona-Bekämpfung eine immer wichtigere Rolle spielte, sei zwar richtig. „Aber bei der konkreten Lösung habe ich meine Zweifel“, sagte BVDW-Vizepräsident Achim Himmelreich dem Handelsblatt. „Die Besucher eines Restaurants zum Beispiel müssen ja alle via QR-Code aktiv werden.“ Und das sei sicher eine hohe Hürde. Außerdem müsse der Datenschutz sichergestellt werden. „Denn jegliche manuelle Funktion kann Einfalltor für Missbrauch sein“, sagte Himmelreich.

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz hatte die Erweiterung der Warn-App um eine „manuelle Funktion“ zum Erfassen von Zusammenkünften mehrerer Personen vorgeschlagen, zum Beispiel zu Hause, im Restaurant oder im beruflichen Meeting. Allein auf der Basis der Abstandsmessung zwischen einzelnen Geräten könne die Erkennung von Clustern bisher von der App nicht erfasst werden, begründete er seinen Vorstoß. Dafür solle deshalb künftig ein QR-Code verwendet werden, der von einem Teilnehmenden erzeugt werde oder auch statisch beispielsweise für ein Restaurant gelte, sagte von Notz dem Handelsblatt.

„Mit diesem Code bekomme ich einen Schlüssel, der für die Dauer der angesetzten Zusammenkunft oder für einen vorher festgelegten Zeitraum gilt.“ Melde sich eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer der Zusammenkunft als positiv getestet, würden über diesen Schlüssel alle anderen informiert. „Dies würde die Information über die konkrete Gefahr für die Menschen spürbar vereinfachen und zusätzlich die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung entlasten.“

Spahn: Mehr Menschen sollten Infektionen über Corona-App melden

Experten fordern schon länger weitere Funktionen und Updates, um die Warn-App effizienter und attraktiver zu machen. Einer der Vorschläge ist dabei eine automatische Erkennung, ob Nutzerinnen und Nutzer sich innerhalb einer größeren Menschenmenge oder einer Cluster-Situation befinden.

So gab der Co-Vorsitzende des digitalpolitischen Thinktanks D64, Henning Tillmann, zu bedenken, dass die App mit dem Kenntnisstand des Frühjahrs entwickelt worden sei. Aerosole, Superspreader-Events und Cluster seien damals kaum diskutiert worden, schrieb Tillmann kürzlich in einem Gastbeitrag für „Spiegel Online“. Er regte an, die App so weiterzuentwickeln, dass sie zum Beispiel erkennen könne, ob Kontakte mit mittlerweile positiv getesteten Menschen während großer Menschenansammlungen stattgefunden haben. Was wiederum von Bedeutung für die Risikoermittlung wäre.

Dass Gesundheitsämter verstärkt Cluster aufspüren und verfolgen, statt sich auf Einzelkontakte zu fokussieren, hatte der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité schon im Sommer vorgeschlagen. Nur so ließen sich angesichts in die Höhe schnellender Fallzahlen Infektionsketten noch nachverfolgen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief dazu auf, mehr nachgewiesene Infektionen über die Corona-Warn-App zu teilen. Er sei aber weiter dagegen, die Anwendung verpflichtend zu machen, sagte Spahn am Samstag bei einem virtuellen Kongress der Kommunalpolitischen Vereinigung von CDU und CSU. Entwickler arbeiteten an Verbesserungen. So solle die App öfter als nur täglich aktualisiert werden. Die Nutzer sollten zudem vom System aktiv ermuntert werden, Infektionen zu melden.

Gesundheitsämter am Limit

Derzeit haben nach seinen Worten 22 Millionen Menschen in Deutschland die App installiert, 18 bis 20 Millionen Menschen nutzen sie tatsächlich. Mittlerweile seien mehr als zwei Millionen Laborergebnisse über die App übermittelt worden. Jeder Zwang führe zu einer sehr kontroversen Debatte mit dem Risiko, dass man an Akzeptanz verliere, warnte er.

Zugleich wundere ihn, wie bereitwillig die Menschen in Deutschland und Europa Gesundheitsdaten in den Angeboten der Internetgiganten teilten. „Das ist wirklich Überwachungskapitalismus, die machen Kohle mit unseren Daten“, sagte Spahn. Im Überwachungsstaat China würden inzwischen von jedem Neugeborenen die Gen-Daten ausgelesen, sagte er. Kein Verständnis habe er aber, wenn es in Deutschland schon erbitterte Diskussionen gebe, wenn anonymisierte Daten für die Forschung zusammengeführt werden sollten.

Wegen aktueller oder drohender Engpässe beim Kampf gegen die Corona-Pandemie lagen dem Robert Koch-Institut (RKI) zuletzt 41 Meldungen von Gesundheitsämtern vor. Dabei geht es in 34 Fällen darum, dass Infektionsschutzmaßnahmen nicht mehr voll vorgenommen werden können, wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilte. In sieben Fällen wurde gemeldet, dass dies in den nächsten Tagen nicht mehr sichergestellt werden könne.

Der Bund bietet bei Kapazitätsengpässen etwa beim Nachverfolgen von Kontaktpersonen infizierter Menschen Unterstützung an. Neben Helfern des RKI sind derzeit 5350 Soldaten etwa in Gesundheitsämtern oder bei Tests im Einsatz. Der bundesweite Teil-Lockdown mit zahlreichen Schließungen im November zielt ebenfalls darauf, dass die rund 375 Gesundheitsämter die Lage wieder besser unter Kontrolle bekommen.