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Diese jungen Startups wollen die Videokonferenz-Branche aufmischen

Zwei von vielen: Janis Zech und Matthias Voßberg haben es auf wiederkehrende Umsätze im explodierenden Markt für Videokonferenz-Tools abgesehen.
Zwei von vielen: Janis Zech und Matthias Voßberg haben es auf wiederkehrende Umsätze im explodierenden Markt für Videokonferenz-Tools abgesehen.

An Zoom, Teams oder einen Slack-Videoanruf haben wir uns alle längst gewöhnt. Und doch kennen wir auch alle das Gefühl, dass die Tools nie so ganz genau das bieten, was man sich wünschen würde. Was daran liegt, dass sie für einen sehr allgegenwärtigen, aber auch sehr eingeschränkten Einsatzzweck geschaffen wurden: das Business-Meeting.

Nun haben uns die unterschiedlichen Stufen des Corona-Lockdowns aber deutlich gemacht, dass es im digitalen Meeting-Leben mehr gibt als nur die Powerpoint-Präsentation der letzten KPIs. Und auch wenn wir uns mit den (beliebig austauschbaren) Tools der großen Anbieter erst einmal helfen konnten – sie sind doch nur eine Notlösung. Außerhalb ihrer ursprünglichen Bestimmung stoßen sie schnell an ihre Grenzen – wenn es zum Beispiel darum geht, Einladungen für eine große Zahl an Eventbesuchern zu verwalten oder Bezahlmechanismen für Trainings bereitzustellen.

Dreistellige Millioneninvestitionen – aber bislang nicht in Deutschland

Weil aber recht klar sein dürfte, dass auch in Zukunft digitale Zusammenkünfte Teil unseres Lebens sein werden, entsteht derzeit eine boomende Industrie: die der spezialisierten Videokonferenztools. Neun dieser Art, das hat der Dienst Startupdetector für Gründerszene herausgefunden, wurden allein in den vergangenen drei Monaten hierzulande gegründet.

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Wie groß das Potenzial von Videolösungen eingeschätzt wird, lässt sich gut am Beispiel des britischen Startups Hopin darstellen. Das wurde im Juni 2019 in London gestartet, also noch vor der Corona-Pandemie. Das Ziel: eine Plattform aufzubauen, mit der sich digitale Events rund um den Globus realisieren lassen. Heute, nicht einmal zwei Jahre später, sind rund eine halbe Milliarde Euro in das Unternehmen geflossen. Das Geld haben namhafte internationale VCs gegeben: Andreessen Horowitz, Salesforce Ventures, Tiger Global, Coature, Northzone. Und auch wenn die Dimensionen bei Hopin sicherlich nicht den Durchschnitt darstellen, Silicon-Valley-Firmen wie das Brainstorming-Tool Mural und Whiteboard-Plattform Miro oder die noch junge Berliner Meetingsoftware Wonder und die US-Meetingplattform Gather sind ebenfalls erfolgreich vorgeprescht.

„Wir haben eine Liste gemacht von solchen Tools, aber da kommt man ja gar nicht hinterher“, sagt Matthias Voßberg. Er hat zusammen mit Samuel Rumold vor ein paar Monaten das Startup 2gthr.online gegründet. Und das – noch – nebenbei, Rumold entwickelt Software beim Fintech Revolut und Voßberg ist technischer Produktmanager bei Delivery Hero in Berlin. Sie kennen sich aus der gemeinsamen Vergangenheit beim Mobility-Startup Careem.

„In welche Richtung sollen wir Vollgas geben?“

Wieso der Markt trotz der Vielzahl an Anbietern für sie interessant ist? Weil er unglaublich groß ist, sagt Voßberg im Gespräch mit Gründerszene. „Vielleicht auch deshalb befinden wir uns gerade in einem Dilemma – in welche Richtung sollen wir Vollgas geben?“ Die Plattform 2gthr ist schon benutzbar, und das tun auch einige – mit sehr unterschiedlichen Ansätzen. Eine Uni in Kanada habe sie zum Beispiel für ein Lehr-Bootcamp genutzt. Auch eine Messe in Indiana habe schon auf 2gthr stattgefunden. Vielmehr: der Networking-Teil, denn die Berliner Plattform unterstütz derzeit kein Einladungsmanagement. Einige Firmen bilden auch ihr Büro auf der Plattform virtuell ab.

„Ob digitale Events oder virtuelles Büro – beides ist sehr attraktiv“, sagt Voßberg. Ersteres habe schon gut funktioniert, auch weil das Marketing über Eventveranstalter recht einfach war und die Teilnehmer die Plattform dann weiterempfohlen hätten. Eigene Veranstaltungen anbieten will das 2gthr-Team aber nicht, sondern immer nur eine Plattform bleiben. „In Zukunft wollen wir das virtuelle Büro angehen und mit Integrationen Dritter die Zusammenarbeit von Teams einfacher gestalten.“, so Mitgründer Voßberg. Dazu planen die 2gthr-Gründer, Schnittstellen zu bekannten Produktivitätstools einzubauen, etwa zum Panungstool Trello, dem Brainstorming-Helfer Mural oder dem Business-Messenger Slack. Selbst virtuelle Coworking-Spaces könnten irgendwann möglich sein.

Die Bandbreite an Videoangeboten, mit denen Startups derzeit die Gunst der Stunde nutzen wollen, ist bemerkenswert. Während sich 2gthr auf der Suche nach dem Fokus erst einmal breit aufgestellt hat, gehen andere umso stärker in die Nische. Beispiel gefällig? Smart Parley. Die von Sacha Hold und Marcus Jeschke im Berliner Prenzlauer Berg gegründete Firma bietet eine Plattform für Wohnungseigentümer in größeren Immobilien. Für die regelmäßigen Versammlungen soll alles Notwendige da sein: ein eigener Datenbereich für Sondereigentum, Tools für Abstimmungen, Kostenüberblick. Und, ganz wichtig, alles rechtskonform, wirbt das Startup.

Viele interessante – und unbesetzte –Nischen

Weitere Spezialangebote gefällig? Brainstork, von Programmierer Onur Ekici und Eray Tufan in Berlin gegründet, will Fokusgruppen-Interviews digitalisieren. Reaction Link, ein Angebot der Elephantlogic – Agentur für Strategieberatung, soll die gängigen Videokonferenz-Apps um die Möglichkeit für Abstimmungen erweitern. Die von Daniel Wolter und Henry Fuchs gestartete Eventplattform hubs101 fokussiert sich auf virtuelle und hybride Veranstaltungen.

Eher breit aufgestellt ist Sessions, das eine Plattform für Workshops anbietet. Das von Max-Emanuel Hoffmann in München gegründete Startup will vom Nähkurs bis zur Yogastunde alles ermöglichen, das eine Live-Verbindung erfordert. Unabdingbar, damit die Plattform auch funktionieren kann: ein Bezahlmechanismus, damit die Lehrer auch die Kosten von den Teilnehmenden einholen können. Das hat das Startup allerdings nicht selbst entwickelt, sondern nutzt dafür das Angebot von Paypal.

Auch Szenekopf Janis Zech, der schon erfolgreich Firmen wie das Adtech Fyber gründete, hat sich den Markt für Videokonferenztools als neues Ziel ausgesucht. Mit Supercam startete er zum Jahreswechsel ein neues Unternehmen, das mit Cherry Ventures auch schon einen Investor gefunden hat. Wie viel Geld geflossen ist und was genau er mit dem Startup vorhat, will Zech noch nicht verraten. Nur so viel: Mit Anbietern wie Zoom will auch er sich nicht messen. Der erfahrende Gründer sucht also die Spezialisierung.

Sowohl er selbst als auch sein Mitgründer Henrik Basten – beide haben sich bei Fyber kennengelernt – hätten schon vor der Pandemie immer häufiger von Zuhause aus gearbeitet. Und sind sich deshalb sicher, dass der Trend von der Pandemie sicher erheblich beschleunigt wurde, aber nicht von ihr abhängt. „Webinare, Konferenzen, Sales – es wird in vielen Bereichen sehr erfolgreiche Firmen geben“, sagt Zech. Es gebe genug Anwendungsbereiche, dass er eine ganze Reihe an Unicorns, also Firmen mit einer Milliardenbewertung, erwartet. Erfolgsgeschichten wie das britische Hopin seien da nur der Anfang, ist sich Zech sicher.

„Es wird nicht 30 riesige Firmen in jedem kleinen Segment geben können“

Man müsse nicht zuletzt unterscheiden zwischen Infrastrukturanbietern wie etwa Zoom und Tool-Anbietern, zu Letzteren gehöre auch sein eigenes Unternehmen. „Die unterschiedlichen Anwendungsfälle brauchen auch jeweils eigene Nutzungserlebnisse und Funktionen. Das gibt viel Gestaltungsspielraum für junge Startups“, sagt Zech. „Große Anbieter können nicht für jeden Zweck das richtige Tool bauen, das macht den Markt so attraktiv.“

Gleichzeitig warnt Zech aber auch: „Es wird nicht 30 riesige Firmen in jedem kleinen Segment geben können.“ Denn die Marktmacht bestehender Anbieter sei nicht zu unterschätzen. Schließlich ließen sich umgekehrt auch Videofunktionen in weitverbreitete Tools einbinden. „Da kann es schwer werden für Startups mitzuhalten“, sagt Zech. Dann würde den jungen Firmen gerade das entgegenschlagen, was sie sich finanziell vom Markt für Video-Businesslösungen versprechen: der im Softwarebereich so attraktive Lock-in-Effekt. Denn wenn eine Firma sich einmal für ein Tool entschieden und in die eigenen Prozesse eingebaut hat, wechselt sie so schnell nicht wieder.

Die große Bewährungsprobe für die Videokonferenz-Startups wird in den kommenden beiden Jahren sein. Wer es schafft, sich mit seinem Angebot in diesem Zeitraum zu etablieren, egal wie speziell der Anwendungsfall, hat gerade im Businessumfeld gute Aussichten: „Dann darf man sich über immer wiederkehrende Umsätze freuen“, sagt Zech. Und auf diese sind die Gründer und ihre Investoren aus.