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Diese Großbaustellen überschatten Intels Jubiläum

Chip-Gigant Intel hat in 50 Jahren schon zahlreiche Klippen umschifft. Doch jetzt ist der Marktführer ohne Chef, es droht neue Konkurrenz, eine Verschiebung der Nachfrage – und durch neue Sicherheitslücken der Super-GAU.

Ein halbes Jahrhundert lang hat der Chipgigant Intel mit seinen Erfindungen maßgeblich die Digitalisierung vorangebracht und das Zeitalter des Personal Computers überhaupt erst ermöglicht. Das Fest zum 50. Geburtstag am 18. Juli will Intel gebührend begehen. 1500 Drohnen sollen am Firmensitz in Santa Clara synchron aufsteigen und eine fulminante LED-Lichtshow in den Himmel schreiben. Das soll ein Weltrekord werden – und zeigen, dass Intel noch immer innovativ und agil ist. Doch trotz der Erfolgsgeschichte wird ein Umstand die Geburtstagslaune trüben: Im Kern der Intel-Prozessoren klaffen gefährliche Lücken. Und das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein, vermuten Fachleute.

Vor genau 50 Jahren legten die beiden Intel-Gründer, der Physiker Bob Noyce und sein Kollege Gordon Moore, den Grundstein für den heutigen Weltkonzern. Beide gehörten den legendären „Verräterischen Acht“ an, der Gruppe von Angestellten, die aus Unzufriedenheit mit der Entwicklungsstrategie ihres damaligen Arbeitgebers 1958 ihre eigene Firma Fairchild Semiconductor gründeten. Noyce und Moore sahen die Zukunft darin, mehrere Transistoren auf einem Stück Halbleiter zu verbinden. Noyce erfand etwa zeitgleich mit Jack Kilby von Texas Instruments den integrierten Schaltkreis. Er ist der Grundstein für den modernen Mikroprozessor, der auch heute noch das Herz eines jeden PCs bildet. Nach einem Streit um die Ernennung eines neuen Geschäftsführers, bei der Noyce nicht berücksichtigt worden war, verließen er und Moore Fairchild 1968, um Intel zu gründen.

Zunächst legte Intel den Schwerpunkt auf die Produktion von Speicherchips. Der erste Mikroprozessor entstand 1971 kurioserweise, weil Intel-Entwickler über ihr Ziel hinausschossen. Sie sollten einen Chip für Rechenmaschinen, Geldautomaten und Registerkassen bauen – entwickelten daraufhin aber einen universell einsetzbaren Chip, der auch für diese Verwendungen geeignet war: Intels ersten serienreifen Mikroprozessor 4004. Erst 1978 brachte Intel dann mit dem 8086 den ersten Prozessor der x86er-Reihe auf den Markt, der die Ära des Personal Computers einläutete.

In den folgenden Jahrzehnten trug vor allem die Partnerschaft mit Microsoft zum florierenden Geschäft für Intel bei; sie ging als „Wintel“-Allianz in die Geschichte ein. Immer leistungshungrigere Software erforderte immer leistungsfähigere Hardware. Mit seinem kleinen Konkurrenten AMD ging Intel dabei nicht zimperlich um. Seit fast einem Jahrzehnt droht Intel deswegen von der EU-Kommission eine Milliarden-Strafe wegen unfairen Wettbewerbs. Der Fall geht noch immer durch die Gerichtsinstanzen.

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Schwund im PC-Geschäft, Boom der Grafik-Chips

Das goldene PC-Zeitalter neigt sich allerdings dem Ende entgegen – und Intel bekommt diese Entwicklung brutal zu spüren: Die Verkäufe von PCs gingen in den vergangenen Jahren stetig zurück. Inzwischen ist das Smartphone das meistgenutzte Gerät für den Zugang ins Netz, große Rechenleistung mietet man sich heute häufig in der Cloud. Intel gelang es zwar, im Server-Geschäft deutlich zuzulegen, den Sprung ins Mobilzeitalter schafften die Kalifornier dagegen nicht. Trotz zahlreicher Anläufe schafften es die Entwickler nicht, den Strom-Hunger der Chips zu reduzieren. Smartphone-Hersteller griffen deshalb lieber nach stromsparenden Prozessoren nach Vorlage des britischen Chip-Designers ARM.

Um der Nachfrage nach immer leistungsfähigeren und energieeffizienteren Chips nachzukommen, geht Intel inzwischen Kooperationen mit Herstellern von Grafik-Chips (GPU) ein. Lange galten diese gegenüber den Computer-Prozessoren (CPU) als Rechenknechte, an die einfache und wiederkehrende Arbeiten ausgelagert werden können. Doch ihre Bedeutung nimmt für moderne Simulationen und künstliche Intelligenz stetig zu. Vor diesem Hintergrund hat Intel auch seine lange Feindschaft mit AMD aufgegeben und verbaut in seinen neusten Chipsets „Kaby Lake G“ für Laptops neben seinen CPUs auch AMDs „Radeon“-GPUs.

Die Kombi-Einheiten sollen deutlich besser aufeinander abgestimmt sein und auch merklich weniger Energie verbrauchen. Zuvor hatte Intel schon Technologie des Grafik-Chip-Anbieters Nvidia lizenziert, doch aus den Partnern werden zunehmend Konkurrenten: Mit seinen jüngsten Produkten stößt Nvidia in den Markt für Server und Hochleistungscomputer vor, die traditionelle Domäne von Intel.

Schaut man sich die aktuelle Liste der schnellsten Supercomputer der Welt an, kann man erkennen, wie gut Nvidia sich als Intel-Rivale inzwischen in Stellung gebracht hat. Erstmals im 25-jährigen Bestehen der Liste lieferten nicht CPUs, sondern GPUs den größten Anteil der Rechenleistung. Der Einzug der Grafik-Chips in die Forschungs-Labore, Universitäten und kommerzielle Datenzentren werde die Landschaft der Supercomputer für immer verändern, schätzt Michael Feldman, Chefredakteur dieser „Top-500-Liste“ der leistungsfähigsten Computer.

Höchste Zeit für Intel, jetzt selbst verstärkt auf Grafik-Chips zu setzen. Ende letzten Jahres stellte Intel den GPU-Chefarchitekten von AMD, Raja Koduri ein, der kürzlich über Twitter ankündigte, dass Intel bereits bis 2020 einen eigenen diskreten GPU-Chip bauen wolle.

Intel räumt vier hoch riskante Sicherheitslücken ein

Neben wachsender Konkurrenz aus ganz neuer Richtung könnte Intel – und damit der gesamten PC-Industrie – in naher Zukunft allerdings noch ganz anderes Unheil drohen: Vor rund einem Jahr wurden verheerende Lücken direkt im Design der Prozessoren von Intel, aber auch anderer Anbieter entdeckt. Das potenzielle Einfallstor war Jahrzehnte unentdeckt geblieben. Es bietet mit „Spectre“ und „Meltdown“ eine völlig neue Klasse von Angriffsmöglichkeiten. Dabei wird ein Design-Merkmal der Chips ausgenutzt, das eigentlich die Rechenprozesse beschleunigen soll.

Noch ist es offenbar zu keinen Angriffen gekommen, doch das kann sich jederzeit ändern. Die Hersteller arbeiten seither mit Hochdruck daran, mit Updates und Patches die Lücken zu stopfen – was bislang das Risiko eines Angriffs allerdings nur abgemildert hat. Und: Anfang Mai entdeckten Forscher gleich acht neue Sicherheitslücken nach ähnlichem Strickmuster in Intel-Prozessoren. Wie das IT-Fachmagazin „c't“ berichtet, schätzt Intel selbst vier der „Spectre“-Lücken als hoch riskant ein.

Verschärfend kommt hinzu, dass Intel derzeit ohne Chef dasteht. CEO Brian Krzanich trat Mitte Juni zurück, nachdem eine Jahre zurückliegende Affäre mit einer Mitarbeiterin bekannt geworden war – Intel hat strenge Regeln gegen private Beziehungen im Unternehmen. Eine Nachfolge steht noch nicht fest.

Die Probleme erinnern an einen Moment, in dem Intel einmal dicht am Abgrund stand: Mitte der 90er Jahre wurde ein Fehler in der Fließkomma-Berechnung bei einem Pentium-Chip entdeckt, der sich bereits im Handel befand. Zunächst hatte Intel versucht, den Fehler zu vertuschen, dann stillschweigend zu korrigieren. Intel weigerte sich auch nach Protesten, die Chips auszutauschen – was in der Öffentlichkeit eine Welle der Empörung auslöste. Der Vorteil zu heute: Intel hatte damals einen Chef, der mit einem Machtwort die Krise beenden konnte. Der langjährige CEO Andy Grove entschuldigte sich öffentlich und startete ein umfangreiches Austauschprogramm. Legendär ist bis heute Groves Leitspruch: „Nur die Paranoiden überleben“.