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Wie die Coronakrise das Geschäft mit dem Fliegen verändert

Eine ganze Branche ist durch Corona in Turbulenzen geraten – und muss sich neu erfinden. Wie Airlines, Flughäfen, Flugzeugbauer und Zulieferer reagieren.

Kaum eine Maschine hebt derzeit ab. Foto: dpa
Kaum eine Maschine hebt derzeit ab. Foto: dpa

Das, was Carsten Spohr in diesen Tagen besonders bewegt, beschreibt der oberste Lufthanseat so: „65 Jahre lang und durch viele Krisen hindurch haben wir auf den Fundamenten unserer Vorväter aufgebaut. Wir haben die Lufthansa zur Nummer eins in Europa gemacht“, sagte Spohr am Dienstag auf der Hauptversammlung von Deutschlands größter Fluggesellschaft: „Keine 65 Tage hat es gedauert, bis wir in puncto Flugaufkommen wieder das Niveau von vor 65 Jahren erreicht haben. Das ist bitter. Das ist niederschmetternd. Das tut weh.“

Mit anderen Worten: Der Lufthansa-Boss ist wie die gesamte Branche durch die Corona-Pandemie aus allen Wolken gefallen. Große Teile der globalen Luftverkehrsflotten sind geparkt – auf Start- und Landebahnen, die gerade niemand braucht. Von einer Stadt in die andere zu fliegen, von einem Land ins nächste – das, was in einer globalisierten Welt seit Jahrzehnten zum Alltag gehörte, funktioniert nicht mehr.

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Die Grenzen sind zu, die Perspektiven schlecht, bestenfalls undurchsichtig. „Noch weiß niemand, wann und wie wir wieder durchstarten können“, sagt Spohr. Nur eines steht fest: Nichts wird beim Fliegen mehr so sein wie vor der Krise. Eine ganze Branche befindet sich am Boden.

Eine ganze Branche liegt am Boden

Eine Branche, die aus Fluggesellschaften besteht, aus Flughäfen, Touristikkonzernen und Reisebüros, aus Dienstleistern für das Be- und Entladen der Jets oder für die Sicherheitskontrollen, aus Fluglotsen, Flugzeugherstellern und Leasinggebern, die die Jets kaufen – und das ist nur ein Ausschnitt aus der langen und sensibel austarierten Wertschöpfungskette eines Wirtschaftszweigs, der die Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten gefördert und getragen hat wie kaum eine andere Branche.

Eng und minutiös getaktet wie die weltweiten Start- und Landerechte, Slots genannt, ist diese Branche aufeinander angewiesen und abgestimmt. „Die Krise verändert alle Branchen. Aber während andere Industrien wieder mit der nahezu gleichen Ausrichtung an frühere Zeiten anknüpfen können, ist die Pandemie für die Luftfahrt ein Gamechanger“, sagt Christophe Mostert, Managing Partner von M2P Consulting, einer auf die Luftfahrtindustrie spezialisierten Unternehmensberatung.

Es wird weniger Airlines geben, weniger Flugzeuge, weil es auch sehr viel weniger Passagiere geben wird.

Die Luftfahrtmanager wissen das. Doch sie treibt derzeit noch ein ganz anderes Thema um: die Furcht vor den weitreichenden und damit teuren Vorschriften, um die neuen und womöglich sehr unterschiedlichen Schutzmaßnahmen in den einzelnen Ländern umzusetzen.

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Luftfahrt braucht “weltweite Standards”

Andere Vorgaben am Start- als am Zielflughafen, das ist eine Horrorvorstellung für die gesamte Branche. Vielen in der Branche ist noch das Chaos an Sicherheitsvorgaben nach den Terrorattacken im Jahr 2001 in schlechter Erinnerung.

Zwar haben sich in der vergangenen Woche Vertreter des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie von zahlreichen Verkehrsverbänden auf Vorschriften für die Mobilität in der Nach-Corona-Zeit geeinigt. In dem Katalog finden sich etwa eine Maskenpflicht und die regelmäßige und intensive Reinigung der Fahr- und Flugzeuge.

Doch schon beim Thema Fiebermessen der Passagiere beginnen die Unterschiede. In dem deutschen Papier ist davon beispielsweise keine Rede mehr. In anderen Ländern der EU wird an den Flughäfen die Temperatur aber bereits kontrolliert.

„Gerade die Luftfahrt braucht aber europaweite, am besten sogar weltweite Standards, um betriebswirtschaftlich vernünftig arbeiten zu können. Diese zu finden ist schwierig, denn es reden viele mit – zu viele“, sagt ein Experte hinter vorgehaltener Hand.

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Kunden könnten Selbsterklärung abgeben

„Unser Ziel ist es, dass es für die Flughäfen in Europa ein einheitliches Regelwerk zur Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften gibt, sodass die Fluggäste wieder Vertrauen fassen können“, sagt Beisel vom Flughafenverband ADV. Jeder Reisende solle wissen, dass das Ansteckungsrisiko am Flughafen nicht größer ist als bei einer Fahrt mit der Straßenbahn oder dem Nahverkehrszug.

Deshalb hat der weltweite Airportverband ACI das Programm „Off the ground“ gestartet. Danach sollen die Passagiere künftig vor dem Flug eine Selbsterklärung über ihren Gesundheitszustand abgeben. Kontrollieren kann das zum Beispiel die Airline im Zuge der Buchung des Tickets. Auch Temperaturmessungen soll es geben. Strittig ist noch, ob das für Ankommende, Abfliegende oder beide Gruppen gelten soll.

All das will der ACI eng mit den Verbänden anderer Branchenbereiche abstimmen, etwa den Fluggesellschaften, ein höchst komplexer Vorgang. Auf Airlineseite etwa ist nicht nur der europäische Airlineverband A4E Ansprechpartner, auch der Weltverband Iata mischt kräftig mit.

Die EU-Kommission hat wiederum auch noch die Easa hinzugezogen, eine Behörde, die sich normalerweise um die technische Sicherheit und Verlässlichkeit von Flugzeugen kümmert, nicht aber um den Gesundheitsschutz.

Die Preise könnten bald steigen

All das klingt nach den in der Branche sprichwörtlichen „heftigen Turbulenzen“. Und doch wollen und glauben Manager und Politiker, dass Fliegen auch künftig zu vernünftigen Konditionen möglich sein wird.

„Die Nachfrage wird nach der Krise zurückkehren, und insofern glaube ich, dass auch der Luftverkehr wieder zu seiner alten Stärke zurückfindet“, gibt sich Jost Lammers, seit Jahresbeginn Chef des Münchener Flughafens, fast schon trotzig optimistisch.

Doch was die Rückkehr in die Normalität kosten wird, diese Rechnung ist noch längst nicht geschrieben. Experten rechnen damit, dass in den ersten Monaten des Neustarts ein regelrechter Preiskampf entbrennen wird.

„Wenn wir wieder fliegen dürfen, werden alle Airlines unter Druck stehen, ihre Flugzeuge zu füllen“, prognostiziert Ryanair-Chef Michael O’Leary. Mittelfristig könnten die Preise dann aber steigen. Denn die Airlines wollen ihr Angebot schrumpfen, und auch der Mehraufwand für den Coronaschutz muss irgendwie bezahlt werden.

Möglich sind zudem Verschiebungen im Angebot. Immer mehr Regierungen verbinden ihre Staatshilfen mit der Vorgabe, Reisen umweltgerechter zu machen. Frankreich und Österreich sind hier vorgeprescht.

So verbindet die französische Regierung ihr milliardenschweres Hilfsprogramm für Air France mit der Auflage, dass die Airline Inlandsstrecken, die in zweieinhalb Stunden auch mit dem Zug zu schaffen sind, nicht mehr anbieten darf. Zudem soll das Unternehmen bis 2025 zwei Prozent ihres Treibstoffbedarfs aus erneuerbaren Quellen decken.

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Nächste Aufgabe: Der Klimaschutz

Deutschland ist noch nicht so weit, aber auch hier läuft die Debatte heiß. So fordert Bundesumweltministerin Svenja Schulze, dass eine mögliche staatliche Unterstützung für den Luftverkehr drei Ziele verfolgen sollte: Jobsicherung, Klimaschutz und Innovation.

„Staatshilfen müssen so eingesetzt werden, dass sie nicht nur eine kurzfristige Unternehmenssicherung erreichen, sondern auch längerfristig zu einer modernen, ökologisch tragfähigen Unternehmensstrategie führen“, sagte die SPD-Politikerin dem Handelsblatt. „Andere Länder machen Vorgaben für effizientere Flotten oder die Reduzierung von Kurzstreckenflügen, das finde ich richtig.“

Sie habe bereits eine Quote für Kerosin aus grünem Wasserstoff vorgeschlagen. „Das sollte die Bundesregierung für alle Fluglinien vorschreiben“, sagte Schulze weiter. Zusätzlich könnten Fluglinien, die Staatshilfe erhalten, verbindlich zusagen, über die verpflichtende Quote hinaus mehr Kerosin aus grünem Wasserstoff abzunehmen. Das würde eine wichtige Zukunftstechnologie für den Klimaschutz in Deutschland voranbringen.

Noch ist unklar, wie stark die Regierung die Krise und den damit ausgelösten Umbruch in der Luftfahrt nutzen wird, um die Verkehrswende voranzutreiben. „Möglichkeiten gibt es, etwa die Beschränkungen von Verkehrsrechten für Billigkurzstreckenflüge“, sagt ein Luftfahrtmanager. Das würde vor allem Anbieter wie Ryanair treffen, der Lufthansa aber womöglich helfen.

Mitarbeit: Silke Kersting, Kerstin Leitel