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Eon kaserniert Mitarbeiter zum Schutz des Stromnetzes

Der Netzbetreiber hat wegen Corona viele Schutzmaßnahmen ergriffen – erwartet aber „sichtbare Spuren“ in der Bilanz. Die Aktie legt kräftig zu.

Der Energiekonzern hat 2019 das Ergebnis gesteigert. 2020 rechnet er mit „sichtbaren Spuren“ durch die Coronakrise, aber auch mit einem Plus. Foto: dpa
Der Energiekonzern hat 2019 das Ergebnis gesteigert. 2020 rechnet er mit „sichtbaren Spuren“ durch die Coronakrise, aber auch mit einem Plus. Foto: dpa

Eon-Chef Johannes Teyssen ist sich der besonderen Verantwortung seines Unternehmens in der Coronakrise bewusst. „Viele Regierungen sind besorgt, dass gerade in diesen schwierigen Wochen die Energieinfrastruktur stabil bleibt“, sagte Teyssen auf der Bilanz-Pressekonferenz, die natürlich auch ins Internet verlegt wurde: „Wir halten trotz der gegenwärtigen schwierigen Situation selbstverständlich unseren Geschäftsbetrieb aufrecht, damit unsere Kunden weiterhin zuverlässig mit Strom und Gas versorgt werden und die Netze stabil sind.“

Dabei greift Europas größter Netzbetreiber auch zu harten Maßnahmen. „Einige Hundert Mitarbeiter“ in den Netzleitstellen, die für die Steuerung der Netze zuständig sind, sind nach Teyssens Worten zu besonderen Einschnitten bereit: „Um hier Risiken für unsere Kunden und Mitarbeiter zu verringern, sind in der nächsten Phase Gruppen von systemkritisch notwendigen Mitarbeitern sogar bereit, unter kasernierungsartigen Lösungen zu leben und zu arbeiten“, erläuterte der Eon-Chef.

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Bei der Tochter Bayernwerk gebe es beispielsweise aus der Vergangenheit ohnehin Betten. Die Schichten würden dort arbeiten und leben und hätten keinen Kontakt zu den anderen Schichten. An anderen Standorten habe Eon ganze Herbergen in der Nähe angemietet, um die Mitarbeiter abzuschotten.

Eon versorgt nach der Übernahme von Innogy im vergangenen Herbst nicht nur selbst 50 Millionen Kunden, sondern betreibt auch in Deutschland und zahlreichen europäischen Staaten regionale Strom- und Gasleitungen mit einer Länge von 1,5 Millionen Kilometer.

Der Konzern gehört damit, wie alle anderen Strom- und Gasnetzunternehmen, zu den Betreibern kritischer Infrastruktur. Diese Unternehmen müssen auch während der Pandemie einen sicheren Betrieb gewährleisten, damit Privathaushalte, Wirtschaft, aber auch Krankenhäuser oder Seniorenheime weiter Energie bekommen.

Etwa 30 Mitarbeiter infiziert

Auch andere Netzbetreiber – wie die Betreiber der großen Übertragungsnetze Amprion, 50Hertz, Tennet und TransnetBW – hatten schon angekündigt, die Schutzmaßnahmen verstärkt zu haben. In der Regel werden beispielsweise Back-up-Leitwarten bereitgehalten, die räumlich von den regulären Steuerzentralen entfernt sind – bislang gingen die Unternehmen aber kaum ins Detail.

„Wir sind uns der daraus erwachsenden auch sozialen Verantwortung gegenüber unseren Kunden und der Gesellschaft in dieser Krise voll bewusst“, sagte Teyssen. Besonders hoch sind bei Eon die Schutzmaßnahmen nicht nur in den Leitstellen, sondern bei allen 14.000 Mitarbeitern, die in kritischen Funktionen arbeiten, wie Teyssen erläuterte – beispielsweise auch bei den Technikern, die an den Netzen vor Ort und bei den Kunden im Einsatz sind und Störungen beheben.

Nicht jeder könne schließlich im Homeoffice arbeiten. Auch in Call- und Servicecentern seien noch Tausende Mitarbeiter im Büro im Einsatz. Hier werde auf „soziale Distanzierung“ und „hygienische Maßnahmen“ geachtet.

Gut 30 Mitarbeiter haben sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Etwa 1500 der 75.000 Mitarbeiter sind aktuell in Quarantäne – teilweise freiwillig. Unter besonders erschwerten Bedingungen arbeiten die Mitarbeiter der italienischen Landesgesellschaft.

Energieversorger wie Eon sind zwar wirtschaftlich nicht so stark wie die meisten anderen Branchen von der Coronakrise betroffen – Energie wird auch in Krisenzeiten verbraucht. Aber auch Eon stellt sich auf „sichtbare Spuren in der Bilanz“ ein: „Auch Eon wird in seiner Bilanz Auswirkungen und Bremsspuren der Coronakrise im laufenden Jahr sehen“, sagte Teyssen, auch wenn es noch zu früh sei, die finanziellen Auswirkungen zu berechnen.

Deutlicher Rückgang der Stromnachfrage in der Industrie

In den Privathaushalten dürfte der Stromverbrauch zwar sogar steigen, aber in Gewerbe und Industrie wird er spürbar sinken, schließlich stehen flächendeckend Fabriken derzeit still. Das Beratungsunternehmen Enervis Energy Advisors rechnet in Deutschland mit einem Rückgang der Stromnachfrage durch die Industrie um zehn bis 20 Prozent und verweist dabei auf Erfahrungen aus der Finanzkrise. Dabei entfällt in normalen Zeiten etwa die Hälfte der Nachfrage auf die Industrie.

Eon wird den geringeren Stromverbrauch in den Netzen spüren. Gleichzeitig dürften Projekte bei Großkunden, denen Eon Energiedienstleistungen und dezentrale Energieanlagen verkauft, verschoben werden. Finanzvorstand Marc Spieker betonte aber, dass Eons Geschäftsmodell vergleichsweise stabil und verlässlich sei. 80 Prozent der Erträge stammten aus regulierten und quasi-regulierten Aktivitäten, eben dem Betrieb von Strom- und Gasnetzen.

Die Regulierer billigten den Netzbetreibern in der Regel innerhalb einer Periode Gesamteinnahmen zu, die unabhängig vom transportierten Volumen seien. Wenn die Einnahmen in diesem Jahr wegen der Coronakrise sinken dürften, könne Eon die entgangenen Einnahmen deshalb in den kommenden Jahren vermutlich wieder wettmachen.

„Auf mittlere Sicht und innerhalb einer Regulierungsperiode erwarten wir daher keine wesentlichen Auswirkungen auf die Erträge in unseren Netzgeschäften“, erläuterte Spieker. Im Vertrieb, der die anderen 20 Prozent der Ergebnisse beisteuere, sei zwar mit Einbußen im Geschäft mit Großkunden zu rechnen.

Das wiederum mache aber nur zehn bis 15 Prozent der Ergebnisse der Sparte aus – beziehungsweise zwei Prozent des Gesamtergebnisses. „Aus heutiger Sicht sind die Gesamtauswirkungen auf Cash, Ergebnis und Investitionen tatsächlich begrenzt“, fasste der Finanzvorstand zusammen.

Für Konzernchef Teyssen ist das eine Bestätigung dafür, dass die Übernahme von Innogy sinnvoll war. Eon hatte im vergangenen September das milliardenschwere Tauschgeschäft mit Konkurrent RWE besiegelt. Dabei übernahm Eon die RWE-Tochter Innogy, behielt aber nur die Sparten Vertrieb und Netze. Das Geschäft mit erneuerbaren Energien von Innogy, aber auch jenes, das bislang Eon selbst betrieben hatte, bekam RWE.

Bislang führt Eon Innogy noch als Tochter. Vor wenigen Wochen ließ der neue Mehrheitseigentümer aber auf einer außerordentlichen Hauptversammlung einen Squeeze-out beschließen. Teyssen stellt sich zwar auf Klagen von Minderheitsaktionären ein, ist aber zuversichtlich, die Verschmelzung bis September vollziehen zu können.

In der Bilanz für 2019 profitierte Eon schon von der Übernahme. So stieg der Konzernumsatz um 38 Prozent auf 42 Milliarden Euro – den Mehrumsatz von gut zehn Milliarden Euro steuerte aber weitgehend Innogy bei. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) verbesserte sich um acht Prozent auf 3,2 Milliarden Euro.

Dividende soll steigen

Im laufenden Jahr rechnet Eon mit einem Ebit von 3,9 Milliarden bis 4,1 Milliarden Euro, allerdings sind die Prognosen „vorbehaltlich noch nicht geplanter Auswirkungen aus der Coronakrise“. Die Aktionäre erhalten für 2019 eine Dividende von 46 Cent, drei Cent mehr als ein Jahr zuvor. Bis zur Dividende von 2022 wird zudem ein jährliches Wachstum von „bis zu fünf Prozent“ angestrebt.

Die Eon-Aktie, die in der vergangenen Woche wie die meisten Werte massiv unter dem Coronaschock gelitten hatte, legte am Mittwoch in den ersten Handelsstunden fast zehn Prozent zu. Der Ausblick und das angestrebte Wachstum bei den Dividenden hätten die Erwartungen des Marktes übertroffen, urteilten die Analysten von Bernstein Research.

Der Eon-Chef ist sich der großen Verantwortung des Netzbetreibers in der Coronakrise bewusst. Foto: dpa
Der Eon-Chef ist sich der großen Verantwortung des Netzbetreibers in der Coronakrise bewusst. Foto: dpa