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Christoph Mäckler: Der Stadt-Architekt hinterlässt Spuren im gesamten Land

In der Bankenmetropole Frankfurt ist der Einfluss des deutschen Architekten unübersehbar. Sein Herzensprojekt sind aber nicht spektakuläre Hochhäuser.

Ein „Star-Architekt“ sei er nicht, stellt Professor Christoph Mäckler gleich zu Beginn des Gesprächs klar. Und doch zählt der 69-Jährige zu den einflussreichsten Architekten der deutschen Gegenwart.

Vor allem in der Bankenmetropole Frankfurt ist es fast unmöglich, seinen Einfluss auf das Stadtbild zu übersehen – nicht zuletzt, weil Mäckler mit dem 170 Meter hohen Opernturm, Sitz der deutschen Tochter der Schweizer Großbank UBS, und dem noch 30 Meter höheren „Tower 185“ zwei prägnante Wolkenkratzer der Frankfurter Skyline entworfen hat. Gerade arbeitet sein Büro am Terminal 3 des Frankfurter Flughafens, und die neu gestaltete Altstadt, die überregional für viel Aufsehen sorgte, hat er als Vorsitzender des Gestaltungsbeirats verantwortet.

Er sei eben ein „Stadt-Architekt“, sagt Mäckler. Tatsächlich habe er Frankfurt „stark geprägt, es gibt an fast jeder Stelle etwas von ihm“, bestätigt Peter Cachola Schmal, Chef des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, die Selbsteinschätzung Mäcklers. „Er ist ein echter Überzeugungstäter, denn er setzt sich mit Herzblut für das Stadtbild seiner Heimatsstadt ein.“

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Aber auch im Rest Deutschlands findet man Mäckler-Entwürfe: In Berlin steht die von ihm konzipierte Lévi-Strauss-Oberschule, auf dem Campus Schloss Oestrich-Winkel sein Walther-Leisler-Kiep-Center und ebenfalls in der Bundeshauptstadt das Hochhaus „Zoofenster“, in dem sich das Hotel Waldorf Astoria befindet.

Die Leipziger Einkaufspassage „Marktgalerie“ stammt aus seiner Feder ebenso wie das Augustinermuseum in Freiburg. Am stärksten hat Mäckler aber in Frankfurt gewirkt.

Vor 40 Jahren gründete er dort sein Architekturbüro. Er trat damit nicht nur in die Fußstapfen seines in Frankfurt bekannten Vaters, des Architekten Hermann Mäckler, sondern setzte auch die Tradition seiner Familie fort, die seit Jahrhunderten Steinmetze, Ingenieure und Baumeister hervorbrachte. „Mäckler Architekten“ beschäftigt heute mehr als 60 Mitarbeiter. Vom Büro am Sachsenhäuser Museumsufer kann man über den Main hinüber die Frankfurter Skyline betrachten – ein Blick, der Mäckler nicht nur Freude bereitet.

Dem öffentlichen Raum verpflichtet

„Es gibt viele Architekten, die ihre Häuser nicht in den städtischen Raum einfügen, sondern diese als Solitär und Kunstwerk sehen“, rügt er seine Zunft. Mäckler indes geht es um die Gestaltung des „städtischen Raums“. Im Unterschied zum privaten Raum etwa in Wohnhäusern, der bis zum letzten Detail durchdacht und geplant werde, sei die Gestaltung von Straßen und Plätzen indes häufig nebensächlich, kritisiert Mäckler.

Weder schenke man dem Verhältnis der Gebäude zueinander noch ihrer Funktion im Stadtbild die gebührende Aufmerksamkeit. Dabei sei der öffentliche Raum ein Ort der Begegnung, ein Platz, an dem sich die Bewohner einer Stadt austauschen und treffen können, ganz gleich, ob sie im sonstigen Leben Berührungspunkte haben. Und genau dies sei wichtig für den sozialen Zusammenhalt und ein harmonisches Zusammenleben.

„Wir Architekten gehen zu wenig auf diesen Raum ein“, sagt Mäckler im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Jeder Architekt, jeder Mensch will sich verwirklichen, aber es geht darum, nicht nur für sich zu arbeiten, sondern für die Gemeinschaft“, sagt er. „Es kann nicht sein, dass jeder von uns macht, was er will. Und wir Architekten schon überhaupt nicht. Wir haben uns einzuordnen und städtischen Raum so zu gestalten, dass das Gebäude dem Vorhandenen nichts entgegensetzt, wie die Moderne das so gern mochte, sondern das Vorhandene in seinem Charakter, seinen Materialien und in seiner Schönheit verfestigt.“ Jedes Gebäude habe eine Verpflichtung gegenüber dem städtischen Raum. Werde diese Verpflichtung nicht eingehalten, entstünden Problemviertel.

Stattdessen sei das „extravagante, das gedrehte, gequirlte und gefächerte Hochhaus“ zur Normalität geworden, kritisiert Mäckler. Dabei müsse man wieder mehr über die Gemeinschaft und das Gemeinwohl nachdenken. „Wir müssen es wieder schaffen zusammenzukommen.“ Das gelinge beispielsweise dem Opernturm mit seinem belebten offenen Sockelgeschoss, verweist er auf eines seiner prominentesten Projekte.

Historischer Standort

Der Opernturm steht in Frankfurt an der Stelle eines der ersten Hochhäuser der Stadt, das 2002 abgerissen worden war. Mit diesem klassischen Hochhaus gelang Mäckler nach Einschätzung des Architekturexperten und -journalisten Dankwart Guratzsch ein seltenes Kunststück: Schon vor Fertigstellung des Gebäudes 2009 war alle Kritik an ihm verstummt. Das sei „ungewöhnlich für ein Projekt solcher Größenordnung“, meint Guratzsch.

Er führt dies auf zwei Faktoren zurück: dass sich der Turm so gut in das Stadtbild einordne und die Art und Weise der Fassadengestaltung. „Es ist ein Turm, der ganz stark auf den Ort eingeht, an dem er steht“, bestätigt Architekt Mäckler. Er verweist dabei vor allem auf das von ihm gewählte Material, den hellbeigen Naturstein, der auch das Material des Opernhauses ist. Der Naturstein stellt so eine Verbindung zu dem architektonischen Hauptdarsteller auf dem Platz in der Innenstadt Frankfurts her: der Alten Oper. Dafür wurde das Projekt mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als „Frankfurts schönster und stadtbildprägenster Neubau“.

Wichtig sind dem Architekten aber auch die nachhaltigen Eigenschaften der steinernen Turmfassade: Weil sie nicht wie viele andere Hochhäuser vollständig verglast, sondern zur Hälfte geschlossen wurde, müsse 20 Prozent weniger Energie für die Kühlung der Büros eingesetzt werden, erklärt Mäckler. Nachhaltigkeit spiele eine große Rolle, betont er: Jeder Neubau, den er bauen lasse, müsse wenigstens 100 Jahre halten.

„Ich versuche immer, Materialien zu verwenden, die dauerhaft sind. Das beginnt bei den Wänden, bei den Böden, der Höhe der Räume, der Qualität des Details, der Türgriffe, des Lichtes, der Farben.“ Wenn der Opernturm in 30 bis 40 Jahren neue Fenster brauche, weil die alten nicht mehr dem Stand der Technik entsprächen, „dann bleibt eigentlich alles erhalten. Sie müssen nur die Fenster austauschen, nicht aber die gesamte Fassade. Das klingt vielleicht ein bisschen altbacken, aber wir müssen auf den Boden zurückkommen.“

Ein Wahrzeichen – auch ohne Knick

So hat es der Opernturm geschafft, zu einem Wahrzeichen der Stadt zu werden – obwohl sich so mancher über das schlichte Design enttäuscht zeigte. „Wenn ich oben einen Knick in die Fassade gemacht hätte, dann wäre das Wahrzeichen wahrscheinlich weltweit bekannt geworden“, sagt Mäckler – eine kaum verhohlene Kritik an Gebäuden wie dem wenige Hundert Meter entfernten Omniturm, den der dänische Star-Architekt Bjarke Ingels plante. „Wir haben aber gern darauf verzichtet, weil es in der Welt so viele Ausrufezeichen gibt, dass diese überhaupt keine Rolle mehr spielen.“

Die Stadt ist für Mäckler „ein Körper, in dem Menschen leben und arbeiten. Und das ist das Wesentliche, um was wir uns als Architekten zu kümmern haben.“ Mäckler setzt sich dafür ein, alte Traditionen der Stadtbauweise stärker zu berücksichtigen, nicht nur in seiner Arbeit als Architekt, sondern auch in seiner Rolle als Direktor des 2008 gegründeten Deutschen Instituts für Stadtbaukunst. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, „positive Veränderungen in der Stadtentwicklungspraxis zu bewirken“. Die Städte müssten dichter werden und eine soziale und funktionale Mischung aufweisen, sagt er – und man müsse sich in ihnen wohlfühlen.

Mit der offen geäußerten Kritik an einer mangelnden Kooperation zwischen Architektur und Stadtplanung macht sich Mäckler nicht nur Freunde. Aber seine Appelle scheinen Wirkung zu zeigen. Gerade im Zuge der Coronakrise ist seine Kritik an den modernen Innenstädten, deren geisterhafte Leere auch immer mehr Einzelhändler und Immobilieneigentümer zum Umdenken zwingt, aktueller denn je.

Sein jüngst gemachter Vorschlag, die Fußgängerzone wieder für den Autoverkehr zu öffnen, sorgte in der hessischen Stadt für Aufsehen. Für ihn wäre das aber ein Schritt zur Belebung: „Eine Straße sorgt auch für soziale Kontrolle, gerade abends und nachts“, sagte er im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“.

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Durch die Pandemie, so hofft Mäckler, werde sich etwas zum Positiven ändern. Corona habe den bereits seit Langem zu beobachtenden Niedergang der Innenstädte beschleunigt. Er verweist auf die Einkaufsstraße Zeil in Frankfurt: Diese sei eine monofunktionale Zone, kritisiert er. „Es fehlt nur noch das Glasdach, dann wäre es eine Shoppingmall. Hier fehlt die soziale Mischung eines lebenswerten Viertels mit Wohngebäuden, Restaurants, Kultur und gesellschaftlichem Austausch.“

Man dürfe eine Stadt nicht aufteilen in Einkaufszone, Gewerbegebiet und Wohngebiet. „Wir brauchen Nutzungsmischung – wie sie dem Charakter der europäischen Stadt entspricht und wie es sie schon vor Jahrhunderten gab. Das führt auch zu einer Vielfalt, die ganz wichtig ist.“

Nachfolge gesichert

Im Gegensatz zu vielen Kollegen hat es Mäckler nicht gereizt, Projekte in anderen Ländern, etwa in China anzunehmen. „Ich finde es spannend, diese Länder zu bereisen. Aber ich muss dort nicht bauen“, sagt er. „Viele Kollegen, die schweben sozusagen über ihrem Büro, sind Manager, bringen viele Aufträge, saßen bis zur Pandemie mehr oder weniger täglich im Flugzeug. Das interessiert mich nicht“, sagt er.

„Ich stelle mir mein Leben einfach anders vor. Wir machen auch Türgriffe oder da diese Lampe“, deutet er auf eine schlanke Leuchte an der Seite des Tisches in seinem Konferenzraum, in dem wegen der Corona-Regeln aktuell auch mehrere Angestellte an Entwürfen arbeiten. „Das sind alles Produkte, die sozusagen aus meiner Feder kommen. Und daran sieht man vielleicht, dass es mich wenig interessiert, irgendwelche bombastischen Entwürfe für Gesellschaften und Kulturen zu machen, die ich nicht kenne.“

Ans Aufhören denkt der 69-Jährige noch nicht. Dabei hat er im Gegensatz zu vielen anderen wohl eine Sorge weniger: Seine beiden Töchter werden die Familientradition wohl fortsetzen.

Mehr: Serie: „Die Baumeister der Moderne“. Bisher erschienen: Bjarke Ingels: Der dänische Rockstar (Teil 1)