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„Ab 2025 wird China ein Hocheinkommensland sein“

Der Internationale Währungsfonds hat gerade mit Verweis auf die Abschwächung der chinesischen Wirtschaftsentwicklung die Wachstumsprognosen für Deutschland und andere Länder kräftig gesenkt. Mit 6,6 Prozent ist Chinas Wirtschaft 2018 so schwach gewachsen wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers hat vorausgesagt, dass Chinas Wachstum bald auf ein Niveau absinken werde und müsse, wie es für fortgeschrittene Industrienationen üblich ist.

Die „Seidenstraßeninitiative“ der chinesischen Regierung bereitet dem Westen große Sorgen. Die Kritik: Den Ländern, die sich beteiligen, würden große Schulden aufgebürdet. Und weil sie den Staatseinfluss auf Chinas Wirtschaft zunehmend kritischer sehen, versuchen immer mehr Regierungen, chinesische Unternehmen an Übernahmen heimischer Unternehmen zu hindern oder sie von Staatsaufträgen auszuschließen.

So hat auch die Bundesregierung erst kürzlich zum Schutz vor Spionage und des geistigen Eigentums die Hürden für ausländische Investoren erhöht.

In dieser Gemengelage überrascht es kaum, dass an diesem Dienstag weit mehr als 1.000 Menschen zur Universität Frankfurt am Main gekommen sind, um eine chinesische Version der Geschichte zu hören. Sie wollten erfahren, was Justin Lin, Wirtschaftsprofessor und Regierungsberater in Peking, zur „Ökonomie von Chinas Neuer Ära“ zu sagen hatte.

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Lin widerspricht ausdrücklich allen Prognosen, wonach Chinas Wachstumswunder, das das Land in nur vier Jahrzehnten vom Armenhaus der Welt zu einem Land mit gehobenem mittleren Einkommen gemacht hat, nicht mehr lange weitergehen werde. Lin hat in Peking marxistische Ökonomie studiert, erwarb an der marktliberalen Universität Chicago den Doktortitel und war von 2008 bis 2012 Chefvolkswirt der Weltbank in Washington.

Die Grundlage für das starke Wachstum ist Lin zufolge der Nachzüglervorteil, der es dem Land erlaubt, durch Import fortschrittlicher Technologie die Produktivität kräftig zu steigern. Dieser Prozess sei noch lange nicht am Ende.

Lin vergleicht den derzeitigen Stand Chinas mit dem von erfolgreichen Ländern wie Singapur, Südkorea und Japan in der Vergangenheit. Diese Länder seien vom heutigen relativen Entwicklungsstand Chinas aus noch viele Jahre mit sehr hohen Raten gewachsen. Deshalb sagt Lin voraus, dass sein Land noch bis 2030 mit mehr als sechs Prozent pro Jahr wachsen werde. „Ab etwa 2025 wird China dann ein Hocheinkommensland sein“, sagte er.

Zu den wichtigsten Bedrohungen für das Wachstum in China und anderen Schwellen- und Entwicklungsländern zählt Lin die Wirtschaftspolitik im Leitwährungsland USA. Die Niedrigzinspolitik und die Wertpapierkäufe der Notenbank hätten vor allem zu einem Aktienboom geführt.

Die Wirtschaft habe immer noch nicht zu Wachstumsraten wie vor der Krise zurückgefunden. Die Arbeitsmarktlage sei viel schlechter, als die niedrigere Arbeitslosenzahl signalisiert. „Das hat zu größerer Ungleichheit, Populismus und Protektionismus geführt“, so Lin.

Den Protektionismus hält er für Chinas derzeitiges Hauptproblem, doch es sei eines, das China bewältigen könne. „Es gibt noch jede Menge Nachholbedarf bei der Infrastruktur, und die Regierung hat Devisenreserven von drei Billionen Dollar zur Verfügung, um antizyklische Konjunkturpolitik zu finanzieren.“

China werde für Branchen mit niedriger Wertschöpfung zu teuer

Die westliche Kritik an Chinas „Neuer Seidenstraße“ weist Lin entschieden zurück. Westliche Entwicklungshilfe sei zwar gut gemeint, habe aber bisher sehr wenig Positives bewirkt. Das wichtigste Entwicklungshemmnis der armen Länder sei fehlende Infrastruktur, und da setzte Chinas „Seidenstraßeninitiative“ an.

Unter Barack Obama habe die US-Regierung asiatischen Ländern ganz ähnliche Angebote zur Infrastrukturfinanzierung gemacht, aber die seien schnell in Vergessenheit geraten. China habe einfach mehr zu bieten: jede Menge Ingenieure, Stahl, Zement und geduldiges Kapital zur Finanzierung.

Damit deutet Lin etwas in einen Wettbewerbsvorteil in der Entwicklungspolitik um, das oft als großes Problem Chinas bezeichnet wird: enorme Überkapazitäten im Bausektor. Außerdem gebe es in China viele Millionen industrielle Arbeitsplätze, die billigere Standorte suchen müssten, weil China für Branchen mit niedriger Wertschöpfung zu teuer werde. Zusammen mit der Finanzierung von Infrastruktur könne China deshalb auch die begründete Aussicht auf Unternehmensansiedlungen bieten.

Die zunehmende Alterung und die beginnende Schrumpfung der chinesischen Bevölkerung sind für Lin kein ernsthaftes Wachstumshindernis. Frauen könnten in China mit 50 Jahren in Rente gehen, Männer mit 55. Da sei noch viel Luft nach oben, um das Arbeitskräftepotenzial zu steigern.

Außerdem komme es auf die Qualität des Arbeitsangebots an, nicht nur auf die Menge. Die Qualifikation der chinesischen Arbeitskräfte nehme ständig zu. Wenn es nach Lin und seinem Resümee geht, dann hat China wegen westlicher Fehler eine schwierige Zeit zu überstehen. Das werde jedoch gelingen und das Wachstum hoch bleiben – zum Wohle der ganzen Welt.