Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.430,05
    +254,84 (+1,40%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.016,10
    +59,14 (+1,19%)
     
  • Dow Jones 30

    38.894,04
    +41,77 (+0,11%)
     
  • Gold

    2.323,80
    -7,40 (-0,32%)
     
  • EUR/USD

    1,0774
    0,0000 (-0,00%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.005,27
    -2,11 (-0,00%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.320,83
    -44,30 (-3,25%)
     
  • Öl (Brent)

    78,79
    +0,31 (+0,40%)
     
  • MDAX

    26.561,47
    -5,97 (-0,02%)
     
  • TecDAX

    3.359,21
    +67,47 (+2,05%)
     
  • SDAX

    14.772,72
    +250,14 (+1,72%)
     
  • Nikkei 225

    38.835,10
    +599,03 (+1,57%)
     
  • FTSE 100

    8.313,67
    +100,18 (+1,22%)
     
  • CAC 40

    8.075,68
    +79,04 (+0,99%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.380,09
    +30,84 (+0,19%)
     

Cavusoglu bezeichnet Niederlande als „Hauptstadt des Faschismus“

Der diplomatische Schlagabtausch zwischen der Türkei und den Niederlanden eskaliert. Die Regierung in Den Haag untersagte am Wochenende dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Einreise und verwies wenig später Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya des Landes. Präsident Recep Tayyip Erdogan zog wie schon zuvor im Streit mit Deutschland über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker Vergleiche zu den Nazis und drohte den Niederlanden mit Konsequenzen. „Sie werden für ihr Vorgehen bezahlen“, sagte er am Sonntag in Istanbul. „Wir werden sie lehren, wie internationale Diplomatie funktioniert.“

Der nächste Krisenherd zeichnet sich bereits ab. Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen hat am Sonntag seinen türkischen Amtskollegen Binali Yildirim gebeten, einen für nächste Woche geplanten Besuch in Dänemark zu verschieben. „Unter normalen Umständen wäre es ein Vergnügen, den türkischen Ministerpräsidenten Yildirim zu begrüßen“, teilte Løkke Rasmussens Büro in einer Pressemitteilung mit. „Aber nach dem jüngsten Angriff der Türkei auf Holland kann das Treffen nicht unabhängig davon gesehen werden.“ Deshalb habe er seinem türkischen Kollegen vorgeschlagen, ihr Treffen zu vertagen.

Yildirim wollte Medienangaben zufolge am 19. und 20. März neben offiziellen Terminen auch an Versammlungen türkischer Bürger in Dänemark teilnehmen. Die dänische Regierung sehe die Entwicklungen in der Türkei mit großer Besorgnis, hieß es weiter in der Mitteilung. Ein Treffen mit Yildirim könne als Zeichen interpretiert werden, dass Dänemark die Entwicklungen in der Türkei milder betrachte, und das sei nicht der Fall.

Im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Westeuropa spricht sich Grünen-Parteichef Cem Özdemir für ein koordiniertes europäisches Vorgehen aus, „damit uns der Diktator aus Ankara nicht gegeneinander ausspielen kann“, sagte er dem Handelsblatt. Auch die Auftritte in Deutschland beschäftigen die Politik. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich klar gegen Auftritte türkischer Wahlkämpfer in Deutschland ausgesprochen. „Ich will das nicht. Ein türkischer Wahlkampf in Deutschland hat hier nichts verloren“, sagte de Maizière (CDU) am Sonntag im ARD-„Bericht aus Berlin“. Deswegen gebe es ja sogar in der Türkei die Regel, dass Wahlkampf im Ausland nicht erlaubt ist. Oft würden die Auftritte nicht offiziell als Wahlkampf angekündigt, sondern als sonstige Auftritte. „Also ich bin dagegen“, sagte der CDU-Politiker, der aus Dresden zugeschaltet wurde.

WERBUNG

Es müsse jedoch klug abgewogen werden, „ob man jetzt Einreiseverbote verhängt“. Aber es gebe Grenzen - klare Grenzen - zum Beispiel das Strafgesetzbuch: „Wer die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft und böswillig verächtlich macht, macht sich strafbar. Dort wäre spätestens eine Grenze.“

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montag) davor, den Streit um türkische Wahlkampfauftritte auf die Spitze zu treiben. „Deutschland als die größte Nation in der EU sollte trotz allem mit Ankara grundsätzlich im Gespräch bleiben, obwohl die türkische Regierung der Bundesregierung diese Entscheidung derzeit wahrlich nicht einfach macht“, sagte Kauder.

In der Auseinandersetzung zwischen der Türkei und den Niederlanden hat der Europarat beide Seiten zu einem „konstruktiven Dialog“ aufgerufen. Die derzeitige Lage schade der Diplomatie und der Demokratie und dürfe nicht weiter eskalieren, sagte der Generalsekretär des Rats, Thorbjorn Jagland, am Sonntag.

Türkische Staatsbürger müssten sowohl zuhause als auch im Ausland die Möglichkeit haben, an offenen und fairen Diskussionen über das von Präsident Recep Tayyip Erdogan geplante Präsidialsystem teilzuhaben. Auftritte von türkischen Regierungsvertreten außerhalb der Türkei müssten jedoch in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Partnerländern stattfinden, sagte Jagland.

„Ankara ist gegenwärtig unter Erdogan und der AKP dabei, den letzten Rest an Ansehen und Respekt in Europa gründlich zu verspielen“, sagte Özdemir, der auch Spitzenkandidat seiner Partei bei den Bundestagswahlen im September ist. Eine sofortige Konsequenz aus dem Verhalten Ankaras müsse der Rückzug der Bundeswehr-Soldaten aus der Türkei sein. „Geht es nach uns Grünen, werden unsere Soldaten aus Incirlik und Konya abgezogen und nach Jordanien verlegt, wo unsere Soldaten in Amman wesentlich willkommener sind.“


„Sie sind Nazi-Nachkommen“

In Rotterdam kam es zu nächtlichen Ausschreitungen. Vor dem Konsulat setzte die Polizei Wasserwerfer, Schlagstöcke, Hunde und Beamte auf Pferden ein, um rund 2000 wütende Demonstranten mit türkischen Fahnen zu vertreiben. Die Beamten wurden aus der Menge mit Flaschen und Steinen beworfen.

In der Türkei riegelten die Behörden die niederländische Botschaft in Ankara und das Konsulat in Istanbul ab. Auch hier demonstrierten Hunderte Menschen gegen die Regierung in Den Haag. Der Geschäftsträger der niederländischen Botschaft wurde nach Angaben aus Regierungskreisen ins Außenministerium einbestellt. Dem niederländischen Botschafter, der derzeit außer Landes ist, untersagte das Außenministerium in Ankara die Rückkehr. Der niederländische Außenminister mahnte die türkische Regierung, für die Sicherheit der Diplomaten zu sorgen. Zuvor hatte kurze Zeit eine türkische Fahne vor dem Konsulat geweht. „Die Lage ist unklar“, erklärte er. „Wir haben uns bei den türkischen Behörden beschwert.“ In türkischen Regierungskreisen hieß es, Konsulatsbeamte hätten die Flaggen getauscht.

Auslöser des Streits war die Absage eines Wahlkampfauftritts von Cavusoglu durch die Stadt Rotterdam am Samstag. Er wollte um Unterstützung für ein Referendum im April trommeln, bei dem die Türken über Machtbefugnisse für den Präsidenten abstimmen. Als der Minister dennoch auf seine Einreise pochte und mit politischen und wirtschaftlichen Sanktionen drohte, entzog ihm die Regierung in Den Haag die Landeerlaubnis. Erdogan reagierte erbost: „Sie haben keine Ahnung von Diplomatie oder Politik. Sie sind Nazi-Nachkommen. Sie sind Faschisten.“ Cavusoglu drohte, die Türkei werde so lange gegen die Niederlande vorgehen, bis sie sich entschuldigten. Das Land sei die „Hauptstadt des Faschismus“, sagte er bei einem Auftritt im französischen Metz.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu ist nach einem Pressebericht von den Niederlanden offiziell gebeten worden, auf Wahlkampfauftritte zu verzichten. Er habe sich Tage vor seiner verhinderten Anreise auch bereit erklärt, dies zu berücksichtigen, berichtet die „Bild“-Zeitung (Montag) unter Berufung auf diplomatische Kreise weiter. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel habe bei seinem Treffen mit Cavusoglu am vergangenen Mittwoch in Berlin seinem türkischen Kollegen die Bitte der niederländischen Regierung weitergegeben.

Direkt vor der anstehenden Parlamentswahl in den Niederlanden würden Wahlkampfauftritte nur Gegner der Türkei und des Islam stärken, hieß es zur Begründung. Cavusoglu habe gegenüber Gabriel Verständnis gezeigt und die Bitte der Niederlande berücksichtigen wollen. Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es auf Anfrage lediglich: „Wir standen mit der niederländischen Seite in Kontakt.“

Wie „Focus Online“ berichtet, wandte sich die niederländische Regierung zudem sowohl an das Auswärtige Amt als auch an das Bundesinnenministerium mit der Bitte, die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya an der Grenze zu den Niederlanden zu stoppen. Die Ministerin sei im Land nicht erwünscht. Dem sei jedoch nicht entsprochen worden. Beide Ministerien seien untätig geblieben, wollten sich angeblich nicht in den Konflikt einmischen. Daraufhin sei die Ministerin am Samstag mit dem Auto von Deutschland aus nach Rotterdam gefahren. Dort wurde ihr Konvoi erst kurz vor dem Konsulat gestoppt.

Die Niederlande, in denen am Mittwoch ein neues Parlament gewählt wird, erklärten, die Drohung mit Sanktionen mache die Suche nach einer vernünftigen Lösung unmöglich. Sein Land werde sich nicht erpressen lassen, stellte Ministerpräsident Mark Rutte klar. Er verstehe, dass die Türkei verärgert sei. Nazi-Vergleiche gingen aber zu weit. „Die niederländische Regierung hat nichts gegen Versammlungen in unserem Land, auf denen Bürger türkischer Abstammung über das Referendum in der Türkei informiert werden“, schrieb er auf Facebook. „Diese Treffen dürfen allerdings nicht zu Spannungen in unserer Gesellschaft beitragen. Jeder, der eine Versammlung abhält, muss den Anweisungen der Behörden folgen, damit die öffentliche Sicherheit gewährleistet werden kann.“


Wilders: „Geht in die Türkei und kommt nie wieder zurück“

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, der Umfragen zufolge bei der Parlamentswahl mit starken Stimmengewinnen auf dem zweiten Platz landen dürfte, twitterte: „An alle Türken in den Niederlanden, die mit Erdogan übereinstimmen: Geht in die Türkei und kommt nie wieder zurück.“ Vor den Niederlanden hatten Österreich, die Schweiz und deutsche Kommunen Auftritte türkischer Politiker untersagt.

Die türkische Familienministerin Kaja reiste als Reaktion auf das Landeverbot für Cavusoglu auf dem Landweg von Deutschland in die Niederlande. Dort wurde sie jedoch festgesetzt, des Landes verwiesen und zur deutschen Grenze zurück eskortiert. Sie beschwerte sich später auf Twitter über ihre Ausweisung: „Die Welt muss im Namen der Demokratie gegen diesen faschistischen Akt aufstehen! Dieses Verhalten gegenüber einer weiblichen Ministerin ist inakzeptabel“. Die türkische Zeitung „Hürriyet“ berichtete, Kaja sei von Köln aus nach Istanbul zurückgeflogen. Das französische Außenministerium forderte die Türkei auf, Provokationen zu unterlassen.

Cavusoglu warf auch Deutschland am Wochenende erneut vor, Nazi-Methoden anzuwenden. Türken in Deutschland seien einem systematischen Druck durch Polizei und Geheimdienste ausgesetzt. "Die Stimmung der Türken in Deutschland ist am Überkochen", warnte er. Erdogan denke weiter über einen Deutschland-Besuch nach, Ort und Zeit stünden aber noch nicht fest. Die Bundesregierung lehnt ein grundsätzliches Auftrittsverbot für türkische Politiker ab, verlangt von der Türkei aber, sich an die Regeln von Recht und Anstand zu halten. Nazi-Vergleiche seien inakzeptabel.

Die CSU stellte angesichts der Spannungen erneut die Stationierung von Bundeswehr-Soldaten auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik in Frage. „Wir sollten die Option einer Stationierung an einem anderen Ort prüfen - beispielsweise in Jordanien“, sagte CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn dem Bayerischen Rundfunk. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen forderte eine Abkehr von der doppelten Staatsbürgerschaft, die sich nicht bewährt habe. Ähnlich äußerte sich CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer im „Tagesspiegel“. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel wies die Forderung zurück.